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May 17, 2017
“Das Grauenvolle fasziniert die Menschen – und schreckt sie ab” – Medea und Egon Rusina Moroder in der Offizin S.
Christine Kofler
Tochter und Vater künstlerisch vereint: Die Galerie Offizin S. bringt erstmals in einer gemeinsamen Ausstellung die Werke des bekannten Südtiroler Künstlers Egon „Rusina“ Moroder und seiner Tochter, Medea Moroder, zusammen. Eine seltene Freude für BesucherInnen: Zum einen, weil hier mit Vater und Tochter zwei Kunst-Generationen aufeinandertreffen, zum anderen, weil Egon Moroder seit Mitte der 70er-Jahre keine Ausstellungen mehr in privaten Galerien präsentiert hat. Dass diese Ausstellung zustande kam, liegt wohl auch daran, dass die Galerie Offizin S. mit ihrer suggestiven und ursprünglichen Atmosphäre genau der passende Ort für die Werke des konsequenten Künstlers ist, der mit dem Kunstbetrieb wenig am Hut hat. Deutlich präsenter ist seine Tochter Medea Moroder, die seit 2009 an diversen Gemeinschaftsausstellungen teilnahm und 2014 und 2016 die ersten Einzelausstellungen zeigte. Vor zwei Jahren beendete Medea Moroder an der Akademie der Schönen Künste in Urbino ihr Studium und unterrichtet seitdem an der Kunstschule in St. Ulrich.
“Genmanipulation: Gesicht” & “Genmanipulation: Frauenkörper”; Bleistiftzeichungen; Medea Moroder
Medea, du und dein Vater habt kürzlich die erste gemeinsame Ausstellung eröffnet. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, zusammen auszustellen?
Eigentlich kam die Idee von Siegfried Höllrigl von der Offizin S., nachdem er eine Einzelausstellung von mir in Wolkenstein im Kulturzentrum „Tublà da Nives“ gesehen hat. Anfangs war mein Vater noch etwas skeptisch, aber nachdem er die Räumlichkeiten der Offizin S. gesehen hat, überzeugte ihn die Idee. Auch die Vorstellung, gemeinsam mit mir auszustellen, gefiel ihm natürlich. Ich war schon von Anfang an begeistert. Zum einen, weil mein Vater eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt, zum anderen, weil ich mich geehrt fühle, mit ihm zusammen auszustellen. Er war schon immer ein großes Vorbild für mich.
Als Künstlertochter bist du ja wahrscheinlich schon früh mit Kunst in Kontakt gekommen. Wann war für dich klar, dass die Kunst auch dein Weg wird?
Seit ich mich erinnern kann, habe ich meinen Vater arbeiten sehen. Auch in der Wohnung, in der ich aufwuchs, war ich stets von seinen Bildern umgeben. Diese Atmosphäre hat mich geprägt. Als mein Vater am Tisch in der Stube seine Zeichnungen machte, saß ich immer neben ihm, habe im zugesehen und auch selbst gezeichnet. Als ich an der Kunstschule war, durfte ich ihm auch bei gewissen Auftragsarbeiten helfen, etwa bei den bekannten „Wattkarten“. Dies war für mich eine wunderbare Erfahrung und ich habe dabei viel gelernt. Fragte mich jemand als kleines Mädchen, was ich einmal werden wollte, antwortete ich: „Ich will das machen, was mein Vater macht.“ Für mich war es immer schon klar, dass ich Künstlerin sein will. Jetzt wird mir jedoch immer mehr bewusst, wie schwierig es ist, wie mein Vater von der Kunst alleine leben zu können.
“Medusa – Canova”; Mischtechnik; Medea Moroder
Medea ist ein bedeutungsschwerer Name. Welchen Bezug hast du zu der sagenhaften Königstochter aus der griechischen Mythologie? Eine deiner Arbeiten in der Galerie Offizin S. zeigt Medusa. Hast du dich mit den griechischen Sagen auseinandergesetzt?
Der Name hat mir immer schon sehr gut gefallen; schon als kleines Kind hat mein Vater mir die griechischen Sagen vorgelesen und die Figur der Medea hat mich sehr fasziniert. Sie ist eine intrigante Gestalt, eine zwiespältige Figur – in manchen Situationen sehe ich auch Parallelen zu mir selbst. In meinem Werken habe ich mich nicht direkt mit Medea befasst, jedoch fasziniert mich das Krankhafte und das Grauenvolle dieser Sagengestalt sehr. Unbewusst bin ich von dieser Gestalt zum Thema der Transbiomorphose gelangt: Bei diesen Arbeiten ist ganz klar meine Faszination für die Morbosität erkennbar. Das Grauenvolle wirkt auf den Menschen irgendwie faszinierend, mit diesem Dualismus von Abschreckung und der Faszination spiele ich.
In einem Eck der Ausstellung präsentierst du eine Arbeit aus Holz, BesucherInnen können in den Bergen blättern. Du zeigst auch große Holzschnitte, etwa die Geisler Spitzen. Welche Rolle spielt die Natur in deiner Kunst?
Als kleines Mädchen lebte ich im Sommer auf der Alm mit Zelt und Ziegen, umgeben von den wunderbaren Wäldern und Bergen. Interessanterweise wurde mir meine Faszination für die Berge erst während meiner Studienzeit in Urbino bewusst. Vor allem in den vergangenen Jahren fühlte ich mich immer stärker zu den Bergen hingezogen. Und so fing ich genau dort, wo eigentlich keine Berge sind – in Urbino – an, Felsen darzustellen. Mich fasziniert diese unendliche Anzahl an Formen und Farben in der Natur.
Auch in den Illustrationen deines Vaters waren Berge lange Zeit ein wichtiges Motiv, die Natur ist auch für sein Schaffen wesentlich. Welches sind die Gemeinsamkeiten, welches die Unterschiede in euren künstlerischen Positionen?
Die technisch minutiöse Arbeit und das Interpretieren der Natur sind sicherlich Gemeinsamkeiten. Während mein Vater auch stark politisch gefärbte Arbeiten gemacht hat, etwa Karikaturen und Performances, habe ich mich kaum mit engagierter Kunst auseinandergesetzt. Aktuell befasst sich mein Vater mit dem leeren Raum und Dimensionen, in denen das Gegenständliche entschwindet. In meinen Arbeiten spielt der Gegenstand hingegen noch eine wesentliche Rolle, etwa, um Überlegungen zu diversen Themen anzuregen. Derzeit befasse ich mich vor allem mit den Themen Genmanipulation und dem Erzeugen des Menschen in Serie.
Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Gibt es 2018 wieder eine Einzelausstellung von dir?
In den nächsten Jahren werde ich mit weiterhin mit der Transbiomorphose beschäftigen. Die Arbeiten werden in verschiedenen Techniken ausgeführt und vertiefen das Thema Serienproduktion. Aktuell konzentriere ich mich auf das kreative Schaffen, um dann zum gegebenen Anlass eine Einzelausstellung zu diesem Thema zu realisieren.
Die Ausstellung in der Offizin S. (Valentin-Haller-Gasse 9, Meran) ist noch bis zum 27. Mai 2017 geöffnet, jeweils von Dienstag bis Freitag von 17:00–19:30 H und am Samstag: 10.00–12.30 H.“Freiluft”; 32 Bleistiftzeichnungen; Egon Rusina
Fotos: franzmagazine/Christine Kofler
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