Liebe FREIE Universität Bozen,
dies ist kein Überfall.
Ich komme in Frieden.
Aber ich will Antworten.
Neulich (08/07/17) habe ich etwas erlebt, was mich erst sprachlos, dann rasend und nun höchstens tieftraurig und kopfschüttelnd lässt. Aufgrund von nicht funktionierender Internetverbindung in meinem bescheidenen Büro in der Bozner Altstadt hatte ich mir überlegt, meine Arbeit in die FREIE Universität Bozen zu verlegen. Besser gesagt in die Bibliothek der FREIEN Universität Bozen. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass auf der Website der FREIEN Universität Bozen folgende Informationen zu finden sind:
So weit so gut. Nachdem die Sommeröffnungszeiten vorsehen, dass die Bibliothek bereits um 18:00 Uhr schließt, habe ich mich beim Bibliothekspersonal nach einer Alternative erkundigt, war ich doch mit meiner Arbeit noch nicht am Ende. Das Personal meinte, ich könne in dem Bereich vor der Bibliothek Platz nehmen. Also leistete ich dem Folge. Um an meinem Laptop arbeiten zu können, musste ich diesen an eine Stromquelle anschließen, wovon es im besagten Bereich an und für sich en masse gibt. Doch nachdem ich vier verschiedene Steckdosen ausprobiert hatte und ein eine junge Frau auf mich zukam und sagte „Gib’s auf, ich hab sie alle ausprobiert, funktionieren nicht.“, musste ich mich zunächst geschlagen geben und setzte mich verwundert auf eine der gepolsterten Bänke im langen Korridor der FREIEN Universität Bozen. Verwundert deshalb, weil bloße zehn Minuten vorher im Inneren der Bibliothek – also etwa hundert Meter entfernt von dem Punkt, an dem ich mich nun befand – alle Steckdosen zu funktionieren schienen. Ich hatte kaum Zeit über die Situation nachzudenken, als ich von einem Mann mittleren Alters in „divisa“ gefragt wurde, ob ich denn zur FREIEN Universität gehöre. Er meinte damit wohl, ob ich Studentin an der FREIEN Universität Bozen sei. Also antwortete ich mit „nein“. Darauf meinte der nervös bis verwirrte „vigile“, ich müsse mich ausweisen. Leider viel zu perplex von der Situation an sich, antwortete ich ihm erst gar nicht und griff nach meinem Portemonnaie, als der „vigile“ weitersprach und mich so in meinem Handeln unterbrach: „Sie dürfen hier nicht sein.“ Und weiter auf meinen in die Steckdose gesteckten Kabel zeigend: „Und das hier ist Diebstahl.“ Ich glaube, an der Stelle musste ich kurz lachen. „Questo è un furto.“, wiederholte er. „No, questa non funziona“, antwortete ich. Wessen Diebstahl beschuldigte er mich? Dem des imaginären Stroms? Etwas verunsichert murmelte der Mann zum Abschluss: „Comunque va bene signorina, basta che Lei si sposti nell’area pubblica.“
In die „public area“? Ich verstand nur Bahnhof. Ich dachte in der FREIEN Universität Bozen seien alle Bereiche für jedermann (also mich inklusive) zugänglich? Außerdem hatte man mich weder am Eingang der FREIEN Universität Bozen noch am Eingang oder im Inneren der Bibliothek nach meiner Identität oder meinem Vorhaben gefragt. Na gut, dachte ich. Vielleicht gibt es ja einen Lesesaal, den man außerhalb der Bibliotheksöffnungszeiten nützen kann. „Ich muss weiterarbeiten, also sagen Sie mir doch einfach wo sich die ‚public area’ befindet, bitte.“ „Da drüben“, sagte der „vigile“ und zeigte auf das Ende des Korridors bzw. auf einen Bereich etwa zwanzig Meter von dem Punkt entfernt, an dem ich mich befand. Ähm, ok. Also brach ich auf, in die „public area“. Stets auf der Suche nach einer Steckdose. Die „public area“ war erstaunlich voll von anderen Männern mittleren Alters, jedoch nicht in „divisa“, dafür aber mit Printmedien diverser Sprachen und Themen ausgestattet. Der erste schaute mich an und meinte: „Ma cosa cerca signorina?“ „Una presa“, antwortete ich. Sogleich aktivierte sich ein zweiter, etwas mürrisch, und meinte: „Non funzionano, signorina.“ Aha. Hatte der Mann etwa auch versucht Strom zu stehlen? War er Habitué der „public area“? Woher wusste er sonst, dass es keinen Strom gab? Das Schlimmste ahnend fragte ich ihn: „Perché non funzionano, signore?“ „Eh! Perché? Perché? Perché sennò ci si attaccano gli extracomunitari, signorina.“ BINGO. Vorahnung bestätigt. Leider wieder viel zu perplex, um reagieren zu können, drehte ich mich um und ging.
Und nun sitze ich hier. Und sage all das, was ich an dem Tag nicht sagen konnte:
Liebe FREIE Universität Bozen,
vielleicht bestand dieser Tag einfach aus einer Aneinanderreihung von missglückten Situationen und Begegnungen und bereits heute sitzt wieder JEDERMANN in all den verschiedenen areas, welche die FREIE Universität Bozen zu bieten hat, und liest Zeitschriften, und lauscht leise dem Strom, der aus den Steckdosen quillt.
Vielleicht aber auch nicht.
Elisa Barison
Foto: Elisa Barison