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June 8, 2016
Von der Schwierigkeit das Glück auszuhalten: Peter Stamm @ WeinLesen
Verena Spechtenhauser
Der Schriftsteller Peter Stamm ist einer der wenigen zeitgenössischen Autoren, der sich auch außerhalb der Grenzen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einen Namen erschrieben hat. In seinen Romanen und Erzählungen blickt er auf gewöhnliche Menschen in wohlvertrauten Lebenskrisen. Nun kommt er anlässlich des Literaturfestivals WeinLesen Kloster Neustift nach Südtirol. Am Freitag, 10. Juni 2016 abends liest er in Stiftsbibliothek Neustift und am Samstag, 11. Juni 2016 um 17 H am Kuenhof in Neustift.
Sie lesen beim diesjährigen internationalen Literaturfestival WeinLesen. Da liegt die Frage natürlich nah: Was zeichnet in Ihren Augen guten Wein, was gute Literatur aus?
Zum einen ist natürlich beides Geschmacksache. Es hat keinen Sinn, jemandem einen Wein oder ein Buch einzureden, wenn er oder sie damit nichts anfangen kann. Ich persönlich mag komplexe Weine und Literatur, nicht zu süß sollen beide sein, nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht. Die Hauptsache aber ist mir bei beiden, dass sie mit Begeisterung gemacht wurden von jemandem, der weiss, was er tut und was er will.
Auf Ihrer Homepage findet sich folgendes Zitat von Ihnen wieder: “Ich muss nicht schreiben, aber ich liebe das Schreiben mehr als jede andere Beschäftigung.” Was hat Sie zum Schreiben gebracht? Welche Schriftsteller haben Sie geprägt?
Prägend waren die Autoren, die ich am Anfang meiner Schreibkarriere las, vor allem Ernest Hemingway, Cesare Pavese, auch Edgar Alan Poe, Henrik Ibsen, Friedrich Dürrenmatt, ganz viele. Zum Schreiben kam ich vor allem über das Lesen. Ich war so begeistert von der Literatur, dass ich auch selbst ausprobieren wollte, ob ich das kann.
Ihr neuer Roman “Weit über das Land” erzählt vom Verschwinden des Familienvaters Thomas aus seinem ganz normalen, aber oberflächlich betrachtet doch auch guten Leben und von seiner Frau Astrid, die mit dem plötzlichen Zurückgelassenwerden umgehen muss. Ist der Roman als eine Kritik am westlichen, am Schweizer Lebensmodell zu lesen?
Nein, so weit würde ich nicht gehen. Zumal, wie Sie sagen, Thomas ja eigentlich glücklich ist in seinem Leben. Warum er aufbricht, ist nicht klar. Aber vermutlich eher, weil er das Glück nicht aushält, als weil er unglücklich ist. Dass das Buch die Leser zum Nachdenken über ihr Leben bringt ist mir jedoch nur recht. Diese Wirkung hatte es auch auf mich.
Vor Kurzem wurden Sie im Feuilletonteil der “Welt” als “Spezialist für das reale Leben” sowie als “unspektakulärster, aber vielleicht radikalster Analytiker der Schweiz” bezeichnet. Erkennen Sie sich in diesen Umschreibungen Ihrer Person wieder?
Es ist sicher so, dass mich das sogenannte «normale Leben» mehr interessiert als das Exotische. Ein Analytiker der Schweiz wollte ich nie sein, ich schreibe einfach aus meinem Leben, aus meiner Umgebung heraus und versuche, sehr genau und absolut ehrlich zu sein.
Ihr 1998 erschienener Debütroman “Agnes” wurde 2015 verfilmt. Die Erfüllung eines Traumes?
Ach, ein Traum war das nicht. Aber ich habe mich sehr gefreut, als ich den sehr schönen und gelungenen Film sah. Nun ist es so, wie es sein soll: Das Buch braucht den Film nicht und der Film braucht das Buch nicht. Beide können für sich stehen und finden hoffentlich ihr Publikum.
Sie gehören zu den bekanntesten Schweizer Autoren der Gegenwart. Haben Sie einen Geheimtipp für uns, welche aktuellen Schweizer SchriftstellerInnen wir nicht verpassen sollten?
Ich kann nur immer wieder auf Markus Werner und Klaus Merz hinweisen, zwei Altmeister, die wunderbare Bücher geschrieben haben. Bei den Jüngeren finde ich Dorothee Elmiger sehr spannend. Michael Fehr habe ich noch nicht gelesen, das werde ich aber bald tun. So viel ich gehört habe, schreibt er tolle Texte.
Peter Stamm: geboren in Scherzingen/Kanton Thurgau, nach längeren Aufenthalten in New York, Paris, Berlin und London lebt er heute in Winterthur. Seine zahlreichen Bücher wurden nicht nur im deutschsprachigen Raum (u. a. mit dem Friedrich Hölderlin Preis 2014) ausgezeichnet, sondern führten auch zur Nominierung für die Shortlist des Man Booker International Prize 2013. Zuletzt erschienen: “Seerücken” (2011), “Nacht ist der Tag” (2013), “Der Lauf der Dinge”, Gesammelte Erzählungen (2014) – alle bei S. Fischer Verlag. Mehr Infos zu Peter Stamm gibts hier und ein filmisches Autorenportrait hier.
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