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January 12, 2016

Daniel Graziotins Dissertation über die Gemütszustände von Nerds

Kunigunde Weissenegger

In gewisser Hinsicht hat er sich selbst untersucht. – …vielleicht weil er mit dem ewigen Gerücht aufräumen wollte, Programmierer und Softwareentwickler seien bloß gefühllose Nerds oder Unmenschen…? Jedenfalls hat er sich sozusagen in die Hirne besagter gehackt, darin gegraben und versucht zu erörtern, in welchem Affekt sie arbeiten und wie sich ihre Gefühle auf ihre Arbeit auswirken. “Towards a Theory of Affect and Software Developers’ Performance” ist der Titel der Dissertation, die Daniel Graziotin am 12. Jänner 2016 an der Fakultät für Informatik der Uni Bozen vor dem Publikum und besonders vor der Fachkommission verteidigt hat. 

Da das Programmieren seit jeher als intellektuelle Arbeit betrachtet wurde, die nicht durch Gefühle beeinflusst wird, und es im Fachbereich der Softwareentwicklung bisher keine seriöse Studie gab, widmete der 28-jährige Bozner drei Jahre Forschungsarbeit diesem neuen Forschungszweig, der als psycho-empirische Softwareentwicklung definiert wird. In dieser Zeit hat der Forscher und Softwareentwickler in etlichen Fachzeitschriften für Informatik und Psychologie publiziert und an diversen Fachkonferenzen teilgenommen. Sonst ist er übrigens noch Mitherausgeber des “Journal of Open Research Software”, akademischer Herausgeber des “Research Ideas and Outcomes (RIO) Journals” und Koordinator der Italian Open Science Group Bolzano.  

In seiner Theorie  beschreibt Daniel Graziotin die Verquickung von Psychologie und Informatik, die Verbindung zwischen Gemütszustand und Leistungsfähigkeit, zwischen Affekt und analytischer, lösungsorientierter Programmierarbeit und den Prozess, welcher dieser Verbindung zugrunde liegen. Bevor er für die nächste Forschungsarbeit nach Stuttgart zu Prof. Stefan Wagner abhaut, haben wir beim Umtriebigen nachgefragt, wie das denn nun ist, mit dem Gemütszustand beim Programmieren…

Daniel, herzliche Gratulation! Klär uns ein wenig auf: Worum geht’s in deiner Dissertation und wie ist es dazu gekommen?

Danke für die Glückwünsche! Meine Dissertation ist eine Gesamtheit von verschiedenen Forschungen, die zusammengefügt als Output eine wissenschaftliche Theorie ergeben. Diese Theorie schafft eine Verbindung zwischen dem Affekt der Softwareentwickler und ihrer Leistung während der Programmierarbeit. Die Idee für diese Forschung ist mir gekommen, weil es in meinem Fachgebiet, dem Software Engineering, schwierig ist Leistung zu definieren und die bisherigen Mittel, sie zu messen, nichts Menschliches beinhalteten. Software Development ist jedoch ein sehr menschlicher Akt! Also habe ich beschlossen, mich intensiver damit zu beschäftigen.  

Wo treffen sich die beiden Bereiche Informatik und Psychologie? 

Am Anfang meines PhDs konzentrierte ich mich sehr auf die Psychologie, da ich deren Theorien und Herangehensweisen verstehen wollte. Dann, während wir die Experimente durchführten, habe ich dieses Wissen über Psychologie für den Bereich Software Engineering “übersetzt”, damit auch künftige Forschungen beider Disziplinen meine Ergebnisse nutzen können.  

Bisher wurde das Programmieren als intellektuelle Arbeit betrachtet, die nicht durch Gefühle beeinflusst wird… Sind Softwareentwickler also doch Menschen mit Gefühlen? 

Das Problem ist, dass mein Fachgebiet immer schon sehr theorien- und studienlastig war und es als selbstverständlich galt, dass Softwareentwickler rational handelten beziehungsweise Roboter wären. Das “Problem” ist, dass Softwareentwicklerinnen und -entwickler tatsächlich Menschen sind! Zur Bestärkung eines kleinen Forschungszweigs, der die menschliche Seite von Softwareentwicklern studiert, stützt sich diese Dissertation auf die Psychologie. 

Was ist nun deine Theorie?

Das ist eine sehr schwierige Frage – die Antwort darauf sind 250 Seiten Dissertation : ) Die Ergebnisse meiner Untersuchungen bestätigen “das Naheliegende”: Glückliche Softwareentwicklerinnen und -entwickler sind leistungsfähiger, aber diese Ergebnisse waren für die Vorstudie nicht naheliegend. Meine Theorie erklärt ausserdem auch, wie die beiden Phänomene Affekt und Leistung miteinander verbunden sind, und sie wird vor allem bei künftigen Studien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsumgebung sowie der Dynamik von Teamarbeit nützlich sein. 

Wie geht’s weiter bei dir?

Hervorragend, danke! – In den letzten Monaten habe ich mich auf die Verteidigung der Dissertation vorbereitet, auch an anderen, nicht an die Dissertation gebundenen Projekten weitergearbeitet, Konferenzen organisiert und Arbeitsangebote evaluiert. – Nun bereite ich alles für den Umzug nach Stuttgart vor, wo ich ab Mai an der Universität arbeiten werde. Ich bin sehr gespannt darauf, in eine Stadt zu ziehen, die aufgeweckter als Bozen ist, und in ein Land, das Forschungsarbeit sehr fördert und schätzt.

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