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October 20, 2017

beGEISTerrungenschaften. PoolPlay taucht nach Pokemons (4/5)

Maximilian Lösch

Die interdisziplinäre Sommerakademie PoolPlay taucht dieses Jahr nach Pokemons, ganz traditionell nach den Ortsgeistern hier in Bozen. Am vierten Tage dann Begeisterung:

Wir streiften durch die Stadt, hörten, dass es dort, am Ende einer Straße ein Haus gab, wo es anscheinend spukte, Jugendliche sich für Mutproben versammelten, versuchten, die Geister auf Fotos einzufangen, Orbs nennt man sie. PoolPlay 171019_donnerstag_06

Nachher plötzlich in Senegal, wo man einen rituellen Gegenstand vergräbt, den “Tabaje”, hinter einem Baum im Boden. Falls der Tabaje nach einer Woche wieder an der Oberfläche hervortritt, hat ein Geist ein Zeichen gesetzt, dass er hier wohnt. Der Baum darf nicht gefällt werden.

Das war beim Bau einer Straße passiert. Sie hatten einen Baum gefällt und am nächsten Tag stand er wieder da. Die Arbeiter waren erschrocken, doch dann haben sie den Baum noch einmal geschnitten. Am darauffolgenden Tag stand er wieder da. Sie mussten einen Medizinmann rufen, der die Fähigkeit hatte, einen Geist zu vertreiben. Und dann kam er, hatte einen Rinderschwanz in der Hand und begann um den Baum herum zu gehen und magische Worte zu sprechen. Dann war es plötzlich still, nach einer gewissen Zeit erhob sich ein Wind, aus dem Baum stieg ein Wirbelwind auf, zog einen Kreis und verschwand dann in der Ferne. Jetzt konnten sie den Baum fällen. PoolPlay

Ein paar Schritte weiter inmitten der Poesie. Lukas war oft als Schüler hierher gekommen. Statt in die Schule zu gehen, verbrachte er seine Zeit hier im Eingangsbereich, weil es wärmer war als draußen. So hatten auch einige Obdachlose diesen Ort als Zufluchtsort verstanden. Für ihn war es ein magischer Ort. Heute wirkt der Ort ganz anders: Der Zufluchtsort unter der Treppe musste einem Aufzug weichen, nur die Briefkästen sind noch da. Dort stahl sich Lukas früher die Kunstkataloge, jene des Künstlerbundes zum Beispiel, blätterte, verdaute, ließ sich inspirieren. Es war auch der Ort, an dem sich Gottfried Marsoner aufgehalten hat. Er war mit Plastiktaschen unterwegs, in denen er sein ganzes Hab und Gut transportierte, seine Notizbücher, seine Aquarelle. Er war ein Heretiker und hatte ein sehr eigenartiges Erscheinungsbild. War ganz glatt, hatte keine Augenbrauen, kaum Kopfhaar, ein bisschen dick und setzte ganz langsam einen Fuß vor den anderen und in jeder Hand Plastiktaschen. Die Menschen sind von ihm davongelaufen. Lukas war als Kind sehr neugierig und wenn Gottfried nicht dort war, hat er seine Aquarelle, verstaut unter der Treppe, durchgeschaut und auch einige davon mitgenommen. “Künstler sind Diebe und ich bin dort über das Stehlen zum Künstler geworden. Ich habe angefangen zu zeichnen, auch wegen der Zeichnungen, die ich von Gottfried gestohlen habe. An diesem Ort war der Geist von Gottfried sehr lebendig und ich habe ihn in mir aufgenommen.” PoolPlay 171019_donnerstag_44

Kurz drauf vom Bozner Hauptbahnhof zum Bahnhof bei der Messe Bozen, die Treppen der Hochbahn hinunter drangen wir in einen süßlichen Curry-Geruch: Der Nase nach fanden wir zum Diwali-Festival. Kerzen, Lichterketten und Neonlicht, wild animierte springende Lichttupfen lockten uns in die hintere Ecke der Industriezone. Ein weiterer Ortsgeist hatte uns zunehmend verschluckt. Kinder mit Turbanen, langen Haare und farbenfrohen Kleidern umsprangen uns und wir schluckten scharfe Speisen, tranken stark gewürzten MilchTeeKaffe und hinterließen Butter- und Curcumaflecken. Zurück in der Stadt, welche geistreichen Geister begeistern heute?

Fotos: PoolPlay

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