Culture + Arts > Visual Arts

March 21, 2016

Innsbruck goes International: please forget who you are!

Barbara Unterthurner

Was bin ich? Wer bin ich? Was ist das wahre Ich? Don’t worry, franz muss nicht zum Psychiater und hat keine existenziellen Probleme. Das sind vielmehr die Fragen, die sich die diesjährige Innsbruck International Biennal of the Arts von 10. bis 20. März 2016 gestellt hat. Doch wer glaubt, es ging lediglich um ernste Gretchenfragen (aufpassen, ganze zwei Kloster wurden als Orte bespielt), der fehlt weit. Thematisiert wurde vielmehr das ganze Große und das ganze Kleine, die Stadt und die BesucherInnen selbst, die sich in Veränderung befinden.
In Veränderung empfunden ist auch die Veranstaltung selbst: Vom The Soap Room organisiert und 2013 bereits abgehalten, soll sie ab 2016 nun alle zwei Jahre, wie alle großen Biennalen der Welt, stattfinden.
Bei der Wahl des diesjährigen Themas stand schon bald fest, dass die KünstlerInnen mit Arbeiten zum Thema des eigenen Ichs in der Gegenwart vorgestellt werden sollten. Aus Ermangelung einer griff-festen Erklärung, was denn das “Ich” heute sei, entstand das Leitmotto “Je,… / I,… / Ich,…”. Denn, so Biennaleleiterin Tereza Kotyk, finden auch in dieser Thematik ständig Verschiebungen statt. Was ist denn etwa dieses neue Ich, das in sozialen Netzwerken ständig aktualisiert, verworfen und neu konstruiert wird? Welche Beständigkeit hat es? 

Das Schwanken des eigenen Ichs wurde etwa im Upcycling Studio mit den Fotografien von Linda Fregni Nagler ergründet (die Fotos zeigen auch ProtagonistInnen, die im wahrsten Sinne des Wortes vor Abgründen schwanken) oder in den zarten Zeichnungen von Rachel Goodyear in der Galerie A4 erforscht. Lois Weinbergers Arbeiten, die an mehreren Stationen zu sehen waren, übertragen das Ich zusätzlich ins Kollektive und in die Natur. Damit bekommt das Projekt auch die Brücke zur Identität dieses kollektiven Raums, der Stadt, die es ständig neu zu befragen gilt. So sollten etwa vor allem unbekannt oder schwer zugängliche Orte bespielt werden. Und dann verhält es sich so, dass man im Kreuzgang des Servitenklosters nach dem goldenen Spinnennetz von Catherine Bertola sucht (und es im Idealfall auch entdeckt) und sich zugleich in einer neuen Umgebung befindet. 

Ähnlich ist es im Apothekenmuseum oder in der Einsiedelei im Kapuzinerkloster. Was die zeitgenössischen Arbeiten hier mit den historischen Räumen machten, ist überraschend unkonventionell. Denn die meisten Werke, die ausgestellt waren, punkteten mit Subtilität und deswegen mit einer poetischen Atmosphäre (unter anderem auch bei Heidrun Sandbichler, die zusätzlich die International Special Recognation bekam). Alles andere als subtil sind die Arbeiten im Großen Burghof, wo die Foreman Brothers zum künstlerisch überladenen Zirkus-Theater laden. Ebenso präsent war die großartige Arbeit von Matt Strokes, die im Musikpavillon inmitten vom Hofgarten zu sehen (oder vielmehr zu hören) war. Der Künstler beschallte hier auf fünf Bildschirmen mit Metalcore-Stimmen, die zusammen und ohne musikalische Begleitung einen ganz eigenen Rhythmus finden. An dieser Station fand mit der Intensität und Körperlichkeit der Metalcoresänger im Innern und den schachspielenden Senioren rund um den Pavillon wohl die schönste Eingriff in den Alltag der Stadt Innsbruck statt.

Genau so etwas soll diese Biennale ja auch bieten: einen neuen Blick auf die Umgebung und auf das Ich. Die Kunst bringt uns an ungewöhnliche Orte; nicht nur rein mental, sondern in Innsbruck (Mitte März) auch physisch. Mit einem Stadtplan ausgestattet konnten alle BesucherInnen die Stadt und mithilfe der ausgestellten Arbeiten auch sich selbst er-spazieren. Oder wie Pipilotti Rist es in einem Video, das auf der Biennale gezeigt wurde, sagt: “We are on the way to find you, so please forget who you are!”

Foto: Matt Strokes @ Musikpavillon (c) Innsbruck International

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There are no comments for this article.