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August 31, 2016

Karikatur und Gesellschaftskritik made in Ladinia: Manuel Riz

Hanna Mayr

Wer den Namen Manuel Riz noch nie gehört hat, sollte jetzt wohl besser die Ohren spitzen. Denn die Kunst des gebürtigen Canazeiese verdient Beachtung: Seit 2001 veröffentlicht er seine beißenden, aber witzigen Karikaturen im ladinischen Wochenblatt La Usc di Ladins. Neben der Arbeit für die lokale Zeitung ist er als Kunstlehrer tätig, schreibt einen Blog und betreibt gemeinsam mit Claus Soraperra eine Galerie in Canazei. Mit uns spricht er unter anderem über eingeschnappte LeserInnen, die Aufgabe der Karikatur und den Schnee auf der Marmolada. – Apropos, am 22. Oktober 2016 öffnet um 11 H seine Ausstellung “Dolomites Shop” (bis 6.11.2016) im Kreis für Kunst und Kultur in St. Ulrich. 

Die Karikatur ist eine besondere Form der Kunst. Was ist deiner Meinung nach ihre Aufgabe? 

Die Karikatur ist das bildliche Hilfsmittel der Satire. Auch wenn der Leser oder die Leserin zunächst als erste Reaktion über eine Zeichnung lachen muss, besteht ihre Hauptaufgabe nicht darin. Hinter der Zeichnung steckt eine Idee oder ein kritischer Gedanke, die zum Nachdenken anregen sollen. So spreche ich oft  Dinge öffentlich an, über die viele schweigen. Die Zeichnung dient der Gesellschaft dann als Ventil, um Dampf abzulassen.

Stichwort Charlie Hebdo. Kannst du dich mit dieser Form von Satire identifizieren?

Charlie Hebdo ist eine Satirezeitschrift. Was ich mache, landet nicht in einer Satirezeitschrift, sondern in einer lokalen Zeitung. Da muss man natürlich ein anderes Format wählen. Die Arbeiten von Charlie Hebdo sind oft extrem und übertrieben. Diese Art von Satire gefällt mir nicht – weder der Zeichenstil noch die Bemerkungen. Es ist mir einfach zu vulgär. Ich hingegen mag es, wenn die Satire mit wenig auskommt und es in subtiler, feiner Manier schafft, ins Schwarze zu treffen. 

LaUscManuelRiz

Du versuchst also feinfühlig zu sein und mit deinen Zeichnungen nicht zu verletzen?

Ich habe schon Karikaturen angefertigt, die für manche als beleidigend oder anstößig empfunden wurden. Die Themen die heutzutage stets Aufsehen erregen, sind immer noch die Sexualität und die Religion.

 Wie reagieren deine LeserInnen, wenn du sie durch den Kakao ziehst?

Eigentlich darf ich mich nicht beklagen. Die Leute wissen meine Art von Kritik zu schätzen. Natürlich gibt es auch diejenigen, die nicht gerade glücklich darüber sind. Aber das ist normal und auch gut so. Manche haben sich sogar dermaßen angegriffen gefühlt, dass sie Briefe geschrieben oder das Abonnement der Zeitung gekündigt haben. Auch so mancher Anwaltsbrief ist uns zugeflattert. Wenn man eine gewisse Grenze überschreitet, legt man sich mit den Mächtigen an, auch hierzulande…

Wie reagierst du dann auf solche Reaktionen?

Ich habe mir nie große Probleme gemacht. Mit meinen Karikaturen nehme ich einen Standpunkt ein. Mich interessiert es nicht, wenn mir die Leute Komplimente machen. Mich interessiert mehr, meine Meinung auf das Blatt Papier zu bringen. Ich mag es aber nicht, wenn jemand bei der Redaktion anruft und nach meiner Telefonnummer fragt, damit er mir seine Meinung heimlich auftischen kann. Ich denke vielmehr, dass man in einem öffentlichen Brief an die Zeitung auf meine Karikatur antworten kann. Das ist für mich ein Dialogfenster, das sich eröffnet. Manuel Riz

Zusammen mit Claus Soraperra führst du die Frida Street Gallery in Canazei. Was macht ihr dort?

Die Frida Street Gallery entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen mir und dem ebenfalls als Künstler tätigen Claus Soraperra. Frida heißt die Dame, der das Garni gehört, zu dem das Schaufenster zählt. Früher wurden dort die Bilder von Claus’ Vater zum Verkauf ausgestellt. Dieser übergab die Vitrine dann Claus, doch der wollte etwas anderes daraus machen und hat mich involviert. Warum gestalten wir nicht ein Schaufenster, mitten im touristischen Dorfkern von Canazei, das ausnahmsweise nichts anpreisen und verkaufen will, aber durch Kunst zum Denken anregt? Wir stellen hauptsächlich Objektkunst aus. Manchmal organisieren wir Veranstaltungen, bei denen die Bevölkerung einbezogen wird. Ein solches Projekt hieß Neif Marmoleda. Wir haben den Menschen Schnee von der Marmolada ausgeteilt, um sie daran zu erinnern, dass sie eine tragende Rolle beim Schutz der Gletscher und der Umwelt spielen. Auch heute noch, nach zwei Jahren, kommen Leute zu mir und erzählen, dass sie den Schnee immer noch im Kühlschrank aufbewahren. Jeder kann etwas bewegen, nicht nur der Künstler oder eine berühmte Persönlichkeit, und das im alltäglichen Leben. Alle zwei, drei Monate wechseln wir das Thema der Vitrine. Zurzeit geht es um Flüchtlinge und Meeresschutz. 

Mit welchen anderen Themen beschäftigst du dich sonst noch?

Ich behandle häufig Lokales, aber nicht nur. Da trifft man den Nerv der ladinischen Bevölkerung. Sei es die Umwelt, die Pässe der Dolomiten, die touristische Entwicklung oder das Volkstümliche. Besonders interessiert mich der Tourismus, da er uns den Wohlstand gebracht und gleichzeitig das Dorfleben auf den Kopf gestellt hat. Oft schafft er Disney mäßige Situationen, wie beispielsweise traditionelle Umzüge, die mehr zu einem Spektakel für UrlauberInnen als Einheimische mutiert sind. Wir LadinerInnen sind zwar reich an Kultur, doch manchmal bewegen wir uns ins Lächerliche. Für den Karikaturist ist das ein gefundenes Fressen. 

Neif Riz Manuel

Die LadinerInnen stellen eine Minderheit in der Minderheit dar. Haben sie deswegen einen anderen Blickpunkt auf das Alltagsgeschehen?

Die LadinerInnen haben deshalb nicht unbedingt einen anderen Blickpunkt, sondern leiden eher an der Tatsache, dass sie eine Minderheit in der Minderheit sind. Bisweilen, nicht immer, schämen sie sich ihrer ladinischen Identität wegen. Dann bevorzugen sie es zum Beispiel in Deutsch oder, mit TouristInnen, auf Englisch zu sprechen.

Hat dich deine Arbeit als Karikaturist verändert?

Aus purem Zufall habe ich beim Wettbewerb für den Posten als Karikaturist für La Usc di Ladins mitgemacht. Damals war ich an der Akademie für Bildende Künste und beschäftigte mich mit Skulptur. Ich habe also nie wirklich „Satirische Zeichnung“ als Fach studiert.
Die Arbeit hat mich sehr verändert, ja. Allem voran meine Denkweise. Wahrscheinlich hätte ich ohne diese Stelle nie gewisse Positionen vertreten und meine Stimme erhoben. Zusätzlich habe ich die Chance bekommen, in Kontakt mit lokalen KünstlerInnen zu treten und interessante Menschen kennenzulernen. Die Türen zur Welt haben sich geöffnet und somit auch meine Weltanschauung. Es hat mir sehr geholfen als Mensch zu wachsen und ich bin froh darüber. 

Manuel Riz: Geboren 1976, lebt in Canazei. Schloss die Akademie für Bildende Künste in Brera mit der Diplomarbeit “Faceres e maschere: dalla tradizione alla modernità nel carnevale fassano” ab. Arbeitet seit 2001 als Karikaturist bei La Usc di Ladins. Für seine Comic-Figur “Scedola” organisierte er Ausstellungen und veröffentlichte einen Katalog. 

Alle Fotos + Illustrationen: Manuel Riz; Bild (2) aus www.lausc.it vom 26.08.2016

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