Music

November 14, 2016

Wie ein Drogenrausch –
der Sound von Junk Love

Max Silbernagl

Die Band aus Tiers, begeistert ihre Fans mit einer Mischung aus Gefühlschaos und Bühnenshow. Die vier Junk-Love-Mitglieder sind viel herumgekommen, haben neben Konzerten in Südtirol, Innsbruck und Wien, in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden gespielt. Am 19. November treten Junk Love im Kuba in Kaltern auf und am 2. Dezember im Bunker in Bozen. Ihre neue CD soll Anfang des Jahres 2017 veröffentlicht werden. Kurz gesagt: Es geht aufwärts, für die Punker Cerino (Guitar), Flo (Vocals), Peter (Drums) und Mark (Bass) aus Südtirol. 

franzmagazine hatte das (seltene) Vergnügen, zwei der Musiker, Flo und Cerino, in Bozen zu treffen und mit ihnen über ihre Band, ihre Musik, über kuriose Bandnamen, Punk im Allgemeinen und die Szene im Speziellen zu sprechen – obwohl sie dort nicht viele Freunde haben, wie sie meinen…

Wie lange gibt es Junk Love eigentlich schon und wie kam’s zur Gründung?

Florian: Cerino, unser ehemaliger Bassgitarrist und unser Schlagzeuger hatten mit Nathan [jetzt Meddycrayeddie Band Willow Catkin. Und ich hatte Cosmo Pussy. Wir trafen uns immer wieder auf Konzerten und, als es mit unseren damaligen Bands zu Ende ging, fragten sie mich, ob ich Lust hätte, bei ihnen in der Band zu singen. Seit 2012 gibt es nun Junk Love, jedoch nicht immer in derselben Besetzung. Vor eineinhalb Jahren haben wir das erste und einzige Mal die Formation umgestellt und einen neuen Bassgitarristen in die Band geholt.  

Welche Bands gab’s vor Junk Love noch? 

Florian: Zusammen hatten wir keine. Eine meiner Bands hieß Golden Girls, eine andere Bone Shakers und die letzte war eben Cosmo Pussy, eine Space Rock Band.

Cerino: Ich habe vorher auch in einigen Bands gespielt, beispielsweise Hunger Strike, und die anderen sind nicht erwähnenswert.  

Wie seid ihr auf den Namen Junk Love gekommen? 

Florian: Das ist eine gute Frage. Ursprünglich war Junk Love der Name eines unserer ersten Lieder. Wir dachten, wir behalten ihn für unsere Band und geben dem Lied einen anderen Namen („Bamba Lady“). Übersetzt heißt „Junk Love“„Müll Liebe“ und wir dachten uns, dass der Name gut zu unserer Band und zu unserer Musik passen würde.    

Wer sind eure Vorbilder? 

Florian: Ostia!

Cerino: Nathan. [lacht]

Florian [lacht ebenso]: Nathan [von Meddycrayed] und Santi [von Forgotten Dicks
…das ist sehr schwierig… 

Cerino: …es gibt sehr viele…

Florian: Es ist wohl eher ein großer Musikmischmasch. Wir hören sehr viel, aber trotzdem dann irgendwie wieder, sehr wenig Musik, wenn wir ehrlich sind. Von menschlicher Seite betrachtet, ist Lemmy von Motörhead mein Vorbild – eigentlich auch vom Musikalischen, da er bis zum Schluss durchgehalten hat. Er hat uns gezeigt, auch wenn man immer nur im Dreck sitzt, geht’s trotzdem immer weiter. Musikalisch ansonsten weiß ich es jetzt nicht genau. Ich würde sagen, dass uns Nathan von Meddycrayed sehr beeindruckt…

Cerino: ..ja, bleiben wir bei Nathan… 

Aus welcher Stimmung heraus schreibt ihr eure Lieder?

Florian: Aus einer schlechten. Wir sind irgendwie immer kurz vor der Depression. Bei uns bricht sie nur nicht aus, was eigentlich schade ist, dann könnte man alles aufgeben und von Neuem beginnen. 

Ihr lebt also eure Depression in der Musik aus?  

Florian: Ganz genau, vielleicht hilft das mit der Depression und der Welt zurecht zu kommen. Die Texte sind dann jedoch nicht so negativ, was ich eigentlich nicht verstehe, da es sich wiederspricht.

Was bedrückt euch? 

Florian: Mich bedrückt so viel, eigentlich. Aber ich genieße mein Leben trotzdem. Ich bin ein Mensch, der viel denkt und der sich sehr schwer tut mit der Welt und dem Leben. Aber mittlerweile ist mir das scheißegal und ich lebe damit und ich habe einen Platz gefunden, wo ich meine Depression ausleben kann: die Bühne – indem ich beispielsweise eine Box ficke. Mir gefällt’s, der Typ zu sein, den die Leute Scheiße und schräg finden.  

Und was genau macht dich wütend?  

Florian: Das weiß ich selbst nicht immer, beziehungsweise weiß ich es, will darauf jetzt nicht näher eingehen. Ist auch egal!

Anscheinend seid ihr gerade dabei, eine neue CD aufzunehmen. Was können sich die Fans erwarten? 

Cerino: Was können wir von den Fans erwarten? [lacht]

Florian: [lacht] Mit Erwartungen ist es immer ein bisschen schwierig. 

…worauf können sie sich einstellen, was gibt’s Neues? 

Florian: Es wird noch trauriger… [lacht] 

Die wievielte ist es nun?  

Florian: Es wird die zweite, die erste [Stoned, mit einer verfallenen Diskothek am Cover – A. d. R.]  ist erst ein Jahr alt. Zu deiner Frage, sagen wir, wir werden unseren Sound ändern. Zur Zeit sind wir vermehrt von den 80er Jahren beeinflusst. Mehr wollen wir nicht sagen… 

Cerino: …hat auch keinen Sinn.  

Und wann kommt die neue CD? 

Florian: Das genaue Datum verraten wir nicht. 

Bald? 

Florian: Bald sicher nicht! – …aber was heißt bald?

Cerino: Das Material ist fast fertig. 

Florian: Wenn alles gut läuft, Anfang 2017.

Also im Jahrestakt eine CD veröffentlichen – nicht schlecht. 

Florian: Ja. Wäre in der Tat nicht schlecht, wenn wir diesen Rhythmus beibehalten könnten. …doch es ist nicht einfach im Musikbusiness, jedes Jahr eine CD zu veröffentlichen. Mal sehen…  Junk Love

Was ist euer Plus verglichen mit anderen Punkbands? 

Florian: Unser Pluspunkt ist sicher, dass wir keine Punkband sind und dass wir besser ausschauen als die meisten in der Punkszene. [lacht] – wenn wir von Punkbands reden.

Cerino: Vollkommen! 

Fühlt ihr euch also nicht der Punkszene zugehörig? 

Cerino: Vom Lifestyle her schon, aber zur Punkszene haben wir keine enge Verbindung, obwohl wir sehr oft bei anderen Punkbands als Vorband auftreten. Wir machen unser eigenes Ding und machen es größtenteils für uns. Wir sind richtige Eigenbrötler. Wir haben nicht viele Freunde in der Punkszene. 

Aber Fans habt ihr? Oder geht euch das hinten vorbei? 

Cerino: Auf die, die wir haben, sind wir sehr stolz. 

Wer schreibt bei euch in der Band hauptsächlich die Texte? 

Cerino: Wir beide.

Florian: Ja. Ohne Ausnahme. 

Cerino: Also die Texte schreibt Florian, die Musik machen wir beide.

Ihr sagt in eurer Beschreibung auf eurer Website ihr habt genug von der Gesellschaft, sind eure Texte auch politisch angehaucht? Was kritisiert ihr? 

Florian: Nein, überhaupt nicht. Wir kritisieren auch nicht.

Cerino: Vielmehr halten wir uns selbst den Spiegel vor. 

Worum geht’s dann in euren Texten?

Cerino: Ha! Da müsst ihr gut hinhören!

Florian: …das ist verschieden. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Einige sind auch sozusagen total umsonst… …haben gute Reime…  

Geht’s um ein Gefühl? 

Florian: Es ist schwierig unsere Texte zu beschreiben. Es geht auch nicht wirklich um Emotionen. Es ist vielmehr etwas Irreales. Es ist eine verschwommene Welt, die ich versuche zu beschreiben. Es ist einerseits vielleicht doch ein Gefühl und andererseits auch eine andere Sicht auf bestimmte Dinge. Keine Ahnung… vielleicht kann ich es so zusammenfassen: Es ist wie ein Drogenrausch, in Worte gefasst. Ganz konfus, so kommt es mir manchmal selbst vor, aber irgendwie verstehe ich es trotzdem. Es ist wie… …der verwirrende Sound einer Mystery-Serie…

Was macht eurer Meinung nach eine gute Punkband aus? 

Florian: …wenn sie so ist wie wir.

[beide lachen]

Cerino: …säuft…

[erneut lachen beide]

Florian: Spaß beiseite: Eine gute Band muss – keine Ahnung – mich ansprechen. Das heißt, wie gut oder wie technisch sie spielen, ist für mich nebensächlich. Sie muss etwas ausdrücken, Charakter zeigen. Einer Band, der ich etwas abkaufe, ist für mich eine gute Band. Eine, die wirklich ist.

Cerino: Kein Casting-Scheiss.

Florian: Nicht eine gekünstelte Formation, zu der sich Musiker zusammen schließen, weil sie gut spielen können, aber überhaupt nicht zusammenpassen.

Cerino: Unser Ziel ist es eine Band und kein Projekt zu sein. Das sieht und hört man Bands an.

Florian: …und in einer guten Band muss die Konstellation stimmen, man muss miteinander reden können, ansonsten funktioniert es nicht, da man viel zusammen rumhängt, probt und schreibt… 

Was ist der Unterschied von Progressive Punk, wie ihr ihn spielt und traditionellem Punk?  

Florian: Das war mehr ein Spiel, da wir nicht genau wussten, wie wir unseren Stil beschreiben sollten. Uns ist nichts eingefallen, in welche Schublade wir uns stecken sollten. 

Cerino: Und wir wollen in keine Schublade gesteckt werden.

Florian: „Progressive“ vor einem Wort platziert, klingt immer gut. Wir bauen sozusagen den Punk noch ein wenig aus. Das Problem ist, wenn du noch keinen Namen in der Musikszene hast, musst du deine Musik beschreiben. Das ist auch für einen selbst schwierig. 

Und wie passt das Love dazu?

Cerino: Weil es ein Widerspruch ist, Punkt! 

Noch eine abschließende Frage, zurückzukommen auf euer Publikum – erwartet ihr von ihm etwas?

Cerino: Ja, logisch. Alles.  

Meistens ist es doch eher umgekehrt, zumindest in Südtirol, größtenteils…: Die Leute kommen, erwarten sich eine große Show, sind nicht einmal gewillt Eintritt zu bezahlen, stehen, glotzen und die Band soll liefern.  

Florian: In Südtirol ist dieses Phänomen markant ausgeprägt. Eintritt verlangen ist heutzutage sowieso immer schwieriger…  

Wie geil ist das für die Musiker? Spürt ihr das auf der Bühne? 

Florian: Manchmal ja, manchmal nein. Manchmal ist es mir egal und manchmal mache ich so gerne Musik, dass ich nicht darauf achte. Sicher, danach ärgerst du dich und fragst dich, was war das wieder? Oder auch die Veranstalter, die dich schlecht behandeln – speziell bei uns. 

Respektlos? 

Cerino: Respekt wäre gar nicht notwendig.

Florian: Es geht eher um Kleinigkeiten und darum, dass man nicht einmal minimal etwas bezahlt bekommt.

Cerino: …oder schimmeliges Brot und ein halbes Bier vorgesetzt…

Florian: …versottene Nudel… Kleinigkeiten eben. 

Ist das in Tirol, Wien (wo man für Auftritte teilweise das Lokal bezahlen muss) oder anderswo besser?

Florian: Das kommt darauf an. Aber eigentlich ist es uns überall gut ergangen. Und für den Auftritt bezahlen tun wir nicht. Im Ausland haben wir durchwegs die bessere Erfahrung als hier gemacht – außer in England. Sogar in Frankreich, wo es immer heißt, die Franzosen seien unsympathisch – super Publikum und alle begeistert. Der Punkt ist, du findest dich hier bei uns mit der Zeit damit ab, dass anscheinend mehr nicht gehen wird, dass deine Musik nicht ankommt; und dann kommst du aber irgendwo anders hin und merkst, dass es doch funktioniert – vielleicht auch, weil du aus dem Ausland bist und exotischer… 
Hier kennt jeder jede, Südtirol ist eben ein kleines Land… Ohne jetzt alles und nur zu kritisieren, es gibt auch Gutes, aber mir scheint, vielleicht weil es so klein und eng ist, dass es hier viel Vetternwirtschaft gibt. Es gibt eine, kleine Szene, in der sich alle kennen und gegenseitig einladen. Und das finde ich krass. …deshalb ist es auf der anderen Seite eher verwunderlich, dass wir trotzdem viel spielen und eingeladen werden, obwohl wir wenig Kollegen haben und mit niemandem Best Buddys sind… 

Cerino: Sagen wir so, die großen Headliner-Gigs spielen wir nicht… außer 2016 Rock the Lahn vor August Burns Red und 2014 Rock im Ring auf der großen Bühne – ohne CD, das war kurios…

Florian: Und wir organisieren auch selbst viel, was wenige wissen, beispielsweise das Junk Fest. 

Fotos (c) Junk Love: (1) die Band + (2) Bühnenkunst

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