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October 17, 2016

Gesine Gold kommt.
Haltung, Bildung, Kultur, Stil, Leidenschaft, Luxus, Branding, Design

Kunigunde Weissenegger

Trotz ihres übervollen Terminkalenders antworte sie gern auf die Interviewanfrage. Sie, Gesine Gold – DIE Gesine Gold: Markenstrategin, Kommunikationsdesignerin, Unternehmerin und Professorin für Brands, Luxury and Innovation am Salzburg Urstein Institut (berufen von Prof. Dr. Gerhard Blechinger, ab 2017). Und sie kommt nach Südtirol und hält am 18. Oktober 2016 ab 19 Uhr an der Fakultät für Design und Künste der Uni Bozen [Raum F0.03] eine offene Lesung. Im Referat mit dem Titel „Luxus und Leidenschaft – Gegen die Sklaverei der Zwecke“ thematisiert sie die Verknüpfung von strategischem Denken und Handeln mit Moral, Ehre, Ethik und Verantwortung sowie die Ausrichtung ihres gestalterischen Schaffens und ihre Erfahrung mit Marken wie Rena Lange, Otto Kern oder Schloss Bückeburg. 

Nach ihrem Studium der Designtheorie, Kunstgeschichte, Medienphilosophie, Typografie, Werbung, Grafikdesign und Fotografie an der Folkwang Universität der Künste arbeitete Gesine Gold zunächst selbständig in Hamburg. Zu ihren Großaufträgen zählen der Markenrelaunch des Flughafens Münster/Osnabrück, das Brandingprojekt Schloss Bückeburg, der Relaunch mehrerer Luxusmarken, das Corporate Design der Marke York Prinz zu Schaumburg Lippe, das Branding und das Packaging Design für den japanischen Premium Grüntee Keiko, das Branding für Iris von Arnim und Bethge Hamburg, das Branding der Weltbühne im Hamburger Thalia Theater. Ausserdem hat sie für die Jagdfeld Gruppe, Rena Lange, Otto Kern und Jette Joop gearbeitet. Nach Tätigkeiten als Creative Director bei Martin et Karczinski, Haefelinger und Wagner, Sieger Design auf Schloss Harkotten gründete sie 2012 als geschäftsführende Gesellschafterin die Gesine Gold Branding GmbH.  

Wir sind gespannt auf ihren Auftritt in Südtirol, der für sie auch ein bisschen eine Reise zu den Wurzeln ihrer Familie ist…

Gesine Gold, was würdest du in einem Raum mit einem Stück schwarzer Kreide, Sand, einer Blume und Honig machen? 

Nichts. 
Außer vielleicht die Ästhetik der Blume intensiv zu studieren, denn von der Natur können wir ästhetisch geprägten Gestalter unendlich viel lernen. Somit steht immer eine Blume neben dem Skizzenbuch und den Macs auf dem geliebten antiken Schreibtisch. Mich umgeben in der Agentur jedoch eher Bücher anstatt schwarze Kreide, Sand oder Honig. 

Wer war dein spannendster Kunde oder Kundin? Der/die relaxteste? Der/die aufregendste?

Mein herausforderndster und somit aufregendster Kunde war das Rebranding eines ganzen Flughafens von 1999 bis 2002. Erst danach habe ich mich im Branding auf das Luxussegment konzentriert. Dabei galt es innerhalb von drei Jahren das ganzheitliche Rebranding des Flughafens Münster Osnabrück zu konzeptionieren. Der Flughafen auf dem Land wurde international und es wurde ein neues Terminal gebaut. Dies war – kurz nach dem Studium des Kommunikationsdesigns an der Folkwang Universität – mein Lehrstück bezüglich Ganzheitlichkeit. Damals habe ich mit dem Flughafendirektor, den Architekten, den Marketingbeauftragten und allen anderen im Team auch eine Gestaltungsrunde in Otl-Aicher-Manier geleitet. In dieser Zeit habe ich gelernt, visionäre Ideen auch mit großen Teams und in komplexen Strukturen umzusetzen. Für einen Flughafen – als Ort von Massenkommunikation und ungeahnter Hektik – eine „Zen-Idee“ als Branding-Strategie zu realisieren, war ein eher mutiges Unterfangen und wurde mit dem IF Design Award in Silber für Innovation im Corporate Design ausgezeichnet. Persönlich glaube ich nur an radikale, mutige Ideen, die Relevanz im Markt haben.  

Zum weiteren Teil der Frage kann ich nur bemerken, dass jedes einzelne Branding-Projekt eine ganz eigene Welt bedeutet. Mein Agenturteam und ich arbeiten mit den unterschiedlichsten Menschen. Hier kommt alles vor, was sich in unserem menschlichen Dasein äußert. Im Grunde bin ich auch immer eine Art Philosophin und Psychologin des Unternehmens und versuche die Seele der Unternehmenspersönlichkeit ins Visuelle zu transformieren. Dies erfordert eine enge und langfristige Zusammenarbeit. Natürlich habe ich Lieblingskunden und Kunden, bei denen sich die Zusammenarbeit als anstrengender herausstellt, als gedacht. Das passiert. Kunden, die meinen eigenen Werten und Haltungen nicht entsprechen, lehne ich mittlerweile ab. Dies ist eine Möglichkeit, die sich aufgrund meiner Reputation inzwischen bietet. Die meisten Kunden werden jedoch zu Freunden, und meine größte Freude ist es, die Entwicklung der Kunden zu begleiten. Letztlich geht es immer um eine Wertsteigerung des Unternehmens.  

Was sollte eine Markenstrategin niemals tun? 

Ihre Haltung verlieren. 

Fünf Worte, die in der Geschichte über Gesine Gold sicher vorkommen?

Haltung
Bildung
Kultur
Stil 
Leidenschaft 

Der Titel deiner ‘Lezione Aperta’ an der Design-Fakultät in Bozen ist „Luxus & Leidenschaft – Gegen die Sklaverei der Zwecke“, du zitierst Adorno. Was fasziniert dich an dieser Aussage?

Ich antworte mit Sombart, zitiert aus dem Luxuslexikon von Alexander Marguier: „LUXUS, so definierte es der große Gelehrte Werner Sombart, sei jeder Aufwand, der über das Notwendige hinaus geht, und er unterscheidet im nächsten Schritt zwischen quantitativen Luxus, der gleichbedeutend ist mit der Vergeudung von Gütern, und qualitativen Luxus, mit dem er alle Zurichtung der Güter im Sinne einer Verfeinerung meint, die für die notwendige Zweckerfüllung überflüssig ist. Von kulturellem Interesse ist natürlich nur die letzte Variante, denn die reine Verschwendung um ihrer Selbst Willen erscheint uns sogar im höchsten Sinne primitiv und auf abstoßende Weise dekadent. Der wahre Luxus hingegen ist ein Fest für die Sinne, eine Freude für Auge, Ohr, Nase oder die tastende Hand. Sombart zufolge ist denn auch die Erotik eine nahe Verwandte, wenn nicht sogar die Schwester des Luxus: Er ist zutiefst überzeugt, dass überall dort, wo Reichtum sich entwickelt und wo das Liebesleben naturgemäß sich frei (oder frech) gestaltet, auch Luxus herrschen wird.“  

Dein Vater ist in Bozen geboren – wie das? Und wie ist es in die eigene Südtiroler Vergangenheit zu reisen? Was erwartest du dir? 

Das ist nicht ganz korrekt: Die Wurzeln meiner Familie liegen in Südtirol. In meiner Kindheit war ich auch schon öfters in Bozen und Brixen. 1939 verließ meine Familie väterlicherseits die Heimat, um deutsch zu bleiben und einer beruflichen Versetzung nach Italien zu entgehen. Durch „Heim ins Reich“ sind sie in ein „Rückwandererheim“ nach Oberbayern gekommen. Somit freue ich mich nun auf die Entdeckung der Spuren der Vergangenheit.  

Pimp my South Tyrol: Wie könnte man es schaffen, aus Südtirol ein Design-Mekka zu machen?

Die Frage kann ich erst nach meinem Besuch beantworten  ;-D 

Foto: Gesine Gold (c) Esther Haase, Hamburg 

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