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February 2, 2016

Francesco Vezzoli – “ein bisschen Heiliger, der seine frohe Botschaft verkündet”

Christine Kofler

Als Prince of Charme wurde er betitelt, weil er Hollywoodstars, die in seinen Videoproduktuionen auftreten sollten, angeblich gigantische Blumensträuße schickte, um sie von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Die Kunst der Verführung scheint der im Jahr 1971 geborene Francesco Vezzoli zu beherrschen: Für seinen Fake-Werbespot Greed arbeitete er mit Michelle Williams, Natalie Portman und Roman-Polanski zusammen, für seine Arbeit Democrazy kamen die Schauspielerin Sharon Stone und der französische Autor Bernard-Henri Lévy zum Handkuss. Neben der Zusammenarbeit mit den Stars und Sternchen Hollywoods  machte Vezzoli, der heute als einer der bedeutendsten italienischen Künstler gilt, durch Werke von sich reden, die mit viel Lust am Spiel cineastische Ikonen dekonstruieren. Die Dekonstruktion von Macht- und Wertesystemen sind das Steckenpferd des Künstlers. Er selbst weiß natürlich um seine eigene Rolle auf dem Feld der Kunst und lässt das Spiel mit dem eigenen Bild wiederum in der für die Postmoderne typischen autoreferenziellen Manier in seine Werke einfließen. Gegen das System kämpfen will er nicht, schließlich sei er kein Moralist, meinte er einmal in einem Interview – aber er will ehrlich mit seiner Rolle umgehen. 

Nach Ausstellungen im New Yorker MOMA und  in der Londoner Almine Rech Gallery eröffnete Francesco Vezzoli am Freitag, den 29. Jänner 2016 in Bozen gemeinsam mit Museion-Direktorin Letizia Ragaglia das Ausstellungsprojekt “Mueso Museion”. Während im vierten Stock eine Retrospektive seines bildhauerischen Werks zu sehen ist (bis 16.5.2016), setzt Vezzoli in den mittleren Stockwerken des Museions als Gastkurator Werke der Sammlung Museion in Szene, indem er ihnen wortwörtlich einen neuen Rahmen verpasst (bis 6.11.2016). Vezzoli betonte die große Freiheit, die er in der Gestaltung hatte und die er sehr genossen habe. Die Zusammenarbeit zwischen Museion-Direktorin Letizia Ragaglia und Francesco Vezzoli hat augenscheinlich beiden Spaß gemacht, es wird viel gelacht, als die beiden bei der Eröffnung die Presseleute durch die gelungene Ausstellung führen, die sich über vier Ebenen zieht. Der internationale Shootingstar Vezzoli nimmt seine Arbeiten natürlich ernst. Und doch hat man auch das Gefühl, er würde nicht alles so ernst nehmen, als dass ihm die glamouröse Kunstwelt über seinen schönen Kopf wachsen könnte. Francesco Vezzoli hat feine Gesichtszüge, eine weiche Stimme und haselnussbraune Augen mit dem offenen Blick eines Schelms. Prince of Charme scheint irgendwie ganz passend. Francesco Vezzoli Museo Museion Letizia Ragaglia © franzmagazineFrancesco Vezzoli, im aktuellen Ausstellungsprojekt “Museo Museion” hast du gleich zwei Rollen eingenommen – jene des Gastkurators und jene des Künstlers. Wie kamst du damit zurecht, gleichzeitig beide Rollen innezuhaben?

Es war sehr unterhaltsam. Mein Assistent Filippo hat mich bei der ikonografischen Recherche und bei den Trompe-lœil-Rahmen unterstützt, während ich mich vor allem mit der Auswahl der Werke beschäftigt habe. Wie ich vorher während der Eröffnung gesagt habe, könnte man das Ganze, etwas überspitzt und scherzhaft, so zusammenfassen: Letizia hat die Geschichte meiner Skulpturen kuratiert und ich habe die Geschichte des Museions kuratiert und beides trifft sich im “Museo Museion”. Sie ist Museion und ich bin Museo, aber sie macht aus meinem Museo ein Museion und ich mache aus ihrem Museion ein Museo. (lacht)

Welche ist die Rolle des Künstlers in der Gegenwart?

Oh… puh, eine große Frage. Die Rolle des Künstlers in der Gegenwart ist jene, etwas ehrlicher in Bezug auf seine Rolle zu sein. Die Rolle des Künstlers wird ja nicht nur von ihm bestimmt, also von jenem, der schöpferisch tätig ist, sondern auch vm Kontext, in dem er arbeitet, von der Kunstindustrie. Was war die Rolle eines Regisseurs im Jahre 1890? Es gab noch keine Kinoindustrie, keine feste Struktur, so war seine Rolle eine relative, eine experimentelle. Was war die Rolle des Regisseurs 1980? Eine komplett andere. Ein Film, der möglicherweise von einer Milliarde Menschen gesehen wird, kann die Welt verändern, beeinflusst das Denken von zahlreichen Personen. Die Künstler von heute sind noch immer an die Rolle des Künstlers vor einigen Jahrzehnten gebunden. Die Museen heute, nicht unbedingt das Museion, aber der Großteil der bekannten Museen in den großen Städten sind Teil einer Industrie, Unternehmen ähnlich. Tausende BesucherInnen kommen in Ausstellungen, die professionell beworben werden. – So ist auch die Rolle des Künstlers heute eine sehr viel öffentlichere. Der Künstler muss sich anpassen, ob er will oder nicht. Er kann nicht so tun – wie soll ich sagen – als würde er in einem bekannten Museum “landen” und als würde er sich in einem exklusiven, geschützten Raum befinden. Diesen geschützten Raum gibt es nicht mehr und so muss sich der Künstler anpassen und eine stärkere Stimme haben. 

Auch du bist eine öffentliche Person, die in den italienischen Medien sehr präsent ist. Gibt es heute noch Platz für eine langsame Entwicklung des Künstlers, ein Erkunden – oder muss man laufend produzieren, um vom Markt und vom öffentlichen Diskurs nicht vergessen zu werden?

Nein, ich nehme mir schon die Zeit, die ich brauche. Auch Interviews sind für mich eigentlich angenehme Momente, die mich zum Nachdenken bringen. Mein Schaffen ist ziemlich limitiert, ich habe keine Werkstatt, ich habe nur einen Assistenten, keinen praktischen, sondern einen “intelektuellen” Assistenten. Das war eine bewusste Wahl. 

Du hast kein Studio – in Mailand oder anderswo?

Nein, ich bin immer unterwegs. Ein bisschen wie ein Heiliger, der seine frohe Botschaft verkündet. (lacht)

Warum bist du Künstler geworden?

Mah, ein wenig auch durch Zufall. Auch wenn ich jetzt wie jene Schauspielerinnen klinge, die im Interview sagen, sie seien zufällig in das Vorsprechen gestolpert. Ich wollte raus aus der Provinz, weg von Brescia nach London, um dort am Central Saint Martins College zu studieren. Saint Martin war für mich das Symbol der Kunst, der Mode. Mich interessierte das, was vom Punk übrig geblieben war – Vivian Westwood, Malcolm McLaren, Derek Jarman, diese ganze Welt. Also bin ich nach London, kam mit den young british artists in Kontakt, eine damals extrem lebendige Szene. Ende der 80er-Jahre wurde mir dann klar, dass ich auch meine eigene Stimme entwickeln wollte. Diese drückte sich dann auf dem Feld der Kunst aus. Ich denke, jeder wählt ein Feld, in dem er seine Stimme entwickeln und ausdrücken kann. Welchen Bereich du wählst, hängt davon ab, wie laut deine Stimme sein soll – und manche möchten sehr laut sein. Je lauter und stärker sie jedoch ist, umso größer ist die Gefahr, dass sie irgendwann versagt, genauso wie die echten Stimmen. Dass sie sich aufbraucht und verschleißt, wie jene der Maria Callas.  

Fotos: © Christine Kofler/franzmagazine

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There is one comment for this article.
  • renu von Bifamo · 

    I saw yesterday a film about the artist Vezzili at the villa dauber and a women with the name Stephanie Parker key inside and said he died?
    But no info in the news
    Is it true?
    I m series never criminell have 3 diploma
    Reni Von Bifamo