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July 16, 2018

Vom Rocker zum Kurator: Christian Jankowski im Portrait

Eva Rottensteiner

Obwohl er eigentlich nicht an der Kunsthochschule angenommen wurde und die Vorlesungen als „Schwarzhörer“ besuchen musste, hat es Christian Jankowski doch um einiges weiter geschafft als so manch anderer Zeitgenosse. Der Konzept- und Aktionskünstler sowie Kurator hat keinen Studienabschluss nötig, um erfolgreich zu sein, in der zeitgenössischen Kunstszene ist er kein unbeschriebenes Blatt mehr. Einer seiner größten Erfolge ist vermutlich die 11. Auflage der Wanderausstellung Manifesta, welche er 2016 unter dem Namen „What People Do for Money“ in Zürich kuratiert hat. Kürzlich hat es ihn nach Südtirol verschlagen, wo er die Youth Art Biennale „Academiae Biennial 2018“ (7.7.–31.10.2018) in Franzensfeste kuratiert hat und ich ihn während des Aufbaus zum Interview getroffen habe.

Ob Lebensmittel mit Pfeil und Bogen im Supermarkt zu jagen, mit italienischen Wahrsagerinnen über seine künstlerische Zukunft zu plaudern und das Video dann zur Biennale in Venedig einzusenden oder sich bei der Bewerbung für den „Preis der Freunde der Nationalgalerie in Berlin“ über das Prinzip des Künstlerwettstreits lustig zu machen – bei seinen Produktionen ist alles erlaubt. 
In seinen Projekten geht es vor allem um Berufe und Menschen, besonders jene, die mit der Kunst eigentlich überhaupt nichts am Hut haben: „Ich arbeite gerne mit professionellen Leuten aus anderen Berufen, damit die einen neuen Blick in die Kunst reinbringen. […] Deshalb interessiert mich der Blick von Zahnärzten oder von Gewichthebern oder vom Vatikan.“ 

Christian Jankowski ist auch am Handeln per se interessiert und wie verschiedene Menschen auf gleiche Ausgangsfragen reagieren. Darum ging es auch in einem seiner Installationen „Dienstbesprechungen“ 2008 für das Kunstmuseum Stuttgart, wo er einen Regisseur mit einem Dokumentarfilm über das Museum beauftragt und heimlich im Vorfeld alle Tätigkeiten der Angestellten vertauscht. Am Ende filmt er diese dann, um zu beobachten wie sie sich gegenseitig helfen, die neuen Aufgaben zu bewältigen. Christian Jankowski spielt mit der Realität, die im Grunde nur inszeniert ist, und beobachtet, wie unterschiedlich Leute auf gleiche Ausgangssituationen reagieren. 

Für den Aktionskünstler sind seine Werke oftmals Teil bestimmter Phasen und auf die Frage, was sein Lieblingsprojekt war, kann er sich nicht so schnell entscheiden. „Ich bin stolz darauf, dass ich mit dem Vatikan Jesus gecastet habe“, erzählt er entspannt, während rundherum die TeilnehmerInnen von Academiae 2018 gestresst kreuz und quer rennen. Nicht ganz so schnieke wie sonstige Kuratorfuzzis beäugt er die Aufbauarbeiten in schwarzer Lederjacke und bequemen Adidas-Sneakers. 
Die schwarze Lederjacke könnte auch ein Überbleibsel seines inneren Rockers darstellen. In jungen Jahren hat er sich nämlich als Mitglied von Rockbands versucht, heute hat er neben seinem Künstlerdasein auch noch eine Professur für Bildhauerei an der staatlichen Universität für Bildende Künste in Stuttgart und lässt sich von seinen StudentInnen inspirieren und manchmal auch in den Wahnsinn treiben. Musik machen sei schließlich auch eine Form des Ausdrucks und der Ästhetik, was man leicht auch auf die Rolle des Kurators und Künstlers beziehen kann, erklärt Christian Jankowski. Der Rocker in ihm ist aber noch lange nicht gestorben. Während der Aufbauarbeiten zur Academiae wurde im neu gegründeten Club „The Fancy Frenzy“ geshaked bis in die späten Morgenstunden: „Ich bin auch noch ziemlich Hangover von gestern und von vorgestern. Wir haben schon wilde Tänze da hinter uns, mit Studierenden und auch einer lustigen Truppe von ProfessorInnen, die da unten mitgehottet haben. Also da gibt’s schon noch ein bisschen Unterhaltungskünstler, der irgendwie Spaß hat.“ 

Vielleicht stellt sich die Leserschaft langsam die Frage, was der Künstler noch nicht gemacht hat. Doch darauf weiß auch Christian Jankowski keine Antwort. Nach langen Grübeln kommt er zum Schluss, dass er glücklich ist, von einem Überangebot auswählen zu dürfen und keine persönliche To-Do-Liste abzuhaken hat. Doch viele Möglichkeiten können auch zur Bedrohung werden und Langeweile wäre manchmal sogar eine willkommene Abwechslung: „Manchmal habe ich ein bisschen ein rastloses Leben. Vielleicht ist dies eine Sache, die man sich für die Zukunft noch wünschen könnte, mehr Ruhe zu finden und sich Sachen auch entziehen zu können“, erklärt er und denkt  an seinen sechsjährigen Sohn, der es kaum erwarten kann, mit ihm am Wochenende campen zu gehen.

Foto: franzmagazine/Eva Rottensteiner

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