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September 4, 2017

Der kalte Sprung ins (N)Irgendwo: “Chaya” von Kathy Zarnegin

Text Greta Stampfer
Kathy Zarnegin ist mit "Chaya" von Gerhard Ruiss für den Franz-Tumler-Literaturpreis 2017 (für zeitgenössische deutschsprachige Debütromane) nominiert – Eröffnung am 14.9.2017 um 19.00 H im Gasthaus Krone in Laas; öffentliche Lesungen am 15.9.2017 von 9–16.30 H im Josefshaus in Laas; Preisverleihung am 15.9.2017 um 19.00 H in der Laaser Markus-Kirche.

Titel: Chaya

Autorin: Kathy Zarnegin

Darum geht’s: Teheran, 70er Jahre: Chaya träumt davon Schriftstellerin zu werden und liebt die ausufernde und poetische Sprache des Irans. Doch alles kommt anders, als die 14-jährige Jüdin von ihrer Familie nach Zürich geschickt wird – der Wendepunkt im Leben von Chaya. Im Iran noch Kind, muss Chaya mitten in den Pool des Erwachsen-Seins hineinspringen. Existentielle Fragen wie “Kann diese Sprache überhaupt jemals meine Sprache werden?”und “Was ist Heimat?” lassen Chaya auch als Erwachsene nicht los – selbst, als sie im Schweizer Literaturbetrieb scheinbar angekommen ist.

Lieblingszitat: “Sie lieben dich nur, wenn du schwach bist und solange du ihnen unterlegen bist. Sie werden dir dann zwar vorwerfen, dass du ein Faulpelz bist, der sich nicht anstrengt, […], aber hassen werden sie dich erst dann, wenn du dir Gleiches oder sogar noch mehr herausnimmst als sie selbst. […] Solange du in allem, was du tust, die Fremde bleibst, werden sie dir sogar ihre kolonialistische-ethnologische Bewunderung zeigen. Sie werden mit dir deine Feste feiern, schmatzend aus deinen Töpfen essen, die volkstümlichen Kleider deiner Heimat tragen, und je weniger sie von deinem Hintergrund verstehen, desto anhänglicher und toleranter werden sie sich verhalten.“

Riecht … nach direkt importierten Räucherstäbchen.

Schön: Die Beschreibung vom poetischen und wohlklingenden Persisch führt zu akutem Nachschlagen von Persisch-Kursen an der Volkshochschule.

Weniger schön: Der Plot Twist von der Gedichteagentur, die Chaya gründet, und in der man sich seine Gedichte kaufen kann. Ein Zeitungsartikel, und die Agentur wird unglaublich lukrativ. Schöner Traum, doch nicht wirklich der Realität entsprechend.

Unbedingt lesen, wenn … man Coming-of-Age-Geschichten mit gesellschaftskritischem Twist liebt.

Gut für … angehende PoetInnen, die die Hoffnung auf den Durchbruch nicht aufgeben wollen.

Resümierend: Abseits von AusländerInnen-Klischees, wird die Geschichte von Heimat und Nicht-Heimat erzählt. Das Wechselspiel von “Wir, die Schweizer” gegen “Die Anderen”, fern von besorgten BürgerInnen und mitten im Kreis der Schweizer Elite, die sich mit dem Ausländischen gerne schmückt und es damit wiederum zum Klischee hoch stilisiert, wird faszinierend beschrieben.

Seitenzahl, Verlag, Jahr, Preis: 242 Seiten, Weissbooks Verlag, 2017, € 20,00 [D], € 20,60 [A]; ISBN: ISBN 9783863371142

Infos zum Tumler-Literaturpreis: tumler-literaturpreis.com

Foto: franzmagazine

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