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April 9, 2017

BFFB: “A Second Birthday” – in eine Familie einsteigen

Kunigunde Weissenegger

Das Licht der Welt erblickt jeder Mensch einmal. Misha, ein junger Mann aus Südtirol, feiert auch einen zweiten Geburtstag: Aufgrund einer Erkrankung muss er mit neun Jahren eine Lebertransplantation machen. Sein Vater und Filmemacher Georg Zeller hat diesen Lebensabschnitt dokumentiert: das Warten auf das Organ, die Vorbereitungen, Alltägliches, Gespräche. Entstanden ist der Dokumentarfilm „A Second Birthday“ – ein Nachdenken über Leben und Tod, ein Philosophieren über Endlichkeit und die Unsicherheiten des Daseins. Poetisch nüchtern, heftig, mutig, lebensbejahend. 

Georg, was war, abgesehen davon, dass du bei A second birthday Vater, Regisseur, Kameramann in einer Person bist, die größte Herausforderung? 

Ich glaube, dieser Film konnte nur von mir allein gedreht werden. Hätte ich zum Beispiel auf einen Tonmenschen warten müssen, wären wohl die meisten Gespräche und Situationen verloren gegangen. Dieses alleine Arbeiten ist aber manchmal auch sehr schwierig. Erst recht, wenn das Thema auch noch so persönlich ist, wie in meinem Fall, und man eigentlich immer jemanden bräuchte, der ein bisschen von außen auf die Finger schaut. Zu meinem großen Glück war Marzia Mete sehr vom Projekt begeistert, nachdem sie meinen Rohschnitt und das ganze Material gesichtet hatte. Mit ihr wurde aus dem Projekt ein Film.
Außerdem haben mich einige Freunde sehr intensiv und mit Enthusiasmus begleitet, allen voran Stefano Bernardi (Sounddesign, Musik und Tonmischung) und Martin Rattini (Grading und Postproduktion).

Was ging dir hingegen leicht von der Hand?

Ich kann sagen, dass die Gespräche mit Misha mir sehr leicht von der Hand gingen. Sie waren nicht geplant oder vorher ausgedacht, sondern haben sich in gewissen Situationen einfach zu dem hin entwickelt, was im Film zu sehen ist.
Und dann die Geduld. Vom ersten Dreh bis zur Veröffentlichung sind einige Jahre vergangen, die ich aber in dem Fall kaum gespürt habe. 

Wie hast du es schließlich geschafft, als Vater und Regisseur, die Waage zwischen Distanz und Nähe zu halten?

Das ist natürlich immer ein bisschen schwierig gewesen. Einerseits denkst du daran, was für den Film gut ist, andererseits stand für mich die Beziehung immer an oberster Stelle. Bei solch einem intimen Film in absoluter Nähe ist das wohl auch unbedingte Voraussetzung.
Ich habe mich also einfach auf meinen Instinkt verlassen und aus dem Bauch heraus entschieden, wann es richtig war, die Kamera laufen zu lassen. Man sieht ja in mehreren Szenen, dass ich auch mal die Kamera ausschalte, um meiner Vaterrolle nachzukommen.

Wenn andere vielleicht die Kamera, den Fotoapparat beiseite gelegt hätten, hast du weiter gedreht. Was ging dir dabei durch den Kopf? – Gab es Kritik von anderen?

Ich vermute, du meinst die Extremsituation auf dem Weg in die OP, die im Film dargestellt ist. Da haben mich immer wieder Leute darauf angesprochen, wie man in solch einer Situation noch filmen kann. Ich muss zugeben, dass es Momente im Schnittprozess gab, wo ich plötzlich selbst daran glaubte, das so gedreht zu haben. In Wirklichkeit ist das die Magie der filmischen Erzählung. Funktioniert auch im Dokumentarfilm! 

Was oder wen willst du mit diesem Dokumentarfilm erreichen? – als Vater, als Regisseur … 

Als Filmemacher möchte ich die Zuschauer an Mishas, wie ich finde, sehr besonderem Blick auf das Leben teilhaben lassen. Und an seinem Vorschlag zum Umgang mit unserer Endlichkeit und der völligen Unsicherheit unseres Daseins.
Als Vater würde ich mich freuen, wenn eines Tages ein Zuschauer nach dem Film entscheidet, sich zur Organspende bereit zu erklären oder auf andere Art und Weise Leben zu spenden. 

Wie geht es Misha? Und seinen Familien? 

Misha ist inzwischen 16 und ein großer junger Mann. Dank der Lebertransplantation hat sich sein Gesamtzustand um Einiges verbessert und man sieht ihm seine Krankheit nicht auf den ersten Blick an. Die Grunderkrankung – Mukoviszidose – ist aber leider bis heute nicht heilbar und macht uns weiterhin fortwährend sehr viel zu schaffen.
Misha hat das Glück, eine Mutter, einen Vater und auch eine Schwester zu haben, die sich immer sehr intensiv um ihn gesorgt und gekümmert haben. Und in diesem leider sehr kleinen Teil der Welt zu leben, wo man sich auf ein funktionierendes und kostenlos zugängliches Gesundheitssystem verlassen kann!
Auch wenn man da nicht immer daran denkt, sind wir, glaube ich, alle dankbar für jeden Tag, den wir auf dieser Erde verbringen dürfen. 

“A Second Birthday” wird im Rahmen des Bolzano Film Festival Bozen am Sonntag, 9. April um 15 H im Filmclub Bozen gezeigt. 

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