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April 11, 2018

Noch nicht komplett im Arsch: “Wildes Herz” beim BFFB 2018

Florian Rabatscher

Titel: Wildes Herz

Regie: Charly Hübner

Worum geht’s? Ein Film über die deutsche Punk-Band Feine Sahne Fischfilet und größtenteils über deren Sänger Jan „Monchi“ Gorkow. Man sieht Monchi heranwachsen, vom Kindergarten bis zum Jugendalter, in dem er Teil der Ultra-Bewegung des Fußballclubs Hansa-Rostock war. Von der ersten Lebensminute an immer auf Power, erzählt seine Mutter. Auch in seiner Ultra-Zeit war er bei den Randalen immer vorneweg mit dabei. Mit 14 Jahren wurde er bei einem Auswärtsspiel in Dortmund in Gewahrsam genommen und musste von seinen Eltern abgeholt werden. Ein einschneidendes Erlebnis für ihn, da seine Eltern die ganze Rückfahrt kein Wort mehr mit ihm gesprochen haben. Doch sie waren immer für ihn da, auch als er später ein Polizeiauto anzündete und dafür zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Dafür dankt er ihnen mehrmals im Film. Nicht nur Monchis Weg wird gezeigt, sondern auch jener der Band. Wird anfangs nur übers Ficken und Saufen gesungen, bezieht sie später klar Stellung. Was auch Zeit war, da immer mehr Nazis zu ihren Konzerten kamen. In einem sowieso mehr rechtsorientierten Mecklenburg-Vorpommern, stellt sich die Band ganz klar dagegen. Sie zeigen sich auf Demos und rufen zu Blockaden auf. Zudem werden sie vom Verfassungsschutz als gefährlich eingestuft, was ihnen nur zu mehr Popularität verhilft. Eine umstrittene Band, doch die Anzahl ihrer Anhänger steigt proportional mit jener ihrer Gegner.

Beeindruckend: nicht nur das Auftreten und die Körperstatur des Sängers, sondern auch mit wie viel Courage die Band für ihre Ideale einsteht und sich nicht einmal durch Beschattung von Seiten des Verfassungsschutzes aufhalten lässt. Im Gegenteil: Denen wird sogar noch ein Geschenkkorb für die Promotion überreicht.

Erstaunlich: wie viele Fragen der Film aufwirft: Ab wann ist man ein Verfassungsfeind? – Wenn man den Staat und die Polizei kritisiert? Was ist dann Meinungsfreiheit? Steht die nicht auch in der Verfassung? Zählt Menschenverachtung auch zu Meinungsfreiheit? Warum ist es strafbar, sich dagegen einzusetzen? Wieviel Rassismus usw. trägt überhaupt jeder von uns in sich, ohne es sich überhaupt einzugestehen?  

Must see für: alle Fans der Band Feine Sahne Fischfilet. Auch anderen sei es ans wilde Herz gelegt, sich diesen wunderbaren Film anzusehen. Einfach, weil er genau den Nerv der Zeit trifft, nicht nur in Deutschland, sondern auch bei uns hier. Linksextremismus wird natürlich immer eine Kontroverse bleiben, doch den präsenten Rechtstrend deswegen einfach ignorieren? Keinesfalls! Toleranz gegenüber Intoleranz? Was für ein Blödsinn. Der Film wird hoffentlich wieder mehr Leute dazu bewegen, sich gegen Rechts aufzulehnen.

Fazit: Ein Film voll von Wut, Witz und Verstand. Charly Hübner hat es wirklich geschafft einen Heimatfilm der etwas anderen Art auf die Leinwand zu zaubern. Romantische Szenen, in denen Monchi auf seine Heimat blickt und sagt, dass er sich nicht vorstellen könnte, irgendwo anders zu leben. Heimatliebe geht auch anders. Scheiß auf Patriotismus, scheiß auf Ausgrenzung. Wenn es einem schon so gut gefällt, warum dann nicht auch andere willkommen heißen? “Wildes Herz” sticht in viele offenen Wunden unserer Gesellschaft und das ist auch gut so. Genauso wie der Spalt in unserer Gesellschaft werden sich auch die Meinungen zum Film spalten. Obwohl die Protagonisten des Films eher darauf bedacht sind, genau diesen Spalt zu kitten. Wir beobachten einen umstrittenen Helden, der aus eigenen Fehlern lernt und langsam erwachsen wird. Das Happy End, in Form der Wahlergebnisse, tritt dann ja leider auch nicht ein. Doch genau wie Monchi, können hoffentlich auch wir aus unseren Fehlern lernen. Wir sind noch nicht komplett im Arsch.

“Wildes Herz” läuft im Rahmen des Bolzano Film Festival Bozen am Freitag, 13.4.2018 um 22.15 H und am Samstag, 14.4.2018 um 15 H im Filmclub Bozen, im Wettbewerb Dokumentarfilm.

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