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January 24, 2018
Gefangen in der Hölle der Bequemlichkeit: „Der thermale Widerstand“ bei den VBB
Christine Kofler
Im Entenschritt und unter den wachsamen Augen des pflichtbewussten neuen Bademeisters Hannes marschieren die Kurgäste rund um das große Becken, bevor sie es sich auf den Bänken bequem machen und über das Thermalwasser und seine Wirkung auf Gedärme und Verdauung sinnieren. Leibwinde und Unwägbarkeiten verleiden den Vieren in quietschbunter Badekleidung den Sprung ins Wasser. So ein Bad nach dem Frühstück hat schließlich schon dem einen oder anderen das Leben gekostet. Also besser abwarten. Morgen vielleicht.
Widerstand in der Wohlfühlblase
Doch während die Kurgäste vor sich hin tümpeln, legt sich ein schwarzer Schatten über die Kuridylle. Die Unternehmensberaterin Marie prüft eine Übernahme des Kurbads und Geologe Dr. Foltz das Thermalwasser. Kurverwalterin Roswitha freut’s und glaubt sich schon an der Spitze eines neuen tropischen Wohlfühlimperiums für zahlungskräftige Gäste. Bademeister Hannes sieht als einziger das Recht eines jeden auf die Bäderkultur zugunsten einer kleinen Elite schwinden. Er geht in den Widerstand, wird zum freien Radikalen und proklamiert: „Die Bäder denen, die baden gehen!“ Also nicht nur den Plebejern, sondern auch – und vor allem – dem Pöbel. Doch der ist zu träge, um irgendwas zu verändern. Gefangen in der Wellness-Hölle.
Das Bühnenbild ist ein einnehmend karg, mit strahlend blauen Kachel und kleinem Pool in der Mitte und lässt die schrägen Kostüme und Badeklamotten bestens zur Geltung kommen. Neben der Kulisse überzeugen auch das Ensemble – ganz besonders Margot Mayrhofer als Kurverwalterin Roswitha – und der Sound, der die Gleichförmigkeit des Kuralltags unterstreicht. Wichtigste Quelle komischer Mehrdeutigkeiten sind jedoch die Sprache, der Schmalz, die lustige Pointen und der Klamauk – in solch einem Ausmaß, dass die Handlung schon mal in den Hintergrund gerät. Die Wortspiele blubbern und sprudeln, dass es eine Freude ist, darin einzutauchen.
Die Welt als Thermalbad
Am Ende steht das Kurbad als Modell für die von neoliberaler Profitgier bestimmte Welt unter Wasser. Der störrische Widerständler wird ermordet. Niemanden wundert’s. Der thermale Widerstand geht runter wie Öl, es flutscht. Fast schon etwas zu sehr. Vielleicht hätte Regisseurin Jessica Glause dem Text von Ferdinand Schmalz noch mehr Tiefe abringen können – mehr Kaukasischer Kreidekreis statt Lomi-Lomi. Alles in allem aber ein gelungener Thermen-, äh, Theaterabend.
Die Vereinigten Bühnen Bozen zeigen das Stück noch am Freitag, den 26., am Samstag, den 27. und am Sonntag, den 28. Jänner 2018.
Fotos: VBB/Marko Lipuš
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