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August 30, 2016

„Leidenschaft. Streben. Never give up.“ DESIGNERDS – Interdisciplinary Talks

Kunigunde Weissenegger
Hanna Mayr

Südtirol ist nicht unbedingt das Mekka des Designs, nein. Es gibt seit ein paar Jahren die Fakultät für Design an der Universität Bozen, ja. Es gibt auch talentierte DesignerInnen und GrafikerInnen, mhm. Doch in der Branche herrscht viel Konkurrenz und die Kreativen arbeiten und leben sehr oft isoliert voneinander. Kurzum, in Südtirol kochen zu viele noch ihre Design-Suppe alleine vor sich hin. 

Damit soll bald Schluss sein: Am 14. Oktober 2016 findet die erste Designkonferenz „DESIGNERDS – Interdisciplinary Talks“ statt und zwar in den Mauern der EURAC in Bozen. Der Designer Roby Attisano hat das Projekt ins Leben gerufen und zusammen mit seinem Team – Markus Seppi, Katharina Mair, Claudia Frass, Sandra Rafreider und Martina Pellegrini – ausgeklügelt. Als Vortragende haben sie sieben namhafte Größen aus der visuellen Kommunikationswelt engagiert: Marian Bantjes, Prof. Jay Rutherford, Dieter Telfser, Martin Osen, Giuseppe Salerno & Paco González sowie Lip Comarella werden über interdisziplinäres Gestalten reden, diskutieren und philosophieren. Von 9 bis 19 Uhr wird es sechs Talks zu je 50 Minuten und am Ende eine offene Diskussion geben. Zum Team gesellen sich noch als Moderatorin die Schauspielerin Petra Rohregger sowie weitere externe MitarbeiterInnen für Video, Fotografie, Kalligraphie, Illustration und Programmierung. Wir haben uns mit Roby Attisano und Katharina Mair von Designerds getroffen, um mehr über die „Verdesignerung“ in Südtirol zu erfahren. [Tickets gibt’s übrigens hier: tickets.designerds.it

Wie ist es zur Idee für Designerds gekommen? Ihr habt mal erwähnt, es hätte sich über Jahre entwickelt. 

Roby Attisano: Ja, diese Idee hatte ich schon seit Jahren und Ende 2014 habe ich sie schließlich in Angriff genommen. 

Katharina Mair: Mit der Planung sind wir 2014 gestartet, Ende Juli haben wir mit der Organisation begonnen und nach einer Location gesucht. 

Roby: Seinen Ursprung hat eigentlich alles aufgrund meiner Freundschaften und guter internationaler Bekanntschaften in der Design-Szene – sprich Dieter Telfser, Giuseppe Salerno. DESIGNERDS 2016 02

Zwischenfrage: Kontakte und ein gutes Netzwerk sind in diesem Fall auch wichtig, oder?

Roby: Ja, sicher. Gang und gäbe aller Sachen sind die Bekanntschaften und das Netzwerk an sich. Ohne würde gar nichts entstehen. 

Aber warum gerade eine Designkonferenz in Südtirol? In Südtirol gibt es die Uni; es hat die Akademie als Vorläufer gegeben; wir haben auch gute Leute in der Design-Szene, die auch international bekannt sind, aber es ist nicht gerade das Mekka des Design oder doch?

Roby: Sicher nicht. Deswegen haben wir uns entschieden, es in Südtirol, in Bozen, zu organisieren. Meiner Meinung nach fehlen in Südtirol die Kommunikation und der Austausch zwischen den DesignerInnen und GrafikerInnen. Es fehlt eine Plattform. Also haben wir beschlossen, eine Konferenz aufzubauen, eine Idee anzustoßen und damit etwas auszulösen. Wir wollen Kommunikation und Austausch aufbauen; das ist die Grundidee. 

Es ist geht also nicht darum, irgendwelche Leute einzufliegen und abzusetzen? 

Roby: Wir versuchen mit Designerds auch Workshops aufzubauen. Die Idee sollte also wachsen. Wir hoffen, dass die Konferenz im Oktober gut geht. Wahrscheinlich werden wir dann jährlich Workshops mit internationalen Designern organisieren und, wenn die Konferenz an sich gut geht, sie auch ein zweites Mal organisieren. 

Katharina: Das Problem für junge Südtiroler GrafikerInnen und DesignerInnen ist, dass sie hier wenig Perspektiven haben und deswegen ins Ausland gehen. In Südtirol haben viele Potenzial, aber sie gehen weg. Deswegen versuchen wir hier etwas aufzubauen, um neue Impulse zu geben und die Leidenschaft nach oben zu treiben. Damit sie hier bleiben. 

Oder zurück kommen…

Katharina. Ja, oder zurück kommen. Genau!

Roby: Wobei auch hinzuzufügen ist, dass es in Südtirol durchaus manchmal an Qualität fehlt, sprich was Typographie oder Brand-Design betrifft oder das In-die-Tiefe-Gehen. In dieser Hinsicht bin ich sicherlich ein Provokateur. Natürlich kann man nicht alles in einen Topf schmeißen und es ist sicher schwierig, aber ich glaube, dass es einen internationalen Touch von außen braucht. Der Südtiroler tendiert immer seine eigene Suppe zu kochen und that’s it. Mehr kann ich nicht dazu sagen, ich glaube, ihr habt mich verstanden. DESIGNERDS 2016 01

Ja. Und warum gerade der Name „Designerds“? Wie seid ihr dazu gekommen? Seid ihr voll „nerdig“? 

Katharina: Wir waren auf der Suche nach einem Namen und am Anfang war er, ehrlich gesagt, ziemlich statisch, da wir etwas Seriöses wollten. Mit der Zeit hat sich bei der Namensfindung heraus kristallisiert, dass wir etwas Junges, Spritziges, Frisches brauchen. Denn Design ist nicht gerade etwas, das statisch ist und in eine Schublade gesteckt werden kann. Wir haben das Wortspiel sehr lustig gefunden. Und ja, wir sind Nerds, jeder in seinem eigenen Bereich. So hat sich das entwickelt. 

Wie definiert ihr Nerds?

Roby: Leidenschaft. Streben. Never give up. Niemals loslassen. Fragen stellen, und abermals Fragen stellen. Die Arbeit wegschmeißen, um nochmals neu anzufangen. Für mich ist das ein Nerd. Wobei Designerds sympathisch ist und für viele einen extremen Identifikationscharakter hat. Es spricht nicht nur GrafikerInnen oder Industrial DesignerInnen an. Es kann auch ein Koch sein – für mich ist ein Koch auch Designer. Deswegen wäre es in Zukunft toll, wenn wir unsere Sparte öffnen.  

Heuer liegt der Schwerpunkt auf…?

Roby: Es gibt keinen Schwerpunkt. Die sieben Sprecher haben komplett verschiedene Kompetenzen und Disziplinen. Sie gleichen sich absolut nicht. Es geht von Human Interface Design über Markendesign zu Motion Design bis hin zu Kalligraphie und Typographie. Marian Bantjes beispielsweise ist ein Allroundtalent. Der Schwerpunkt in den einzelnen Disziplinen wird in der visuellen Kommunikation sein. In zwei Jahren vielleicht sogar Sounddesign, auch Fotografie, oder warum nicht einen internationalen Koch einladen? Wir möchten das wirklich ziemlich offen halten. Also heuer sprechen wir mehr die visuelle Kommunikation auf 360 Grad an. Später lassen wir uns überraschen. Natürlich werden die SprecherInnen wechseln. 

Wie habt ihr die Speaker für heuer ausgewählt? 

Roby: Mehr oder weniger über meine Bekanntschaften. Zum Glück haben sie fast alle zugesagt. 

…denn Konferenzen wird es viele geben…

Roby: Ja, Marian Bantjes, beispielsweise, nimmt an fünf Konferenzen pro Jahr teil, weltweit, und mittlerweile ist sie sehr wählerisch. Sie ist eine sehr gefragte Frau. Sie haben wir über Facebook mit einem Posting meiner Speckschrift kontaktiert – sie war sogleich positiv überrascht und hat zugesagt. Sie wäre wirklich schwierig zu bekommen…

Katharina: Wir hatten praktisch alle Speaker beisammen und als es darum ging, wen noch einzuladen, haben Roby, Paco González und Giuseppe Salerno lustigerweise am selben Tag zugleich an Marian Bantjes gedacht. Als sie dann wirklich zugesagt hatte, war das echt der Hammer. 

Roby: Und Marian Bantjes brauchen wir wirklich als Gegentouch zu sechs Männern. 

Wie ist denn die Geschlechterverteilung in der Design-Szene? Ist sie ausgewogen? 

Roby: Das ist schwierig zu sagen. In Südtirol ist es meines Wissens Hälfte/Hälfte. 

Katharina: Ich glaube, dass es bei jenen, die arbeiten, ziemlich ausgewogen ist. Bei Vorträgen stehen Männer jedoch im Vordergrund, obwohl es auch viele Frauen gibt, die international arbeiten und Vorträge halten. DESIGNERDS 2016 03

Nochmal auf Anfang: Wie habt ihr euch als Team gefunden? 

Roby: Das ist im Prozess entstanden, die Idee ist von mir aus gegangen, zunächst habe ich Markus Seppi gefragt, dann ist Katharina dazu gekommen und Claudia Frass und und so weiter. – Wir arbeiten zwar nicht alle in derselben Agentur, aber kontinuierlich an verschiedenen Projekten zusammen. Martina Pellegrini, zum Beispiel, ist oft als Externe bei uns: Sie ist hauptsächlich für die organisatorische Seite vor Ort verantwortlich, also was die Konferenz, Budget, Verwaltung und Essensangelegenheiten betrifft. Sandra Rafreider war bei uns, nun nicht mehr, arbeitet aber weiterhin für Designerds und kümmert sich um die sozialen Medien, Konzeption und Textgestaltung, Martina Pellegrini hingegen um das Interior Design. 

Habt ihr euch auch mit anderen Südtiroler DesignerInnen ausgetauscht? Wie sind die Nachfrage und das Feedback zum Kongress bis jetzt? Es hat ja schon einmal einen Designers Club Südtirol/Alto Adige gegeben [die Facebook-Seite gibt’s immer noch]. Roby, du warst da auch dabei und einer von den aktiveren, aber irgendwie hat es nicht richtig geklappt. Und es gibt auch noch die Berufsgruppe der Werbefachleute im hds und die Berufsgruppe Medien, Design & IT im lvh

Roby: ..und im Unternehmerverband gibt es die Gruppe Grafik, die mehr zur Druckerei tendiert. Sie sind ein bisschen tätig.

Eure Idee ist auch dazu da, die Leute mehr zu vernetzen, damit sie sich nicht so sehr als Konkurrenz wahrnehmen?!

Roby: Ja, die Konkurrenz ist definitiv stark und die Kritiken manchmal arg. Es besteht allgemein mehr die Tendenz, eine Negativität zu fördern anstatt Zusammenarbeiten aufzubauen. 

Wie sind die Rückmeldungen bisher? 

Roby: Das Feedback ist bis jetzt sehr positiv. Negatives gibt es keines, aber das wirst du nie mitbekommen. Und eigentlich ist es uns egal. Wir wollen etwas aufbauen, das in Zukunft Früchte bringt. Für uns, für Südtirol, für’s Südtiroler Design. Aber nicht nur. Wir sprechen auch das Ausland an, heuer vor allem auch die deutschsprachige Bevälkerung aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Südtirol ist ein interessanter Standpunkt. 

Die Konferenz ist auf Deutsch und Englisch und wird heuer nicht simultan gedolmetscht… 

Roby: Ja, aus finanziellen Gründen. Das können wir ohne weiteres sagen. Wir haben Sponsoren gesucht bis zum Umfallen; manche haben zugesagt, manche nicht. Wir finanzieren uns zur Gänze selbst, bekommen keine Förderungen, weder von der Provinz noch von Vereinen oder Verbänden. Deswegen können wir uns keine Simultanübersetzung leisten. So einfach ist das. Unser Ziel für 2016 ist es, die Spesen abzudecken. Als private Agentur haben wir eh schon sehr hoch riskiert. 

Gleichzeitig heißt das aber auch, dass ihr unabhängig seid. 

Roby: Wir sind total unabhängig. Ich glaube, das wird uns noch Früchte bringen. Wir haben die Uni bewusst nicht kontaktiert, weil wir unabhängig bleiben wollen. Früher oder später wäre eine Zusammenarbeit toll, egal mit welchem Verein, ob Schule oder egal was. Es ist wichtig, dass man sich am Anfang neutral bewegt, damit man nicht von vornherein katalogisiert wird und gesagt bekommt: „Das ist eine Gruppe von xy.“ …und man weiß ja, was passiert in Südtirol, das muss man auch zugeben…DESIGNERDS 2016 05

Zum Abschluss beschreibt bitte jeden Speaker mit drei Stichwörtern, die sie oder ihn auszeichnen! 

Martin Osen: Ein All-Round-Talent mit dem Schwerpunkt in Human Interface – wobei, wie er sagt, Interface nicht nur die Kommunikation zwischen Maschine und Mensch ist. Er sieht Interface in einem sehr breiten Spektrum.

Dieter Telfser: Provokateur mit sehr starkem Hintergrundwissen. Er analysiert die Sachen aus einer komplett anderen Perspektive. Also auch ein Allround-Talent, aber mit sehr starkem intellektuellen Hintergrund. Und Südtiroler.

Resistenza bzw. Giuseppe Salerno & Paco González nennen wir die Analogen, spezialisiert auf Font- und Schriften-Design arbeiten sie sehr stark im analogen Bereich und digitalisieren dann alles. Sie machen wunderschöne Schriften, sind steil auf dem Weg nach oben. Ihre Schriften werden bereits international für verschiedene Kampagnen verwendet. 

Lip Comarella: Illustration in movement – Illustrationskonzeption in Bewegung. Faszinierende Handwerklichkeit, die über das Design hinausgeht, und echt große Kunst, was auf einem Blatt Papier seinen Anfang nimmt und als Endprodukt beeindruckt. Auch im 3D Bereich

Jay Rutherford: Der Guru. Er hat an der Uni Bozen unterrichtet, ein berühmter Professor, mittlerweile nennt er sich The Pensionista. Auch Schriftendesigner, mit Schwerpunkt visuelle Kommunikation. Bekannt durch die Zusammenarbeit mit Erik Spiekermann, Ex-Metadesign, im Bereich der Schriftenentwicklung – Stichwort Meta Font.

Marian Bantjes: The Queen. Bei ihr finden wir es sehr ansprechend, dass sie zunächst lange Zeit als Grafikerin und für Kunden gearbeitet hat, also in der Gebrauchsgrafik. Mittlerweile ist sie total frei und macht nur noch, was ihr Spaß macht. Das verkauft sich auch gut. Sie lässt sich nichts mehr vorschreiben und geht ihren eignen Weg. 

Es gibt auch eine gute Mischung vom Alter her. Jüngere und Ältere. 

Roby: Der Jüngste ist Lip Comarella, er ist Anfang dreißig. Jay Rutherfords ist 66. Es geht also quer durch, das finde ich auch gut. Ansonsten hast du nur den jungen Designer, den Trendsetter, der cool ist, aber keine Erfahrung hat. Wir haben auch Leute mit extrem viel Erfahrung. 

In diesem Altersschnitt erwartet ihr euch auch das Publikum, oder?

Katharina: Ja, es wird auch total gemischt sein. 

Fotos: DESIGNERDS

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