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August 31, 2018

Achtung! Identitätsverlust durch Gesichtslosigkeit

Text Nadine Pardatscher

Indem sie aufmerksam und offen durchs Leben geht, schafft es die junge Künstlerin, sich von überall Inspirationen zu holen. Sie ist aufgewachsen in Bozen und hat in Urbino das Studium der Malerei beendet. Nachdem sie ihren Wohnsitz für kurze Zeit nach Wien verlegt hatte, packte sie noch einmal ihre Koffer, um in Bologna eine Spezialisierung in Fotografie zu absolvieren. Vom Können der sich bekennenden Hiroshi-Sugimoto-Bewunderin kann sich jede und jeder selbst überzeugen. Was, wann, wie, wo? “Close” nennt sich die jüngste Fotoserie von Karin Schmuck, die um 20 H am 1. September 2018 im Kunstforum Unterland vorgestellt wird.

Karin Schmuck Portrait

Was unterscheidet ein herkömmliches Portrait von deinen aktuellen Arbeiten?

In erster Linie unterscheiden sich die beiden dadurch, dass in meinen Bildern das Gesicht verborgen bleibt. Man könnte sie als eine Art Anti-Portraits bezeichnen, in denen der Blickkontakt mit dem Betrachter fehlt. In einem fotografischen Portrait liegt der Fokus meistens auf dem Gesicht und den Augen, genau durch das Weglassen dieser zentralen Bildinformationen wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf umliegende Elemente verschoben. Es geht nicht um die porträtierte Person an sich, da sie ja im Moment ihr Gesicht, sprich ihre Identität, verliert.

In deinem aktuellen Projekt möchtest du den Blick auf periphere Elemente lenken. Wieso?

Weil mich das Hintergründige und das, was zwischen den Zeilen steht, meistens mehr interessiert als das Offensichtliche. Diese Bilder leben von der Spannung zwischen klassischer Bildsprache und deren Umkehrung –vom Wiedererkennungswert, von Symbolik und Komposition, und deren Enttäuschung. Das kann, so hoffe ich, beim Betrachter eine Verlangsamung im Bildkonsum auslösen. 

Du sprichst von einer Bilderflut, der wir in der heutigen Zeit ausgesetzt sind. War es früher wirklich besser?

Ich denke schon, dass wir immer mehr Stimuli ausgesetzt sind. Natürlich hängt es dann davon ab, wo und wie man entscheidet zu leben.

Welche Aufgaben haben deine Bilder? Was sollen sie beim Betrachter auslösen?

Ich weiß nicht, ob ich von “Aufgabe” sprechen möchte. Ich hoffe, dass meine Arbeiten in der Lage sind, Menschen zu berühren und einen Denkprozess auszulösen.

Was hat es mit dem Titel “Close” auf sich?

Close ist ein Begriff mit vielen Bedeutungen: schließen, enden, eng, nahe, vertraut (…) sind einige davon. Ich habe ihn als Titel gewählt, weil all diese Qualitäten, und auch dieselbe Ambivalenz, in der Ausstellung wiederzufinden sind. 

Karin Schmuck

2017 wurdest du mit dem Combat Prize ausgezeichnet. Hast du mit einer derartigen Auszeichnung gerechnet? Was bedeutet dieser Preis für dich?

Es ist natürlich eine große Ehre mit einem internationalen Kunstpreis ausgezeichnet zu werden. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, es war eine riesige Überraschung.

Welche/r Südtiroler Fotograf/in begeistert dich?

Walter Niedermayr und Christian Martinelli. Auf internationaler Ebene sind die Arbeiten von Hiroshi Sugimoto für mich das Höchste.

In früheren Arbeiten ging es dir darum, den Drang des Menschen aufzuzeigen, seine eigenen Grenzen zu überschreiten. Wann und wie hast du deine persönlichen Grenzen überschritten?

Du  spricht von den Arbeiten der Ausstellung Plus Ultra. Da die Ausstellung in einem alten Gefängnisgebäude stattfand, hatten wir beschlossen, sie um die Idee der Einschränkungen und Grenzen kreisen zu lassen, und zwar nicht der von außen, sondern sich selbst auferlegten und mentalen Grenzen. Ich habe mich diesbezüglich mit dem Mythos des Sisyphos in der existenzialistischen Auslegung von Camus befasst. Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache (…) (Le mythe de Sisyphe – Albert Camus 1942).

Informationen zur aktuellen Ausstellung gibt es hier.

Fotos: Karin Schmuck

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