Music

March 16, 2018

Die Nacht, in der ich mein Gehör verlor: Zu Besuch bei Shame on Youth!

Florian Rabatscher

Während ich diese Zeilen schreibe, plagt mich immer noch der Tinnitus, den ich mir letzte Nacht zuzog. Scheiße, war das laut! Wie eine verdammte Dampflok, die sich ihren Weg direkt durch deine Gehörgänge rammt. Trotzdem nahm ich es in Kauf und dachte bei mir: „Oh mein Gott, soll dies das Letzte sein, was ich zu hören bekomme?“ Ich setze zu einem kräftigen Schluck Bier an, stehe auf, fange an zu Headbangen und denke mir: „Ok, das ist es wert.“ 
Man könnte meinen, ich spreche von einem Konzert, oh nein. Alleine und mitnickend stehe ich da, bei einer Probe der Band Shame on Youth!. Was für ein bescheuertes Bild das abgeben muss, zum Glück bin ich Schreiber und kein Filmer. Passend, direkt neben dem Night-Club Showgirl in Bozen, befindet sich der Proberaum der vier Herren: Tomas (Voice, Guitar), Teo (Bass, Voice), Fede (Drums) und Georg (Guitar, Voice). Nennen wir es den Raum, in dem der Geist von Rock ‘n’ Roll sich mit dem des Punkrock lustvoll paart. „Hey Hey, My My, Rock ‘n’ Roll Will Never Die…“ Ihr Sound reißt mit, er kommt gerade heraus, mitten in die Fresse. Dreckiger Sound, den ich schon lange vermisse, in der hiesigen Szene. Man verspürt so den Drang, rundherum alles kurz und klein zu schlagen, sich sinnlos zu besaufen oder einfach Party zu machen. Stillsitzen und lauschen? Auf keinen Fall, diese Band hat Eier. Irgendwie erinnern sie mich an Bands, der skandinavischen Rock ‘n’ Roll-Welle (speziell an The Hellacopters in ihrer Anfangszeit), man könnte aber auch meinen, sie entspringen der amerikanischen Old-School-Punk-Ära. Na ja, auf alle Fälle ist ihre Musik energiegeladen und rotzig und genau das ist der Punkt: Sie sind authentisch. Gäbe es ein Wort, das die Band überhaupt nicht beschreibt, dann wäre es KONFORMITÄT. Shame On Youth! bilden das komplette Gegenteil dieses Wortes. Also an alle Hipster: Ihr könnt jetzt aufhören weiterzulesen.

Sie rocken sich ihren Arsch auf und geben einen Scheiß darauf, was andere denken. Im Song „Uniform“ sprechen sie eben darüber, wie eigentlich die meisten Leute in einem Zwang leben, um dazuzugehören: ob es nun die Klamotten sind, die man trägt, oder speziell in der Musik, wo irgendwelchen Trends hinterher gelaufen wird. Ganz genau, auch in der Kunst muss man gewisse Richtlinien einhalten, um Anerkennung zu finden. Totaler Schwachsinn! Dazu gibt es von ihrer Seite ein einfaches „Fuck It! Steh einfach zu dem, was du machst, und zeig das, dann werden die Leute dich auch respektieren,“ sagt Bassist Teo. Das Kastendenken sollte ausgeschaltet werden, mach dein Ding, irgendjemand ist immer besser. Als wir drüber sprachen, was eigentlich hinter dem Bandnamen stecke, kam immer das Wort „Premium“ zur Sprache – was für ein beschissenes Wort eigentlich: Premium-Konzert-Ticket, Premium-Flug, Premium-Essen, Premium-Bier, … Was zum Teufel soll das? Man will uns doch verarschen mit diesem Wort. Doch auch das ist ein Teil der Schande (shame), mit der unsere Generation (youth) zu kämpfen hat. Wir sind mehr damit beschäftigt, uns minderwertig gegenüber anderen zu fühlen, als Teil von etwas Besonderem zu sein. Gut, jede Generation wird über die nächste sagen, dass sie schlechter sei. Doch was genau ist unser gemeinsamer Nenner? Vielleicht wirklich nur die Schande gegenüber den vorigen Generationen. Tomas meint, den meisten von uns hätte es nie an etwas gefehlt. Was sollten wir uns schon erkämpfen? Als maßgebend kann man uns nicht bezeichnen, wirklich eine Schande, wenn man so darüber nachdenkt. Das einzige, das wir noch schaffen, ist, es alles wieder den Bach runtergehen zu lassen, damit die nächste Generation wieder etwas hat, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Traurig, aber wahr: „One Day All This Will Be Yours …“.

Shame on Youth! Aceworks Design 

Bevor ich noch mehr abschweife, zurück zur Band: Was ist Premium an diesen Jungs? Zu einem die komplette DIY-Attitüde. Nicht weil sie müssten, oh nein, sie tun es aus Überzeugung. Ihre EP „Zero“ wurde komplett in Eigenregie erstellt. Nicht nur die Aufnahmen, sogar jede Verpackung ihrer CDs ist handgemacht. Die Aufnahme hat auch diesen speziellen Garage-Sound-Charakter, der auch ganz bewusst gewählt ist. Tomas spricht von seinen Lieblingsbands, deren Aufnahmen auch nicht das Gelbe vom Ei sind, jedoch genau deswegen ihren eigenen Charakter besitzen. Dem kann ich nur zustimmen, seelenlose Premium-Aufnahmen gibt es doch wirklich schon genug. Ok, für mich ist nun offiziell „Premium“ das Unwort des Jahres.

Shame On Youth! live

Und sie brettern weiter ihr Set dem Ende zu, ohne Pause. Meine Ohren schreien vor Schmerz, aber mein Herz will mehr davon. Schwierig mit Worten zu beschreiben, was mich genau daran so fasziniert. Viele werden sagen, es gäbe doch viel bessere, was auch stimmen wird. Doch wie schon gesagt, gibt es die nicht immer? Was solche Bands so anziehend macht, ist und bleibt ein Geheimnis, doch leider gibt es nicht mehr viele davon. Nehmen wir Motörhead als Beispiel, natürlich wäre Nickelback technisch besser, aber jetzt mal ehrlich, muss ich noch fragen, wen ihr bevorzugt? Ich glaube nicht. Man hat doch langsam die Schnauze voll von dieser, wieder neu aufkeimenden Pop-Schiene. Shame On Youth! ist zurzeit meiner Meinung nach, eine der heißesten Bands bei uns hier. Also versucht unbedingt eines ihrer Konzerte zu besuchen, um euch eure eigene Meinung zu machen. Viel Werbung machen sie leider nicht, also immer schön achtsam sein und wenn es soweit ist bleibt nur noch eines zu sagen: „Protect your ears and beers!“ > Beispielsweise am 17.3.2018 ab 20:30 H im Kuba Kaltern

Fotos: (1) Florian Rabatscher/franzmagazine; (2) Shame on Youth! 
Illustration: Aceworks Design für Shame on Youth! 

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