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February 23, 2017

E TE TSE #08
Mein Quadratschädel und ich

Michael Brugger

Jeden Tag verbringen wir damit, auf Displays, Bildschirme und Monitore zu starren. Es ist mittlerweile Teil unseres Alltags und wir denken schon gar nicht mehr darüber nach, wie viel Zeit wir wirklich vor Computern, Fernsehern und Smartphones verbringen. Diese neuen Medien sind das Symbol des Fortschritts und der Globalisierung und jedes für sich ist eine bahnbrechende Erfindung. 

Leider werden sie auch wiederholt beschimpft und verflucht. Instrumente einer Maschinerie, vom Teufel persönlich entwickelt, um uns zu willenlosen Zombiesklavenschäfchen zu machen. Menschen, die Social Media, Smartphones und Computer besonders vermaledeien, sind meist jene, die ohne aufgewachsen sind und sich in die guten alten Zeiten zurücksehnen, als die Leute im Bus sich noch die Zeitung vors Gesicht hielten anstatt das Handy, um nicht mit Fremden sprechen zu müssen, als man im Fitnessstudio noch Walkman hörte, anstatt Beats auf den Ohren hatte, um das Gestöhne des fetten Alten auf dem Laufband daneben nicht hören zu müssen, und man die Fotos seiner Kinder Desinteressierten in einem 500-Meter-Radius noch real ins Gesicht drücken musste, anstatt sie auf Facebook zu posten.

Ja, die guten alten Zeiten waren gar nicht einmal so anders als heute. Man hatte einfach nur andere Methoden, es zu vermeiden, soziale Interaktionen mit anderen einzugehen. Nur, wenn man früher mit einem Buch in der Hand teilnahmslos in der Öffentlichkeit herumhockte, wurde man für seinen Intellekt und seine Bildungsoffenheit bewundert. Wenn man heute mit einem E-Book-Reader in der Hand teilnahmslos in der Öffentlichkeit herumsitzt, ist man der asoziale Internetsüchtige. 

Was hat sich geändert? Ist permanente soziale Interaktion das Alpha und das Omega in der Gesellschaft? Wohl kaum, sonst würden mich meine alten Grundschulfreunde noch grüßen, wenn ich ihnen auf der Straße begegne, oder einige meiner Kollegen aus dem Maturaballkomitee würden mit mir reden, auch wenn sie gerade nichts von mir brauchen. Die Wahrheit ist, wir können den Umgang mit anderen Menschen nicht erzwingen. Eine Freundschaft hat keinen Wert, wenn sie nicht über den oberflächlichen Smalltalk hinausgeht – egal, wie viele dieser Freundschaften man hat. Eine Korrespondenz, die man nur über soziale Medien führt, kann wertvoller und wahrer sein, als ein belangloser Plausch unter zwei Fremden, die sich gegenseitig sowieso nur Interesse vorheucheln. 

Soziale Medien, Fernsehen, Smartphones, Computer, Internet verbinden Menschen, auch wenn sie einen Teil des Lebens digitalisieren und unsere Augen für viele schöne Dinge verschließen, die in der physischen Welt passieren. Doch es ist nicht so, dass wir durch irgendwelche Gehirnwäschen oder Gedankenkontrollen von bitterbösen Männern in Anzügen dazu gezwungen werden, dauernd auf unser Handy zu starren. Wir sind freie Menschen mit einem freien Willen und, auch wenn es uns manchmal nicht klar ist, sind wir jederzeit frei, diese niederträchtigen, hinterhältigen, zeitraubenden Monitore und Displays abzuschalten – wir müssen es nur wollen.

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