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September 23, 2016

Mörderisches Südtirol: Krimiautor und Journalist Lenz Koppelstätter lässt Commissario Grauner ermitteln

Hanna Mayr

Südtiroler mit kuhfellgrauen Hüten, die bei Wutanfällen vernatschrot anlaufen, und ein Toter, dessen Lippen burgunderblau gefärbt sind. Der Krimi „Der Tote am Gletscher“ des gebürtigen Traminer Lenz Koppelstätter beginnt skurril: Auf dem Schnalser Gletscher findet man eine Leiche, in der ein Pfeil von niemand geringerem als Ötzi steckt. Die Spuren führen die Ermittler quer durch Land und Zeit und so manch alte Dorfintrige wird aufgerollt, um den Fall schließlich zu lösen. Lenz Koppelstätter hat einen spannenden Roman geschrieben, in dem er nebenbei auch noch die Südtiroler Bevölkerung porträtiert. Im Interview spricht der Journalist und Schriftsteller über seine Arbeit, die Entscheidung einen Krimi zu schreiben und warum Südtirol ein besserer Schauplatz dafür ist als Berlin. 

Wie gefällt dir deine Wahlheimat Berlin und woran arbeitest du gerade?

Ich lebe nun seit bald dreizehn Jahren mit einigen Unterbrechungen in Berlin. Ich habe mich immer wieder neu in die Stadt verliebt, zeitweise war ich genervt von ihr, dann wieder fasziniert – ich finde, so sollte es sein. Was Berlin besonders macht im Gegensatz zu anderen Städten, in denen ich bislang gelebt habe: das Unfertige. Ist man längere Zeit nicht in einem Stadtviertel oder einer Straße unterwegs gewesen und kommt dahin zurück, dann hat sich viel verändert, neue Läden, neue Häuserfassaden. Das ist sehr inspirierend. Ich habe in den vergangenen Jahren hier vor allem als Reisereporter und Kolumnist, Medienentwickler und Krimiautor meinen Lebensunterhalt verdient. 

Heutzutage werden wir von Informationen geradezu überschwemmt. Was zeichnet guten Journalismus für dich aus? Worauf legst du bei deiner Arbeit besonders Wert?

Journalismus ist natürlich ein riesiges Feld, ich glaube, da kann man so pauschal nur wenig Gemeinsames nennen. Der Journalist muss aber an sich, ob in Politik, Gesellschaft oder auch bei Reisethemen, in unserer Zeit noch bewusster und noch sorgfältiger die sogenannte „Gatekeeper“-Funktion ausfüllen. Das heißt, seine Aufgabe ist es, gerade bei der Flut an News, die uns über die sozialen Medien täglich erreicht, das Richtige vom Falschen zu trennen, das Relevante vom Redundanten, das Gute vom Schlechten und all dies spannend, analytisch interessant und journalistisch exzellent zu präsentieren. Ich persönlich lege bei meinen Texten immer Wert darauf, dass sie möglichst eine persönliche Geschichte erzählen, ich will von Menschen berichten, nicht von Dingen. Bei der Medienentwicklung finde ich es spannend, der haptischen Informationsquelle, einem Magazin, einer Zeitung, auch einem Buch, neue Wertigkeit zu geben. Nur so kann Gedrucktes gegen die Onlinewelt bestehen. Nicht versuchen, den Wettlauf um die News zu gewinnen, sondern mehr inhaltliche Tiefe, Hintergrund, Analyse, Meinungsstärke, aber auch Schönheit, Mut zur Nische bieten. Auch zu einem höheren Preis, der, wenn das Produkt gut gemacht ist, auch gezahlt wird. franzmagazine - Lenz Koppelstätter

Wie würdest du die Literaturlandschaft Südtirols beschreiben? Verfolgst du die literarische Szene?

In der Literaturlandschaft Südtirols kenne ich mich wirklich zu wenig aus, um dazu etwas zu sagen. Ich schätze die Klassiker: Joseph Zoderer, auch Sabine Gruber und natürlich die sehr lustigen Kriminalromane von Kurt Lanthaler, die zum Teil ja auch in meinem Heimatdorf Tramin spielen. 

Was hat dich dazu bewegt, einen Roman zu schreiben? Und warum einen Krimi?

Einen Roman schreiben, wollte ich immer schon. Der Trick ist: Man muss es dann halt einfach mal machen. Ich dachte immer, irgendwann schreibe ich so eine Art Coming-of-Age-Buch. Wann ich dann die Idee zu einem Krimi hatte, weiß ich nicht mehr genau. Ich kann mich nur noch vage daran erinnern, dass ich mit Freunden im Rheinland zum Karneval war, nachmittags bierbeseelt die Sonne genoss und beschloss, zurück in Berlin, wieder nüchtern, einfach mal zehn Seite runter zu schreiben und einem befreundeten Literaturagenten zu schicken. So hat alles angefangen. 

Der Tote am Gletscher“ ist mitten in Südtirol eingebettet und zeigt sehr typische Gewohnheiten und Eigenarten unserer Bevölkerung auf: Der Christkindlmarkt, das Törggelen, Süditaliener, die sich mit dem Dialekt sehr schwer tun, sind nur einige Beispiele. Warum hast du gerade Südtirol gewählt?

Für mich kamen nur Berlin oder Südtirol als Schauplatz in Frage. Ich muss die Orte, die Gepflogenheiten, kennen, über die ich schreibe, auch wenn ich dann viel verändere, der Phantasie freien Lauf lasse. Berlin hat mich nicht so gereizt. Hier passiert jeden Tag so viel Schreckliches, dafür muss man nur den Polizeiticker verfolgen. In Südtirol hat mich der Gegensatz gereizt: Die fast schon klischeehafte Überhöhung der Schönheit dieses Stückchens Erde – und dann ein Toter am Gletscher. Das fand ich spannend. 

Es wird eine Fortführung mit Commissario Grauner geben. Was dürfen wir erwarten?

Ja, jetzt im Oktober erscheint der zweite Fall: „Die Stille der Lärchen“. Eine Mädchenleiche wird im hintersten Ultental gefunden. Und eine Spur führt Commissario Grauner und seinen Kompagnon Saltapepe wieder weit in die Vergangenheit.   

Lenz Koppelstätter, geboren 1982 in Bozen, Studium der Politik und Sozialwissenschaften in Bologna und Berlin, Besuch der Deutschen Journalistenschule in München. Von 2009 bis 2013 freier Journalist unter anderem für Gala, Geo, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Tagesspiegel am Sonntag, Zeit Online und zitty. Seitdem in Berlin als Autor, Entwicklungsredakteur, Ideengeber und Berater für verschiedene Zeitungen, Magazine und Verlage tätig. 2015 erschien sein erster Kriminalroman „Der Tote am Gletscher – Ein Fall für Commissario Grauner“ bei Kiepenheuer & Witsch. Sein zweiter Krimi “Die Stille der Lärchen” erscheint am 13. Oktober 2016.

Fotos: (1) Lenz Koppelstätter; (2) franzmagazine

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