Music

July 4, 2016

Soundtirol V: Wohin mit der Gabe?

Thomas Stolcis
"Wir opfern eine Menge für unsere Musik", sagen Average. Dennoch tun sich die Punkrocker aus dem Sarntal mit dem "Ritt über die Alpen" schwer. Aber eigentlich ist das nicht weiter schlimm. Über das Fördern, das Fordern und den Spaß an der Freude.

Gute, handgemachte Gitarrenmusik schallt aus den Boxen. Ich stehe am Regal und wühle mich durch hunderte von Schallplatten. Wer hätte das gedacht: Sie ist zurück. Für Walter Eschgfäller könnte die LP die Rettung bedeuten. Er betreibt einen der letzten Plattenläden in Südtirol und kämpft dabei gegen Riesen wie Mediamarkt an. In den letzten Jahren muss sein Geschäft ziemlich unter dem Wandel der Musikindustrie gelitten haben. Sein Laden humpelt, aber er hält sich noch und das Interesse an physischen Tonträgern steigt. 

Ich besuche Walter Eschgfäller aber nicht wegen seiner Schallplattensammlung. Der Bozner ist einer der umtriebigsten Popmusikförderer in Südtirol und das schon seit Jahrzehnten. Als Präsident der Liederszene Südtirol hat er einen kritischen Blick auf die Musiklandschaft und steckt da Energie rein, wo es nötig ist. Die Szene in Südtirol habe vor allem ein Problem: Junge Musiker würden zwar hervorragend ausgebildet, die Fördermittel für Popkultur seien aber sehr gering, so Walter Eschgfäller. Vor allem im Vergleich zu traditionellen Vereinen im Land. “Auf der anderen Seite,” sagt er, “sind die Musiker zu wenig konsequent. Sie zäumen das Pferd oft von der falschen Seite auf. Anstatt sich darum zu bemühen, die Performance zu verbessern, wollen alle immer gleich eine CD aufnehmen. Dass sich heute aber keiner mehr dafür interessiert, realisieren die wenigsten.” Die Liederszene zielt mit speziellen Workshops genau auf diese Ebene ab. Junge Musiker sollen in Performance und Bühnenarbeit geschult werden. Vor allem auch um langfristige Aufbauarbeit zu leisten.

Average haben dieses Problem nicht. Die Band aus dem Sarntal hat sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet und zählt heute zu den bekanntesten Punkrock-Bands aus Südtirol. Nach Eschgfällers Devise “Zuerst die Show, dann die CD” haben sie eigentlich alles richtig gemacht. Als Live-Band haben sich Average über Jahre hinweg einen Namen gemacht und große, mittlere, aber auch kleine Festivals bespielt. Das erste Album hat einige Jahre gedauert. Eine logische Konsequenz, denn der kraftvolle Punkrock-Sound lebt vom Live-Charakter. Die Aufnahme dient letztlich nur dazu, die Musik auch zu konservieren.

 

In der Südtiroler Musikszene sind Average umtriebige Hunde. Sänger und Frontmann Claus Stecher versucht sich in verschiedenen Projekten, genauso Gitarrist Lorenzo Scrinzi und Bassist Michael Torggler. Average ist dennoch wie ein Fels in der Brandung: Selbst der ein oder andere Bandumbau konnte die Band nicht wegschwemmen. Und auch Average kann man das Fehlen einer gewissen Kompromisslosigkeit vorhalten. Denn am Ende des Tages bleibt die Band nur ein Hobby von fünf Punkrock begeisterten Jungs. Es ist nicht so, als hätten sie nicht versucht, auch über die Alpen hinaus für Aufmerksamkeit zu sorgen. Am Ende ist es aber wie so oft: Es gibt auch ein Leben neben der Musik und das appelliert nicht selten an die Vernunft.

Aus einem eng abgesteckten Gebiet wie Südtirol heraus wirklich erfolgreiche Rockmusik zu machen, dafür gibt es in Südtirol ein konkretes Erfolgsrezept: Deutschrock. Und selbst bei den Kollegen von Frei.Wild ist der große Erfolg erst nach Jahren eingetreten und hat mit Sicherheit auch das ein oder andere Quäntchen Glück beansprucht. Der Markt für Punk Rock ist viel zu klein, als dass man damit wirklich ernsthaft Geld verdienen könnte. Dann lieber einen Gang zurück, dafür aber mit der Garantie, dass man an seiner Musik nicht den Spaß verliert, weil man sich zu Tode spielt, um überhaupt über die Runden zu kommen. 

Soundtirol - Thomas Stolcis - Average

Average geht es nicht um monetären Erfolg. Ihnen geht es um Glaubwürdigkeit. Sie wollen der musikalische Arm einer Bewegung sein, die politisch denkt und menschlich agiert. Sie wollen klare Statements setzen und sich positionieren. Average sind Teil einer Jugendkultur, die viel mehr als Musik ist. Und das unterscheidet sie von Bands wie Mainfelt. Die Schlanderser machen Musik um der Musik willen. Average zielen auf das große Ganze ab. Und das finden sie zu Hause in Südtirol. – Indem sie sich um Festivals (Rock in Dusty Valley) bemühen und auch große Konzerte (Alpen Flair) aus ideologischen Gründen absagen.

Eine kreative Musikszene funktioniert also nicht nur durch angemessene finanzielle Förderung. Eine Musikszene lebt von der Kunst als solches. Sie lebt von Leuten, die uns immer wieder aufs Neue zeigen, dass man mit viel Ehrgeiz, Engagement und dem Willen, sich durchzusetzen, Vieles schaffen kann. Und wenn es nur der Spaß an der eigenen Sache ist.  

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