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August 2, 2017

Kunst im Kloster: „Kultur ist eine Ordensregel“

Christine Kofler

Mit der Kunst tut sich die Kirche bekanntlich schwer. Zumindest mit all jenen Formen der Gegenwartskunst, die nicht zur sakralen Kunst im Dienste der Kirche gerechnet werden können. Wie fruchtbar die Zusammenkunft zwischen heiligen Gemäuern und heutigen Ausdrucksformen ist, beweist aktuell die von Sabine Gamper kuratierte Ausstellung „Kultur ist eine Ordensregel“ in der Kartause Allerengelberg im Schnalstal.

Heilige Gemäuer und heutige Kunst. Zwar beten im Kloster Allerengelberg schon seit dem Jahr 1782, als Kaiser Joseph II. seine Auflösung befahl, keine Mönche mehr. Und doch wirken die 450 Jahre, in denen die Ordensbrüder hier schweigend und strengen Regeln gehorchend ihren Alltag verlebten, nach. Wer durch den schön restaurierten Kreuzgang schreitet, durch den Innenhof über den ehemaligen Klosterfriedhof zum Kräutergarten spaziert und in die winzige Heilig-Grab-Kapelle hinein robbt, hört: nichts. Mit ein Grund, warum sich der Weg bis ins Schnalstal lohnt, denn die gezeigten Werke entfalten sich auf ungewöhnliche Weise in die Stille hinein. Erich Kofler Fuchsberg (2)

Zum 30-jährigen Jubiläum von „Kunst in der Kartause“ spüren sieben Künstlerinnen und Künstler dem historischen Vermächtnis des Ortes nach. Ausgangspunkte der künstlerischen Recherche ist dabei Wittgensteins Notiz „Kultur ist ein Ordensregel. Oder setzt doch eine Ordensregel voraus.“, und die Annahme, dass kulturelle und soziale Energien über Jahrhunderte hinweg wirksam bleiben.Michael Fliri_Kunst in der Kartause

Verstörende Masken und ein Mutterhaus. Die entstandenen Arbeiten thematisieren Chaos und Ordnung, Individuum und Kollektiv, Innen und Außen. So etwa Michael Fliris Skulpturen, die den Kreuzgang bespielen und den Auftakt zur Ausstellung bilden. Die Abgüsse traditioneller Masken aus aller Welt blicken dem Publikum mal grimmig, mal verstört entgegen. Das Innere der Masken ist als Positivform nach außen gestülpt, sodass auf der Hinterseite ein verborgenes, oft deformiertes Gesicht zum Vorschein kommt. Mit Innen und Außen, Abgrenzung und Öffnung spielen auch die Arbeiten von Ingrid Hora, die eine Serie von Leiter-Objekten an die äußere Ringmauer montiert hat. Ebenso die Installation „A Room of One’s Own“ von Maria Walcher, die Fragen nach Parallelen zwischen Mönchs- und Künstlerinnendasein aufwirft und mit ihrem Titel einen der wichtigsten Texte der Frauenbewegung zitiert.Maria Walcher

Erich Kofler Fuchsberg realisierte im Garten eine knallrote symbolische Darstellung des „domus materna“, dem Stammhaus kirchlicher Ordensgemeinschaften. Wer es begeht, muss dies in gebückter Haltung tun und erfährt mönchische Praktiken wie Unterwerfung und Gehorsam am eigenen Leib. Auch Christian Niccolis starke Videoarbeit „Du bei mir“, in einem abgedunkelten Nebenraum des Kreuzgangs zu sehen, nimmt den christlichen Ritus der Prostration auf. Er verlegt das ausgestreckte Sich-Niederwerfen allerdings ins Heute und erzeugt damit eine berührende Spannung, die auch deutlich macht, wie verschüttet spirituelle Dimensionen wie Demut und Hingabe im Jahr 2017 sind.

Claudia BarcheriDie Künstlerin Claudia Barcheri nimmt sich in mit roter Tusche und einem Linien- und Rastersystem dem Ordnungssystem des mönchischen Lebens und der Unterwerfung des Individuums unter das Regelsystem des Kollektivs an. Dass zwischen Gestern und Heute, Sichtbarem und Unsichtbaren überhaupt oft nur eine feine Linie liegt, zeigt eindrucksvoll Siggi Hofers subtile Intervention „The Others“ an der Fassade des ehemaligen Hotels „Weißes Kreuz“: Aus der Verbindung von vier Fenstern tritt das wichtigste Symbol der katholischen Kirche hervor. Ganz so, als ob es schon immer da gewesen ist. Siggi Hofer_Gasthaus Weißes Kreuz

Die Ausstellung „Kultur ist eine Ordensregel“ in der Kartause Allerengelberg ist bis 20. August 2017 jeweils von Montag bis Samstag von 14.00–18.30 Uhr sowie an Sonn- und an Feiertagen von 10.00–12.00 und von 14.00–18.30 Uhr zu sehen. 

Kartause Silentium

Fotos: Christine Kofler/franzmagazine

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