Music

March 23, 2016

“Wir sind keine Stars, sondern Sternenstaub”
Me + Marie im Interview

Maximilian Mayr
Bevor sie am Sonntag Herbert Grönemeyer in München supporten, geben sie am Freitag, 3. Juni auf der Bühne im Sudwerk in Bozen alles: Me + Marie in concert + im Interview.

Me + Marie ist der Name der Band der Südtirolerin Maria Moling und des Engadiners Roland Vögtli. Beide Künstler haben bereits einige Erfahrung mit der Musik: Maria als Mitglied der Band Ganes und Roland durch mehrere Musikprojekte (unter anderem Cha da fö) im Rock-’n'-Roll-Bereich. Ihr erstes gemeinsames Album “One Eyed Love” erscheint am 6. Mai 2016 und begeistert bereits jetzt Fans und Kritiker gleichermaßen – auch in unserer Redaktion laufen die melancholisch fetzigen Titel seit Mitte Februar rauf und runter. Höchste Zeit mehr über die beiden (überaus sympathischen) Musiker herauszufinden. 

Maria und Roland, wie ist euer Projekt ‘Me + Marie‘ entstanden?

Maria: Vor drei Jahren haben wir damit begonnen, die ersten Lieder zu schreiben. Vorher war ich einmal in der Schweiz auf Promo-Tour mit Ganes unterwegs und Roland hat dort bei einer Radiostation gearbeitet. – Er hat auch noch andere Musikprojekte und wollte, dass ich auf seinem Album singe. Das war unser erstes musikalisches Projekt  zusammen. Als wir gesehen haben, dass sich die Stimmen gut mischen, wollten wir zusammen arbeiten. – Es hat sich alles sehr langsam und entspannt entwickelt. Als wir dann genug Songs beisammen hatten, haben wir beschlossen, ein Album rauszubringen. 2015 waren wir dann im Studio in Berlin und im Bayrischen Wald…

Da muss ich kurz nachhaken: Ich habe in einem Artikel gelesen, dass ihr länger in einer Hütte im Bayrischen Wald wart?

Beide lachen

Roland: Da sind wir selber schuld…

Maria: Das hast du vom Puls-Interview, oder? Das stimmt nicht so ganz. Der Ort, wo wir uns zurück gezogen hatten, heißt Riedlhütte. Das wurde mit einer echten Waldhütte verwechselt. Die Leute hatten dann so eine Freude mit der Hütte… (lacht)

Roland: Das ist ein Dorf in der Nähe der tschechischen Grenze, wo wir uns für zehn Tage in ein ganz normales Haus zurück gezogen, gesungen und geprobt haben. 

Verstehe, ich hab mir schon eine Almhütte mit Kühen ausgemalt…

Roland: Nein, nein, ein ganz normales Haus.Me + Marie, Foto by Lorraine-HellwigNachdem das jetzt geklärt ist, zur nächsten Frage: Woher kommt eure Inspiration, würdet ihr sagen?

Roland: Ja, das ist so eine Sache. Ich lasse mich von dem inspirieren, was in den letzte 60 Jahren  passiert ist. Von Little Richard bis hin zu Elvis Presley oder Pearl Jam, von Musik also, die mir einfach gefällt. Aber es ist nicht so, dass wir etwas kopieren möchten. Wir spielen einfach drauf los.

Maria: Beim Songs-Schreiben werden wir von dem inspiriert, was gerade los ist…

Roland: …vom Moment. 

Maria: Genau.

Also von nichts Speziellem?

Roland: Nein, es ist wirklich eine Momentaufnahme, die man auch gleich festhalten muss. 

Maria: Ich glaube, das Wichtigste ist einfach, sich frei zu machen und zu sehen, was passiert. Man wird immer inspiriert von dem, was man erlebt und gehört hat. Das kommt dann einfach raus. 

Und warum seid ihr überhaupt Musiker geworden – was findet ihr so toll an der Musik?

Maria (lacht): Ich glaube, es ist die Freiheit, die man dabei hat, sich einen eigenen Raum zu schaffen. Das ist generell so bei kreativen Berufen. Außerdem ist es eine Art Sucht. Wenn man einmal die Freiheit hat, das zu machen, was man will, dann will man das auch nicht mehr hergeben. 

Roland: Bei mir war schon als Kind klar, dass ich Musiker werden will. Meine Eltern waren musikverrückte Menschen – bei uns lief immer Musik. Ich glaube, das hat man oder das hat man nicht. Wieso wird jemand Fußballspieler? Schlussendlich kommen ja auch nur die Härtesten durch. Manche Leute haben einfach auch falsche Erwartungen und gehen zu Casting Shows, wie The Voice von irgendwas. Darum geht es ja nicht. Wie Maria schon gesagt hat, Musik gibt einem einfach ein extremes Freiheitsgefühl. 

Maria: Für mich war Musik auch immer mein privater Raum. Ich bin mit sechs Geschwistern aufgewachsen und da ist man auch manchmal froh, sich etwas zurückziehen zu können – dieser Rückzugsort war für mich die Musik. 

Weil du jetzt gerade deine Familie ansprichst: Du bist ja mit deinen zwei Cousinen in der Band Ganes. Wie schaffst du es eigentlich, alles unter einen Hut zu bekommen? 

Maria: Das ist ziemlich kompliziert manchmal und man muss alles rechtzeitig koordinieren und absprechen und hoffen, dass so wenig Kollisionen als möglich zusammen kommen. Aber letztendlich ist es auch ein Glück, in zwei tollen Bands spielen zu dürfen. Das sind für mich zwei völlig verschiedene Welten. Fast so wie eine gespaltene Persönlichkeit. 

Würdet ihr eigentlich sagen, dass euch euer rätoromanischer Background im besonderen Maß verbindet? Spürt man das in eurer Musik?

Roland: Es verbindet uns insofern, dass wir miteinander Deutsch reden (lacht).

Maria: …und dass wir den gleichen Akzent im Englischen haben. 

Roland: Irgendwie sind Ladiner und Romanisch sprechende Schweizer schon eigen. Man ist nicht deutschsprachig, man ist nicht italienischsprachig, sondern man spricht diese kleine Minderheiten-Sprache. Aber wir machen jetzt keinen großen Wirbel daraus, dass ich Romanisch bin und sie Ladinerin. 

Maria: Die Sprache, die uns verbindet, ist die Musik. Unsere Songs sind singen wir auf Englisch, Romanisch und Ladinisch. Und was schätzt ihr aneinander?

Maria: (lacht) Ich schätze es, mit jemandem Musik zu machen, der nicht voreingenommen ist und nicht von einer klassischen Musikausbildung kommt. Der also nicht von der Akademisierung der Musik geschädigt ist. Das finde ich sowieso bei Musikstudiengängen schade, dass das Musikmachen selbst etwas verloren geht. Bei meinem Studium hat mir einfach gefehlt, Leute zu finden, die Musik machen wollen. 

Roland: Um da einzusteigen – es ist nicht selbstverständlich, mit jemandem Songs schreiben zu können; mit Marie kann ich das. Wir verstehen uns einfach. Ich darf nicht nur mein Ding durchziehen, sondern muss auf sie hören und umgekehrt. Aus der Mischung der Musik  von Maria und mir ist einfach etwas Tolles entstanden. Wir haben eine Symbiose gefunden, wenn wir Musik schreiben. Das schätze ich am meisten an ihr. 

Maria: Eigentlich schätzen wir am meisten den Gegensatz zum anderen. 

Roland: Ja genau. Alleine der Gegensatz, dass ich männlich bin und sie weiblich, schätze ich sehr… (lacht)

Maria: Ach wirklich?

Ihr habt schon kurz euren Akzent im Englischen angesprochen: Für euch beide ist es ja ziemlich neu, auf Englisch zu schreiben und zu singen. Wie ist diese Erfahrung? 

Roland: Beim Schreiben holen wir uns Hilfe von verschiedenen Leuten, die auch Muttersprachler sind. Ich habe bis jetzt vor allem auf Romanisch geschrieben. Aber gleichzeitig geht das Singen auf Englisch für mich viel einfacher, weil ich immer nur englische Lieder gehört habe. Ich bin total auf Englisch fixiert. 

Maria: Meistens schreiben wir am Anfang zwei–drei Sätze, die fix sind und feilen dann daran. 

Roland: Oder sitzen mit einer Person zusammen, die unsere Bilder, sag ich mal, in Worte umwandelt. 

Nun zu eurem Album das ihr ‘One Eyed Love’ genannt habt. Warum dieser Titel?

Maria: Wir fanden den Titel passend: eine einseitige Liebe; eine Illusion – denn bei den meisten Texten geht es ja um Beziehungen…

Roland: …und vor allem um Trennung und Neuanfang. Uns war es wichtig, nicht immer dieselben, schönen Love-Songs zu schreiben. Der Albumtitel hat sich durch Zufall ergeben. Der Titel passt zu uns. 

Habt ihr eigentlich einen Lieblingstitel auf dem Album?

Roland: Ja, ich habe schon einen Lieblingstitel, den Farewell-Song. Auch You don’t know ist schön geworden.Einen Teil des Albums habt ihr ja durch Crowdfunding finanziert. Warum habt ihr euch dazu entschlossen?

Roland: Wir hatten keine Kohle mehr… (lacht)

Maria: Die eine Möglichkeit wäre gewesen, sofort zu einem Label zu gehen, aber das wollten wir ganz bewusst nicht, da wir in dieser kreativen Zeit nicht mit irgendwelchen Business-Angelegenheiten zu tun haben wollten. Da hat man dann immer mit Zeitdruck und Terminen zu tun. Indem wir das Album durch Fördergelder und Crowdfunding selbst finanziert haben, hatten wir einfach mehr Freiheiten. Am Anfang waren wir gleichzeitig aber auch skeptisch. Wir wollten ja nicht betteln gehen oder so…

Roland: Vor allem ist das harte Arbeit. Mails verschicken, Leute anfragen, ein Präsentationsvideo machen… 

Maria: …wir haben das einfach unterschätzt. Vor allem die Sache mit den Geschenken…

Genau auf das wollte ich hinaus: Ich habe auf eurer Website gelesen, dass ihr bei großen Beträgen zu den Spendern nach Hause kommt und ein privates Konzert spielt…

Maria: Genau. Die Wohnzimmerkonzerte haben wir jetzt im Sommer. CDs und Plakate wurden bereits verschickt. Das war eine Riesenarbeit. Alle mussten helfen. 

Roland: Aber schlussendlich war es eine enorme Werbung für uns. Facebook ist regelrecht explodiert und für uns war das natürlich ein positives Zeichen, dass es den Leuten gefällt. Me + Marie, Foto by Lorraine-HellwigUnd wie geht es jetzt in den nächsten Monaten weiter für euch?

Roland: Wir sind jetzt mehr oder weniger immer unterwegs, unter anderem als Vorgruppe vom Philipp Dittberner. Außerdem machen wir ein weiteres Video zu einem Song. Im Sommer sind dann die Festivals dran. Wir spielen mehr oder weniger 50 Shows bis Oktober 2016.

Maria: In Südtirol spielen wir sicher in Bruneck und St. Martin in Thurn (am 28.3.2016 @ Institut Ladin in St. Martin in Thurn). Auch Bozen ist in Planung. 

Was würdet ihr jungen Musikern am Anfang einer Karriere eigentlich mit auf den Weg geben? 

Roland: Ich glaube, dass sich viele jüngere Leute das alles zu einfach vorstellen. Du musst nicht Musiker werden, um ein Star zu sein, sondern weil dir wirklich etwas am Beruf liegt. Ich finde auch, dass es heute viel zu wenige Musiker gibt, die eine Band gründen. Jeder ist nur noch am Computer und werkelt da herum. Wichtig ist, Musik zu machen, rauszugehen und jeden Scheiß zu spielen, auch wenn dich die Leute nicht hören wollen. Mir kommt vor, dass viele Leute einfach bekannt werden wollen. 

Maria: Es gibt halt kein Rezept dafür, bekannt zu werden. Das muss sich einfach ergeben. Je mehr man spielt, desto größer wird das Netzwerk. 

Habt ihr euch schon mal heimlich ausgemalt, richtig bekannt zu werden – Stars zu sein?

Roland: Ich mag den Begriff Star nicht, aber ich glaube es ist schön, wenn man einen gewissen Erfolg hat und auch mal etwas besser verdient oder etwas für die Zukunft beiseite legen kann, weil man älter wird…

Maria: …sagt der Schweizer.

(Wir müssen alle lauthals lachen.)

Maria: Wir sind Sternenstaub. Das ist die Inspiration…

Roland: …jetzt geht’s los…

Maria: Das ist wirklich so. Ich habe gerade eine Dokumentation über das Weltall gesehen. Von den Elementen her sind wir wirklich Sternenstaub. Wir sind also keine Stars, sondern Sternenstaub. Das ist meine Inspiration.

Roland: Die wirklichen Stars sind auch die nettesten Leute. Schlimm sind die, die mittendrin in der Bekanntheitsskala sind. So wie wir… – Nein, wir sind noch weit drunter. Am wichtigsten ist, dass man mit den Füßen am Boden bleibt. Denn wie lange hat man als Musiker wirklich Erfolg? Bands wie die Rolling Stones sind die Ausnahme. Aber ich sehe das alles vielleicht wie ein Bergbauer…

Maria lacht 

Letzte Frage: Euer größter Wunsch für die Zukunft ist…

Roland: Gesundheit. Nur dann können wir das machen, was wir machen. 

Maria?

Maria: Auch… voll kreativ, oder? (lacht) 

Alle Fotos: Me + Marie, by Lorraine Hellwig

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