Music

May 25, 2016

Soundtirol IV:
Mainfelt

Thomas Stolcis
In Südtirol haben sie gefühlt alles bespielt, was es zu bespielen gibt. Jetzt versuchen sie sich im Ausland. Mainfelt zählen im Moment zu den vielversprechendsten Südtiroler Musikexporten. Für meinen Film habe ich sie in Schlanders zum Interview getroffen.

Julian ist grad am Saubermachen. Seit einigen Tagen hat er sein Pub, das Taka Tuka in Schlanders wieder geöffnet. Er hat einen neuen Boden gelegt und ein wenig an der Einrichtung gefeilt. Von seinem Cousin, dem Schlosser im Dorf, hat Julian zwei alte Schlanderser Straßenlaternen bekommen, die seinem Pub jetzt ein etwas düsteres, milchiges Licht schenken – deshalb hat es für manch einen Schlanderser unter dem Gesichtspunkt Nostalgie deutlich zugelegt. Seit einigen Jahren ist das Taka Tuka das Szene-Pub in Schlanders und es gibt wohl kaum einen passenderen Ort, um Mainfelt zum Interview zu treffen. Taka Tuka Mainfelt - Thomas Stolcis SoundtirolDie Jungs trudeln einzeln ein. Wie schon bei Wicked & Bonny hat das Treffen hier eher den Charakter eines Wiedersehens, als den eines Pressetermins. Als Vinschger kenne ich zumindest zwei der Bandmitglieder schon seit Jahren. Mit dem Bassisten Veit Rinner bin ich früher immer gemeinsam zur Schule nach Schlanders gependelt und Patrick Strobl ist ohnehin ein musikalischer Tausendsassa. Wer sich in den letzten 20 Jahren in der Musikszene im Vinschgau bewegt hat, der kennt ihn, ob wegen seiner Punkband Short Circuit, der Reggae-Ska-Band Crazy Kangoos, als Singer-Songwriter oder eben spätestens seiner aktuellen Band Mainfelt. Musikmäßig ist Strobl ein Chamäleon und mittlerweile einer der bekanntesten Liedermacher Südtirols. Mit Mainfelt hat er das Ganze nun auf ein ganz neues Level gehoben. Für mich sind Mainfelt, trotz der persönlichen Bekanntschaften, bislang ein reines mediales Phänomen. Als sich die Band gegründet hatte, war ich bereits im Ausland. Ich habe ihren Werdegang der letzten Jahre zum Großteil aus Deutschland, also über soziale Medien, verfolgt und war immer wieder erstaunt, wie professionell die Jungs ihr Image kreieren. Dieser Folk-Style wird optisch wirklich konsequent durchgezogen. Vom Outfit bis hin zum Bühnenset. Es passt – auch heute noch. Musikalisch blieb jedoch immer die Frage offen, ob denn dieses “Mumford & Sons“-Ding nicht eigentlich schon längst durch sei? Das mag in Südtirol kein großes Thema sein. Musikalische Trends kommen da eh immer ein bis zwei Jahre später an und die eine Indie-Folk-Band mehr oder weniger im Ohr tut dem Südtiroler in der Regel eher gut, als dass sie ihn verprellt. Mainfelt drängen aber auch ins Ausland und dort werden solche Genreschubladen besonders gern benutzt. Mainfelt - Thomas Stolcis SoundtirolWir setzen uns zum Interview und es zeigt sich, dass sich Mainfelt die Frage, ob das funktionieren könnte, längst nicht mehr stellen. Die Jungs sind alle in der Hauptsache “Mainfeltianer“, wie sie selbst sagen. Sie haben ihre Jobs an den Nagel gehängt und konzentrieren sich zu 100% auf das Projekt Mainfelt. So etwas macht man natürlich nicht, wenn man seine Zeit nur im Proberaum und in den örtlichen “Buschenschänken“ verbringen will. Diese Entscheidung wurde getroffen, um eines zu fokussieren: den Sprung über die Alpen. Wenn auch in kleinen Schritten: “Es dauert bis man über die Alpen kommt“, meint Patrick Strobl. Die Berge halten vieles ab. Aber mit der nötigen Ausdauer klappt es auch. Man muss einfach Konzerte spielen. Viele Konzerte. Nur so lernt man Leute kennen und nur so macht man sich bekannt.“ – Genau das ist der Punkt, an dem es bei vielen oft aufhört. Immer Konzerte zu spielen, immer unterwegs zu sein und sich ständig weiter zu entwickeln, das kostet sehr viel Kraft, unfassbar viel Zeit und vor allem Durchhaltevermögen. Das klappt vielleicht in der Jugend, aber spätestens wenn Job und Familie dazu kommen, wird es schwierig. Bei vielen Bands ist genau das der Punkt, an dem die Geschichte endet. Bei Mainfelt beginnt sie genau da. Vier junge, erwachsene Männer, die die Jugend hinter sich gelassen haben, entscheiden sich eine Band zu gründen und es ordentlich zu machen. Damit man später zumindest einmal behaupten kann, man hätte es versucht.Im Gespräch wirken Mainfelt sehr gelassen. Wir sprechen über ihr Album, die Resonanz im Ausland und über ihren Bezug zur Heimat. “Man braucht einfach eine gewisse Art von Homebase,“ meint Bassist Veit, “eine Base, auf die man bauen kann. Und das haben wir hier und die vergisst man dann auch klar nicht.“ Das ist ähnlich wie bei Wicked & Bonny. – Natürlich fällt es leichter, sich auf die Kunst zu konzentrieren, wenn das familiäre und soziale Umfeld einen vielleicht auch finanziell den Rücken frei hält. In dieser Situation wird die Heimat umso wichtiger. Musikalisch spielt sie aber keine Rolle. Als Südtiroler neigt man gerne dazu, sich auf eine besondere Stufe zu stellen. Man ist eben “Südtiroler“. Mainfelt haben sich davon schnell gelöst. Sie haben bemerkt, dass egal, wohin man fährt, die Musikszenen stets mit denselben Problemen zu kämpfen haben: mit der Frage, wie kann ich meine Kunst so an den Mann bringen, dass ich davon einigermaßen leben kann.Unter Südtiroler Popmusikern fehlt es an Vorbildern, die das schon vorgelebt haben. Leute, die einen sagen können, dass sich eine Band am Ende des Tages immer nach oben spielen muss, egal ob sie aus Südtirol kommt oder der Walachei. Für Mainfelt war wohl genau das der entscheidende Punkt: zu merken, dass man sich da einfach durchkämpfen muss und es dann konsequent durchzuziehen. Wahrscheinlich stößt man dann automatisch irgendwann an den Punkt, an dem einen nichts anderes mehr übrig bleibt, als sich vollkommen auf seine Musik zu konzentrieren. Man stellt sich heute ja nicht mehr nur auf die Bühne und spielt; der moderne Musiker macht im besten Fall eine 360-Grad-Geschichte. Einmal im Kreis: Songs schreiben, spielen, aufnehmen, vermarkten, schreiben, spielen, aufnehmen, vermarkten und so weiter. Das ordentlich zu machen, kostet jede Menge Zeit und Geld. Dass Mainfelt das alles  investieren, äußert sich nicht zuletzt in den sorgfältig produzierten Videos, die das Folk-Image konsequent untermauern. Dass die Jungs auch musikalisch hervorragende Arbeit leisten, das zeigt der Tourkalender. Der wird nämlich langsam proppenvoll. Und daraus lässt sich sehr gut ablesen, wie erfolgreich die Jungs mit ihrem Projekt sind: Je seltener sie nämlich in Schlanders spielen, umso erfolgreich sind sie anderswo. Und im Moment sind sie nicht oft zu Hause.

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