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May 24, 2018

„More than real“: Wenn Kunst das Reale übersteigt

Katja Ebner

Ab Freitag, 25.05.2018, startet in der Kunsthalle West im Eurocenter in Lana die Ausstellung „More than real“, wo man bis zum 01.06.2018 die Kunst von Valentina Colella und Stefan Tschurtschenthaler sehen kann. Die beiden setzten sich für diese Ausstellung sehr stark mit Themen wie Verlassen, Gewalt und Tod auseinander. Der Südtiroler Künstler und die Künstlerin aus Abruzzen unterscheiden sich zwar kulturell und in ihrer Ausbildung sehr voneinander, haben aber in diesen Thema zahlreiche Überschneidungspunkte gefunden. Was die beiden zur Kunst geführt hat und was wir von der Ausstellung erwarten können, verraten sie im Interview.

Wie bist du eigentlich zur Kunst gekommen? Gab es irgendetwas Besonderes, das dich dazu inspiriert hat, diesen Weg einzuschlagen?

Valentina Colella: Ich glaube, ich war es selbst, die mich auf diesen Weg geführt hat. Den Weg der Kunst einzuschlagen war für mich eine Notwendigkeit, um erlebtes vertiefen zu können und um dort anzukommen, wo ich jetzt bin.

Zu Beginn deiner künstlerischen Laufbahn hast du dich ausschließlich auf Malerei und Fotografie konzentriert, warum, wie und weshalb änderte sich dies? Gab es irgendetwas, das dich dazu inspiriert hat, dich auch mit anderen Kunstformen auseinander zu setzen?

Stefan Tschurtschenthaler: Als ich 1992 als Autodidakt begonnen habe mich künstlerisch auszudrücken, waren Zeichnung und Malerei meine ersten Ausdrucksformen. Bald war ich sehr stark von den abstrakten Expressionisten beeinflusst. Gleichzeitig habe ich begonnen die Fotografie als Übungsmedium einzusetzen. Beides, Malerei und Fotografie, waren gleichermaßen wichtig für die weiteren Veränderungen in meiner Arbeit. Mit der Zeit wurde das Interesse für unterschiedliche Materialien immer wichtiger und die Farben in den Bildern sind allmählich von Materialstrukturen abgelöst worden. Blei, Wachs, Ruß, Laminat, Holz sind einige der Materialien, die ich ab 1992, vorerst in Bildern, mit den noch spärlich vorhandenen Farben in Verbindung gebracht und später direkt zu Objekten verarbeitet habe. Von den Objekten war der Weg nicht weit bis hin zu ersten Rauminstallationen. Ab diesem Moment kamen zur Fotografie erste Videos dazu und so ging es ständig weiter. Es gab keinen klar sichtbaren Auslöser für die diversen unterschiedlichen Ausdrucksformen. Es war einfach ein ständiges Kennenlernen von neuen Möglichkeiten, derer ich mich schlussendlich, abhängig von den von mir gewählten Themen, abwechslungsweise oder auch gemeinsam bedient habe.

Du warst in der Vergangenheit ja bereits an vielen Einzelausstellungen und Gruppenausstellungen beteiligt, kannst du mir darüber etwas erzählen? Gibt es eine Ausstellung, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist und warum?

Stefan Tschurtschenthaler: Ab dem Jahr 1995 bekam ich die ersten Gelegenheiten zur Teilnahme an Gruppenausstellungen. Im selben Jahr folgte dann auch die Einladung zur ersten Einzelausstellung in der „Art Gallery Raffl“ in Meran, die damals von Herta Torggler, der jetzigen Direktorin des Kunsthaus Meran, geleitet wurde. Diese Ausstellung war sicherlich einer der wichtigsten Impulse, und gleichzeitig auch Motivator für meine künftige künstlerische Tätigkeit.

Am 25. Mai startet die Ausstellung „More than real“, wo ihr euch besonders mit den Themen Verlassen, Gewalt und Tod auseinandersetzt. Kannst du darüber etwas erzählen?

Stefan Tschurtschenthaler: Die Ausstellung „More than real“ in der Kunsthalle West in Lana wird von Valerio Dehò kuratiert. Er hat die junge Künstlerin Valentina Colella aus den Abruzzen und mich in dieser Ausstellung zusammengebracht, da wir zwar aus sehr unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, unsere Arbeiten jedoch viele Überschneidungspunkte aufweisen. Thematisch behandelt die Ausstellung eher die dunkle Seite des Lebens. Die dort von mir gezeigte Installation ist hauptsächlich durch die zahlreichen, seit einigen Jahren immer häufiger aufgedeckten und angezeigten Missbrauchsfälle an Minderjährigen in Heimen und ähnlichen Erziehungsinstitutionen inspiriert. Grundsätzlich befasse ich mich in den letzten Jahren vermehrt mit Themen wie zum Beispiel Machtmissbrauch, Machtlosigkeit, Ausgesetztesin und Hilflosigkeit des Individuums.

Valentina Colella: Als ich den Titel von Valerio Dehò gelesen habe, befand ich mich gerade in Uruguay und saß vor meinem Computer. Ich habe den Titel der Ausstellung “More than real” nicht mit einem Bild verbunden, sondern mit dem Gefühl, offline oder online zu gehen. Dabei fragte ich mich selbst, wo die Grenze zwischen dem Internet und der realen Welt ist? Gibt es zwei verschiedene Realitäten – virtuell und real? Wo ist das Reale drinnen oder wo ist das Reale draußen? Wo leben wir? Die Kontrolle haben wir, mit nur einem Klick. Wir entscheiden, wann diese Lücke geöffnet wird, und wir entscheiden auch, wann sie geschlossen werden soll. Ich zeige drei Akte, sie erzählen meine Geschichte, den Tod meines Lebensgefährten im Jahr 2013, als Internet eine wichtige Role spielte. Ein Bildschirm, der sich blockiert und sich aufhängt, mitten in der Nachricht eines schwarzen Fluges. Für einen Moment wird mir schwarz vor Augen, dann bin ich wieder klar im Kopf und halte diesen Augenblick mit einem Klick für immer fest. Mein Screenshot, greifbare Erinnerung, Schmerz und Lust auf Erlösung.

Foto: Stefan Tschurtschenthaler

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