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October 4, 2017

„Vermittler der Moderne“: Die Architektur des Armando Ronca zu Gast bei Kunst Merano Arte

Verena Spechtenhauser

Die meisten von uns kennen Armando Roncas Bauten eigentlich sehr gut: gehen täglich daran vorbei oder sogar durch, haben an einer ihrer vielen Ecken einen Café getrunken, etwas darin eingekauft, sich schräg gegenüber mit einem Bekannten unterhalten, oder sogar darin gewohnt oder gearbeitet. Es sind jene Bauwerke aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die auch heute noch das moderne Stadtbild Südtirols, besonders Merans und Bozens, prägen. Kunst Meran widmet dem Veroneser Architekten nun – fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod – eine neue Publikation und seine – erstaunlicherweise – erste Ausstellung, die am 14. Oktober 2017 um 19 Uhr eröffnet wird. „Armando Ronca. Architektur der Moderne in Südtirol 1935–1970“ ist bis 14.1.2018 zu sehen. 

Vom Meraner, in Paris wohnhaften, Architekten und Urbanisten Andreas Kofler, der zusammen mit Magdalene Schmidt das Kuratorenteam der Ausstellung bildet, haben wir uns mehr über Armando Ronca erzählen lassen. 

Vor zwei Jahren hast du Kunst Meran eine Ausstellung über Armando Ronca vorgeschlagen. Woher kommt dein Interesse am Werk Roncas?

Da muss ich wohl verlegen zugeben, dass etwas über Ronca zu machen, quasi ein Jugendtraum von mir ist. Bereits als Kind fiel mir das „Eurotel“ auf – als eine Art Raumschiff, das mitten im bürgerlichen Meran gelandet war. Im Laufe von meinem Architekturstudium habe ich dann schnell erkannt, dass gerade dieser Entwurf Roncas so viel mehr beinhaltet und einen gewissen Ausnahmestatus in der Region hat. Dass ich mich jetzt auch im weiteren Sinne mit dem Autor dieses Hotels auseinandersetzen und ihn einem weiteren Publikum vorstellen kann, schließt somit auch einen ganz persönlichen Kreis. Ich bin aber weitaus nicht der einzige Ronca-Aficionado in Südtirol und trage hier auch so gut es geht die Euphorie anderer für diesen Architekten zusammen.  

Eurotel Meran Foto OchsenreiterEurotel Meran I, Meran 1958-1960, perspektivische Ansicht, Stadtarchiv Meran

Das Eurotel ist für viele Bürger Merans eigentlich ein Schandfleck …

Es ist ihnen unerklärlich und somit fremd. Gerade deshalb ist es großartig, dass endlich eine Ausstellung zu Ronca kommt und ich finde es sehr mutig von Kunst Meran, sich darauf einzulassen. Gewisse Vorurteile über Roncas architektonische Epoche führen dazu, dass nicht nur seine, sondern viele Gebäude dieser Zeit vom Verfall und etwaigem Abbruch bedroht sind. Kunst Meran übernimmt hier auch eine Aufgabe der Architekturvermittlung und vermittelt damit auch (Stadt-)Geschichten, die noch weitgehend unbekannt sind. Magdalene Schmidt, mit der ich die Ausstellung zusammen kuratiere, ist seit vielen Jahren damit beschäftigt, die MeranerInnen für diese Architektur zu sensibilisieren und sogar zu begeistern. 

Was ist das Besondere am Eurotel?

Sicherlich die Tatsache, dass das Gebäude der erste Prototyp für eine ganze Serie von Hotels war. Bei unseren Forschungen sind wir auf 35 weitere „Eurotels“ gekommen, welche in ganz Europa nach dem Meraner Vorbild gebaut wurden. Die standarisierten Wohneinheiten sind ganz im Sinne von Le Corbusiers „Unité d’habitation“ entwickelt. Sie sind modular und waren in jedem neuen „Eurotel“ die Vorlage. Fassade und Bauvolumen hingegen konnten vom Bauherren und Architekten für den jeweiligen Standort adaptiert werden. Noch heute gibt es aktive ehemalige „Eurotels“ in Gran Canaria, Cervinia oder Biarritz. Aber jedes dieser Gebäude hat seine eigene Geschichte und sein Schicksal. Gut zwei Drittel sind noch immer als Hotels geführt, andere wurden wie der Meraner Prototyp im Laufe der Zeit in Eigentumswohnungen umgewandelt.

7._Eurotel_Gardone__interni__Gardone_Riviera__1961-1964Eurotel Gardone (heute Residence Villa Alba), Innenräume, Gardone Riviera, 1961-1964. Foto: Werner Feiersinger.

Roncas Hauptbaustelle war Südtirol, obwohl er auch ein Büro in Mailand hatte. Warum war das so?

Ronca hatte einen guten Draht zu den hiesigen Bauherren und wahrscheinlich war gerade das zweite Büro in Mailand das, was ihn für die Südtiroler interessant und etwas kosmopolitischer gemacht hat. Zwischen Meran und Bozen sind in den vier Jahrzehnten seiner Berufstätigkeit über 40 Bauten entstanden, die sich noch heute eindeutig vom Stadtbild abheben. Ronca ist und bleibt in Südtirol einer der wenigen Vertreter der Moderne. Etagenwohnhäuser mit Läden, Bozen, 1936-1937. Foto: Werner FeiersingerEtagenwohnhäuser mit Läden, Bozen, 1936-1937. Foto: Werner Feiersinger

Eine Frage die sich viele Menschen stellen lautet aber auch, passt die Moderne in Südtirols Städte?

Gerade diese Frage greifen wir mit Ronca auf. Die Moderne ist ein internationaler Stil, sie ignoriert also per Definition einen gewissen Regionalismus, aber ist umso kontrastierter durch ihren geographischen oder gebauten Kontext. Ganz abgesehen davon kann man aber die Architektur Roncas auch ganz einfach nicht mögen, die zwingen wir natürlich niemanden auf. Für eine Ausstellung und eine Auseinandersetzung mit ihm gibt es aber allein ein quantitatives Argument. Wenn wir seine Aktivität hochrechnen, dann hat in den 1970er Jahren in Bozen über eine Person von hundert in einer Wohnung von Ronca gelebt. Gebäude wie das Perathonerhaus oder das Rainerum in Bozen, das Hotel Astoria oder die Aristongalerie in Meran, sind aus dem heutigen Stadtbild nicht mehr weg zu denken und es sind effektiv Entwürfe die auch aus städtebaulicher Hinsicht höchst interessant bleiben.

1._Ampliamento_dello_stadio_di_calcio_di_San_Siro__Milano__1954-1955Erweiterung des Fußballstadions San Siro, Mailand, 1954-1955. Foto: Werner Feiersinger

Bis jetzt wurde über Ronca noch sehr wenig recherchiert und publiziert. Worauf können wir uns bei der Ausstellung freuen?

Das Material über Ronca haben wir 1:1 vor Augen, aber er hat beispielsweise nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag. Bis dato gab es nur eine Publikation über ihn, veröffentlicht vom Bozner Architekten Flavio Schimenti Ende der 1990er-Jahre, die mir und anderen Kollegen Ronca erstmals näher gebracht hat. Für die Ausstellung und die begleitende Publikation (erscheint im Schweizer Park Books Verlag) hatten wir vor allem die lokalen Bauarchive als Quellen zur Verfügung, die wir mit den Ergebnissen der umfangreichen Recherchen von Jörg Stabenow, Christoph Mayr Fingerle und Susanne Waiz vor 30 Jahren, ergänzen konnten. Eigens für die Ausstellung und die Publikation hat der österreichische Bildhauer und Fotograf Werner Feiersinger (Italomodern) eine unglaublich spannende Bestandsaufnahme von 43 noch bestehenden Ronca-Gebäuden in Norditalien angefertigt. Gezeigt wird im Kunsthaus auch der zehn Jahre alte Dokumentarfilm von Giuseppe Tedeschi, Emanuele Vernillo und Daniel Mazza über das Meraner Eurotel und seine BewohnerInnen. Besonders aufschlussreich sind auch die Interviews, die Susanne Waiz und Carolina Rigoni mit ZeitzeugInnen und Verwandten von Armando Ronca führen konnten. Dabei sind auch neue, uns noch unbekannte Werke des Architekten, zum Vorschein gekommen. Die Ronca-Forschung geht also weiter, sein Werkverzeichnis wird ständig erweitert, fast so, als ob Ronca noch postum daran arbeiten würde. 

Andreas Kofler © Laurent ChampoussinAndreas Kofler © Laurent Champoussin

Titelbild: Eurotel Merano II – Astoria, 1963-1965. Foto: Werner Feiersinger

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