Music

June 7, 2018

Ein Toast auf das Heart Of Noise Festival 2018

Florian Rabatscher

Wir enterten früh abends die Straße und das Wetter war schon mal wenig zusagend. Einer schwarzen Wolkenwand entgegen donnernd hofften wir auf das Beste. Ja, bald schon würden mein Fotograf und ich Innsbruck erreicht haben, obwohl es uns eher wie eine Reise nach Mordor vorkam, aber egal. Eines wussten wir genau, für diesen Trip mussten wir uns sorgfältig mit Alkohol eindecken, denn eine normale Berichterstattung wäre viel zu schade für dieses Festival. Bei solch einem Musikangebot muss man doch völlig eins mit der Stimmung werden. Verschwommen und elitär.

Wir versuchten erstmal in irgendeinem Lokal das Verhalten der eingeborenen Hipster zu imitieren, woran wir natürlich kläglich scheiterten. Es fehlte einfach die Zeit. Nach einem kleinen Umweg von einer halben Stunde standen wir also komplett unvorbereitet vor dem Heart of Noise Festival 2018, oder wie wir es nennen: Die Twilight Zone. Spät, sehr spät kamen wir im Treibhaus an und wurden nicht gerade herzlich empfangen. Die Frau an der Kasse konnte es wahrscheinlich nicht fassen, dass zwei so runtergekommene Typen Journalisten sein sollten. Lallend und sinnloses Zeug redend machten wir es ihr doch noch irgendwie verständlich. Sie warf uns auch noch einen misstrauischen Blick zu, den wir gekonnt erwiderten. Eine Taktik, die so sinnlos wie Eiswürfel am Nordpol zu verkaufen war, aber egal. Es war schon nach Mitternacht, als wir in den Keller stürzten und unglaublich viele Köpfe, die sich monoton zu einem bombastischen Sound bewegten, entdeckten. Godflesh standen auf der Bühne und lieferten wahrscheinlich die beste Show an diesem Abend, soweit ich das beurteilen kann. Zwei Leute auf der Bühne: Bass, Gitarre und Stimme dazu eine Prise hämmernde Beats. Ohne große Worte: Was für ein verdammtes Spektakel. Wir freuten uns schon auf den Main-Act Alec Empire. Das Warten auf ihn versüßten wir uns mit ungefähr hundert Partien Elvis-Flipper, dazu nahmen wir Kaffee und Schnaps ein. Die Stimmung wurde zunehmend ausgelassener. Plötzlich wurde ich magisch von diesem teuflischen Krach aus dem Keller angezogen. Alec Empire gab sein „The Destroyer“-Set zum Besten und es war wirklich apokalyptisch. Man konnte sein Gesicht nur manchmal zwischen der fast schon Epilepsie auslösenden Lichtshow erfassen, was meinen Trance ähnlichen Zustand nur verstärkte. Man soll mich jetzt nicht falsch verstehen, dieser Zustand war nicht psychedelisch. Es war eher wie bei einem Punk-Konzert unter Hypnose. Der noch so größte Pazifist würde hier automatisch in eine Killermaschine verwandelt. Es war so brutal, wie ich es erwartet hatte. Übrigens, mein Fotograf war verschwunden, doch solange es einen Tresen in diesem Gebäude gab, wüsste ich, wo ich ihn finden würde.

Und täglich grüßt das Murmeltier … Der nächste Tag lief eigentlich fast genauso ab. Mit dem feinen Unterschied, dass Jlin uns an diesem Abend verzauberte, sogar mein Fotograf zog ihren Sound dem Tresen vor. Deutlich weniger Publikum als bei Alec Empire, aber diese Frau hat wirklich eine neue Art der Musik erschaffen.

HON2

An dieser Stelle möchte ich es aber lieber abbreche,n euch mit verschwommenen Erinnerungen zu langweilen, und über die Musik haben wir eh schon genug geschrieben. Auch nur die Stimmung einzufangen wäre ein fataler Fehler, es würden zu viele falsche Worte fallen. Ich könnte über Unmengen von Wichtigtuern schreiben, die einen mit ihren beschissenen Weisheiten, wie eine Valium prompt in den Schlaf versetzen. Ich könnte über arrogante Musiker schreiben, die es anscheinend nicht nötig haben, mit kleinen Magazinen zu sprechen. Ich könnte über das Fehlen der Jugend und der Hemmungslosigkeit schreiben. Ich könnte über Leute schreiben, die allen Ernstes behaupten, sie hätten beim Flipper mit der ersten Kugel 37 Millionen erreicht. Ich könnte über Leute schreiben, die einen fragen: Wer solche Nullnummern überhaupt schreiben lässt? Ich könnte über Leute schreiben, die einem sagen, man dürfe hier nicht rauchen, man dürfe dies und das nicht und man solle so und so sein. Ach verdammt! Ich könnte, aber ich mag nicht. Wer bin ich schon, darüber zu urteilen? Nur ein weiterer Freak in dieser gigantischen Freak-Show. Doch eines könnte ich, nämlich schreiben, wie gut dieses Festival letztendlich war. Das Musikangebot war einfach der Hammer und die Security-Truppe muss extra erwähnt werden. Die besten Aufpasser auf einem Festival, die mir je untergekommen sind. Witzig, respektvoll und einfach sympathisch. Ungewohnt, wenn man an die mit Steroiden vollgepumpten, faschistischen Gorillas mit kleinen Penissen denkt, die man normalerweise antrifft. Einfach top. Deswegen, nehmt mir diesen Bericht nicht übel. Ich zerbreche mir nicht weiter den Kopf, an welchem Punkt unsere Generation so spießig wurde. Vielleicht bin ja auch ich der Spießer? Wer weiß … Es war ein Fest, stoßen wir darauf an. Ich bin raus, Prost! 

Fotos: Daniel Raffeiner

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.

Archive > Music