Music

September 14, 2017

„Ich singe, wenn ich nicht reden kann“
Liedermacher Matthias Prieth

Christine Kofler
Am vergangenen Wochenende stellte die Band Prieth & Krempl in Gfrill ihre erste CD „Gelb“ vor. Sänger Matthias Prieth hat mit uns über Musik, seine Liebe zur Alm und die Aufgabe der Kunst gesprochen.

Ein großer, alter Stadel in Gfrill. In der Ecke ein VW-Bus aus den 60er-Jahren. An den Wänden hängen landwirtschaftliche Gerätschaften, Marienbilder und auch sonst allerhand. Auf gemütlichen Ledercouches sitzen MusikliebhaberInnen bei gedämpftem Licht und lauschen den Tönen von Prieth & Krempl. Musik und Ambiente stimmen überein wie selten.

Matthias, auf der Bühne hast du erzählt, dass du das älteste Lied auf der CD vor elf Jahren geschrieben hast …

Matthias Prieth: Ja, das letzte Lied auf der CD „Danke“ ist elf Jahre alt. Das erste Lied, „Mein Liaber Bua“, ist das jüngste und entstand im vergangenen Jahr auf einer Alm in Cavalese, wo ich Hirte war.

Wie lange habt ihr an der neuen CD gearbeitet?

Ungefähr ein Jahr lang. Ich hatte eine feste Vorstellung im Kopf und es war gar nicht so einfach, den geeigneten Produzenten zu finden. Wir wollten Live-Aufnahmen machen, also diese ganz klassischen Aufnahmen, wo die ganze Band zusammen im Tonstudio spielt. Die CD sollte nicht clean werden, sondern echt, transparent und roh. Joe alias „Paul B-Movie“, war der einzige, der verstanden hatte, was ich wollte.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Als ich 16 war, habe ich als Leadsänger in der Punkband „Denkfehler“ angefangen. Nebenbei habe ich mit der Liedermacherei begonnen und mir selbst Gitarrespielen beigebracht. Mit 18 oder 19 folgten dann die ersten Solo-Auftritte.

Und später ist dann Prieth & Krempl entstanden?

Genau, die Band entstand vor etwa zwei Jahren – eher zufällig als geplant. Franziska Telser (Violine) lernte ich in meiner Bozner WG kennen, Stefan Holzknecht (Bass) beim Cappuccino im Passeiertal und durch ihn dann auch Albert Mair (Bass). Kalle Felderer (Steirische Harmonika) besuchte mich mit einem Freund in Cavalese auf der Alm. Nach einer spontanen Jam-Session, fanden wir, dass er sehr gut in die Band passen würde. Prieth & Krempl ist ein Projekt im Wandel und nicht statisch. Die Zusammensetzung kann sich immer wieder verändern. Derzeit arbeiten wir an unserem neuen Programm, einige neue Lieder präsentieren wir am 23. September auf einer Alm beim Putzer Kreuz in Sarnthein.

 Prieth & Krempl_CD-Präsentation Gelb

Woher kommen die Ideen für deine Texte? Die Natur spielt in deinen Liedern eine große Rolle …

Ja, die Natur ist sicher Inspirationsquelle. Im Grunde geht es in den Liedern immer um das Zusammenleben mit der Natur. Ich greife auch soziale und gesellschaftspolitische Themen auf, Themen die kratzen und schneiden, zum Beispiel mit „I konns schun longsom nimmer hearn“ oder „Mein Liaber Bua”, wo es um die vergessenen Alten geht. Die Natur schwingt jedoch immer mit. Die Alm ist meine große Liebe. Die Liedtexte fallen mir spontan ein, innerhalb von zwanzig oder dreißig Minuten. „Mein liaber Bua“ entstand im Laufe von zehn Minuten in  der Küche auf einer Alm. Ich schreibe die Texte nie auf. Wenn ich mich nicht mehr erinnere, ist es eben weg. Oft entstehen die Lieder, wenn es mir nicht so gut geht. Ich singe, wenn ich nicht reden kann.

Während des Konzerts hast du das Publikum gebeten, nicht zu trinken und nicht rauszugehen, um zu rauchen. Warum?

Musik ist heute omnipräsent und begegnet uns ständig als Hintergrundberieselung. Die Leute summen Lieder mit, bei denen sie nicht die geringste Ahnung haben, worum es inhaltlich geht. Musik wird einfach gedankenlos konsumiert. Aber Kultur und Kunst braucht Aufmerksamkeit. Als Künstler öffnest du dich auf der Bühne, du lässt die Menschen in alle Winkel deiner Seele sehen. Du bist verletzbar. Meine Lieder sind sehr persönlich, ich erzähle auch die Geschichten zu den Liedern, ich spreche aus meinem Leben. Ich möchte, dass das Publikum wirklich zuhört. Wir wollen dem Publikum ein Gefühl vermitteln, dass es mit nach Hause nehmen kann. Liedermacherei ist Zuhörermusik. Wir spielen ohne Verstärker und je lauter es wird, umso leiser werde ich. Ich habe auch schon Konzerte abgebrochen. Wer sich unterhalten oder feiern möchte, braucht uns nicht. Der stellt einfach Ö3 an.

Es geht um den Stellenwert und die Wertschätzung von Musik …

Ja. Und ich betrachte es als die Aufgabe des Künstlers, zu vermitteln, welche Kraft der Musik innewohnt. Musik kann unheimlich stimulierend sein. Musik kann auch Macht ausüben, gefährlich sein, man denke nur an die Instrumentalisierung zu Zwecken der Kriegspropaganda. Als Künstler sollte man sich Zeit lassen, nicht verbiegen lassen. Kunst, die sich verkauft, ist keine Kunst mehr. Wir sind alle so eingeflochten in dieses System, dass es uns oft gar nicht mehr auffällt. Wir müssen ja alle Rechnungen zahlen, heißt es dann. Aber, ob nun Musiker, Künstler oder Journalist: Wenn dir jemand Geld gibt, bist du nicht frei. Der Journalist wird mit einer festen Stelle geködert, der Musiker mit einer großen Bühne. Sicherheit und Freiheit, das bekommst du nicht im Doppelpack. Die Musik heute …, ich meine, seit den 80er-Jahren ist eigentlich nicht mehr wirklich viel passiert. Es gibt keine Legenden mehr. Keine Musik, die uns rückblickend unsere Zeit besser verstehen lässt. Helene Fischer ist die erfolgreichste Musikerin im deutschsprachigen Raum.

Elektronische Musik?

Ja, vielleicht das einzige jüngere Genre, das tatsächlich das Lebensgefühl einer Ära widerspiegelt. Der Sound von Kraftwerk wird wahrscheinlich die Klassik von morgen sein.

Was hörst du für Musik? Wer hat dich beeinflusst?

Meist Country oder Blues. Ich mag Johnny Cash, seine Musik und die Art, wie er durchs Leben ging.

Letzte Frage: Warum heißt Eure CD „Gelb“?

Dafür gibt es eigentlich keinen wirklichen Grund. Ich hatte immer schon im Kopf, dass meine erste CD „Gelb“ heißen sollte. Ich weiß aber noch nicht, warum.

Gelb_Prieth & Krempl CD

Die CD “Gelb” kann über die FB-Seite von Prieth & Krempl bestellt werden.

Fotos: Markus Steiner Ender + Christine Kofler 

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