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February 17, 2017

E TE TSE #07
Jeder möchte Hipster sein

Michael Brugger

Schreibt man in der Öffentlichkeit, wird man sehr häufig kritisiert. Geht es nun um einen Post auf Facebook, einen Tweet oder einen Artikel in einem Onlinemagazin – es wird immer Kommentare von Leuten geben, die glauben, es besser zu wissen. Ich – das ist unschwer erkennbar – schreibe ganz gerne über das Leben als Oberschüler und erzähle gerne Geschichten aus meinem Alltag. Des öfteren werden da Kritiken laut, vor allem ausgehend von Generationen, betagter als meine, die behaupten, die Jugend von heute hätte es weit nicht so schwer, wie jene von früher. Zwischen mir und LehrerInnen, Eltern oder Großeltern entflammte bisweilen geradezu ein Wettkeifen, welche Generation es denn am Schwersten hatte bzw. hat. Und dabei machte ich eine interessante Beobachtung.

Mir fiel das bisher noch nie so sehr auf, aber jeder Mensch hat das Bedürfnis zu beanspruchen, den schwierigsten aller Wege hinter sich zu haben: Das Leben ist kein Ponyhof, aber während du mit einer zahmen Haflingerstute geritten bist, mit Helm und Schienbeinschützern und dem ganzen Blödsinn, habe ich einen Mustang gezähmt. Denn jeder Mensch möchte sich als etwas Besonderes fühlen, sich von der Masse abheben. Ältere Generationen sehen all die neuen Möglichkeiten, die der Jugend offen stehen, und glauben, es käme daher, dass die sogenannte Generation Y es viel leichter hätte, als sie. Sie beanspruchen das Prädikat des Anspruchs für sich. – Beispielsweise die neue Matura: In meinem letzten Text beschwerte ich mich darüber, dass MaturantInnen nach mir es viel leichter haben werden. Ich kann mir vorstellen, dass andere sich darüber aufregen, dass meine Matura viel leichter ist, als ihre.

Jeder von uns möchte ein Hipster sein, fernab vom Mainstream seinen ganz eigenen Weg gehen, den nur er selbst gehen kann, und kein anderer wäre in der Lage, diesen Weg auch nur zu finden. Pure Ironie – ich liebe es. Wir alle glauben, wir wären etwas Besonderes. Wir alle glauben, unsere Probleme wären größer als die aller anderen. Wir alle glauben, unsere Erfolge wären exklusiv für uns reserviert. Doch wir unterscheiden uns voneinander kein bisschen – eben durch diese Pseudoindividualität.

Wisst ihr, es ist gar nicht so falsch zu glauben, man hätte Dinge erreicht, von denen andere nur träumen können, während genau diese anderen in einem den gewöhnlichen Günther von nebenan sehen, den es in jedem Kuhdorf auf Erden gibt – es stärkt das Ego. Doch man sollte aufpassen, wem man es unter die Nase reibt, denn manch einer hatte es viel schwerer (oder glaubt es zumindest).

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