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May 18, 2016

Bye Bye Berlin, Hallo LanaLive: Orchestre miniature in the Park kommt

Franz
LanaLive 2016 bedeutet große Schritte in die privatesten Privatsphären und Wohnräume der Lananerinnen und Lananer. "The Settlers" (die SiedlerInnen) ist das Thema und verschiedene Wohnsiedlungen in Lana die Austragungsorte des Festivals. Ein paar Gedanken und Überlegungen von Christian vom Orchestre miniature in the Park (OMP).

Christian, erzähl uns doch mal von Berlin und wie mensch dort so wohnt! Wie klingt Berlin, gibt es Lieder über Berlin? Und, apropos, warst du mal in Lana? 

>> Das Thema “Wohnraum” ist in Berlin heikel und mit teilweise drastischen Emotionen besetzt. Wir sind oft Locked-In, wie es so seltsam heißt. Menschen mit alten (das heißt günstigeren) Mietverträgen ziehen mangels Verbesserungsmöglichkeiten weniger innerhalb der Stadt um und machen damit keinen Platz für Neuankommende. Diese müssen auf teure Neubauten oder modernisierte Altbauten ausweichen. Wer eine schöne Wohnung hat, bleibt oft über eine viel längere Zeit dort wohnen, als es noch vor zwanzig Jahren üblich war.

Mein Mietvertrag stammt aus dem Jahr 2008 und die Miete wurde seitdem (fast) nicht erhöht. Das hat die Wohnung innerhalb von nur acht Jahren von eher etwas teuer zu sehr günstig werden lassen. Nicht nur deshalb, aber auch aus diesem Grund hat sich eine gewisse Sesshaftigkeit eingestellt, die für mich damals als frisch Zugezogener nicht abzusehen war.

Wir teilen uns zu siebt 200 Quadratmeter, drei Balkone, zwei Bäder und eine Küche, die auch das Wohnzimmer ist. Leute gehen ein und aus, manchmal ist es etwas unübersichtlich, aber das ist mehr oder weniger Gewöhnungssache, beziehungsweise Entwöhnungssache, da die WG über die Zeit manchem doch zu groß geworden ist. Wieder alleine zu wohnen scheint mir nach all den Jahren jedenfalls keine Option zu sein. Das eigene Stück Natur beschränkt sich auf Balkon und Hinterhof, aber das gleicht sich gut mit den vielen Parks und Rückzugsorten in Berlin aus. Von der Außenperspektive mag die Stadt durch und durch bevölkert und überdreht wirken, aber wer über längere Zeit in ihr wohnt, findet die ruhigen Inseln. Außerdem gibt es das dünn besiedelte Umland, nur leider ohne Berge und Meer, dafür mit vielen Seen und Wald.

In Berlin ist der Kiez das Soziotop. Es entsteht der Eindruck, dass je länger jemand in Berlin wohnt, umso geringer sein Bewegungsradius wird. Für das Alltägliche reicht der Kiez. Meiner eignet sich allerdings nicht zum Ausgehen, dafür muss ich ihn verlassen. Der Umstand erscheint mir als günstige Fügung, denn es hält flexibler. Auch von den über 30 Mitgliedern des Orchesters wohnt niemand in meinem Kiez, nicht einmal in meinem Stadtteil. Treffen setzen meistens kleine Reisen zwischen 40–60 Minuten voraus und auch das hilft, den alltäglichen Radius regelmäßig zu durchbrechen.

Diese Stadt lebt von ihrer ständigen Veränderung. In den letzten Jahren wurden um unser Haus herum die meisten Brachflächen mit Häusern zugebaut, deren Mieten ich mir nicht leisten könnte. Sozialstrukturelle Veränderungen sind in Berlin inklusive und gehören zur Stadt. Das macht die Verwendung des Wortes ‘niederlassen’ schwierig, denn die Dynamik ist nicht auf Jahrzehnte vorhersagbar, sodass die perfekte Wohnung zehn Jahre später der Wohnungsalbtraum sein kann. Wer in Berlin ‘siedelt’, hat wohl seltener als in kleineren Orten ein Gefühl von Ewigkeit oder auch nur Langfristigkeit beim Bezug der neuen Wohnung. Im Small Talk erstaunt viel eher, wenn erzählt wird, dass die Wohnung über sehr lange Zeit nicht gewechselt wurde.

Manchmal ist Berlin zuviel, dann kann eine Reise wie die des Orchesters nach Lana genau das Richtige sein. Ich war noch nie in Lana und stelle es mir sehr beschaulich vor, mit imposanten Bergen und auf das Orchester entschleunigend wirkend. Die Abwesenheit von Terminen und privatem Stress wird nur bei größerer geografischer Entfernung spürbar und erholsam. Es ist eine kurze Stadtflucht. Aber egal wie schön es irgendwo ist, ich freue mich auch immer wieder, wenn ich das Ortseingangsschild von Berlin sehe.

Ach ja, es wurde gefragt wie Berlin klingt. Natürlich ist es laut, spielt oft in Staccato. Auch ein Grundrauschen durch Straßenlärm ist immer präsent. Wer das ausblenden kann, bekommt allerdings viel Dynamik und eine große Detailfülle geboten.

Was die Musik selbst angeht, sind wir für die Möglichkeiten von Berlins Musikkosmos das beste Beispiel. Vieles hier ist hibbelig, spontan und unverkrampft. Es kann experimentiert werden. Die freien Geister der Stadt stehen zwar über die Jahre immer mehr im Spannungsverhältnis zur Nachtruhe und zu den steigenden Mieten, aber noch gibt es viele Freiräume und Nischen, die Interessierte entdecken können. 

Lieder über Berlin gibt es wie Sand am Meer. Eines möchte ich hier aber doch erwähnen, weil es so gut zum Thema passt. Tele haben 2007 die ständige Veränderung, die Verdrängung, das Wohnen und die Sinnsuche in dieser Stadt in “Bye Bye Berlin” ganz wundervoll vertont. <<

OMP (Orchestre Miniature in the Park) beim LanaLive 2016:
Samstag, 28. Mai 2016 – 11 Uhr – Spitalgasse

Das OMP (Orchestre Miniature in the Park) ist das erste und einzige bunte Miniaturinstrumenteorchester der Welt. Bis zu dreißig Menschen machen Alternativ-Pop auf Kinderinstrumenten. Seit 2007 spielen sie an allen denkbaren und undenkbaren Orten, vor allem in Berliner Parks, Lieder über die Sonne, Psychopharmaka, Liebeskummer, und vor allem über den Sommer. Mannigfaltige Stimmen, wildes Geklimper, ungelenkte Energie und ansonsten nur Chaos das zu Musik wird. Die Spitalanger-Siedlung ist eine der neueren Lananer Siedlungen, sie wird vor allem von jungen Familien bewohnt. Das OMP widmet sich diesen Menschen und ihrer Siedlung und tritt dort im Rahmen eines von den Bewohner_innen organisierten Siedlungsfestes auf. lanalive.it

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