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November 6, 2015

When Harry met… Furniture

Maximilian Mayr

Harry Thaler gehört zu den derzeit erfolgreichsten und aufregendsten Designern, die unser Land in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Bei seinen Arbeiten trifft Südtiroler Bodenständigkeit auf kreatives Können; Alltagsgegenstände auf Innovation
Dabei ist der 1975 in Meran geborene Produktdesigner eigentlich gelernter Goldschmied. Nach mehreren Stationen in Wien, Pforzheim und Bozen, entschied sich Harry zu einer Karriere im Designbereich und begann ein Studium am prestigeträchtigen “Royal College Of Arts” in London. Die Stadt wurde zu seinem Lebensmittelpunkt.
Es war der Einfluss der Metropole London, die Harry auf die Idee zu  seinem, bisher, bekanntesten Produkt  gebracht hat – dem Pressed Chair, einem Stuhl, geschnitten aus einem einzigen Teil Blech. Kompakt, bodenständig, genial – ein Harry-Thaler-Produkt eben.   

Mit diesem Möbelstück beginnt die steile Karriere des Meraner Ausnahmetalents: Auszeichnungen und weitere Aufträge folgen. Mittlerweile pendelt Harry zwischen London und seiner Heimatstadt Meran, wo er in naher Zukunft ein altes Silo zu seinem neuen Studio umfunktionieren wird. Mit uns hat sich der sympathische Produktdesigner im Pur Südtirol in Bozen zum Interview getroffen – einem Ort, den Harry maßgeblich mittgestaltet hat – und über seine Produkte, seine Inspiration und die Heimat Südtirol gesprochen.

Wie kommt man als Goldschmied zum Produktdesign? 

Ich habe zehn Jahre als Goldschmied gearbeitet, doch die Dinge sind mir mit der Zeit zu klein geworden. Meine Leidenschaft für das Produktdesign ist entstanden, als ich in Pforzheim eine Ausbildung für Schmuckgestaltung  gemacht habe. Das war der Funken, um diesen Weg einzuschlagen.  

Wie ist die Idee zum “Pressed Chair” entstanden?

Als ich nach Bozen an die Uni bin, um dort Design zu studieren, bin ich mehrere Male bei einer Prüfung durchgefallen und habe dieses Studium dann auch abgebrochen. Irgendwie wollte ich aber trotzdem weiter studieren und habe mich schließlich in London am Royal College Of Arts eingeschrieben und mein Masterstudium gemacht. Dort ist die Idee für den Stuhl entstanden, der schließlich zu meiner Master-Abschlussarbeit wurde. Die Grundidee war, einen Stuhl aus einem einzigen Blechteil herzustellen. Der Pressed Chair ist zu 100 % aus Aluminium, was dem Schmuck sehr naheliegend ist. Ohne die Ausbildung zum Goldschmied wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, den Stuhl so zu kreieren. Ich habe ja selbst zehn Jahre Blech gebogen – in kleineren Formen natürlich.PRESSED CHAIR by Harry ThalerWas ist so besonders an diesem Stuhl?

Der Stuhl wird aus einem Quadratmeter Blech gemacht, das 2,5 mm dick ist und dabei nur 2,5 kg wiegt. Die Form des Stuhles wird aus dem Blech ausgefräst; in flachem Zustand sieht das aus wie ein kleines Männchen, das seine Stabilität durch eine Rille erhält. Er hat keinerlei Schrauben oder andere zusätzliche Materialien nötig und ist zu 100% recyclebar.  

Welche Materialien verwendest du bei deinen Produkten? Warum?

Ich habe keinen Favoriten. Das hängt vor allem vom Willen des Kunden oder dem brief ab. Klar verwende ich gerne Metall, was auf meine Laufbahn als Goldschmied zurückzuführen ist. Ich versuche immer ehrliche Produkte zu verwenden – Dinge, die man vielleicht recyceln kann.  

Zwei Namen fallen in deiner Biographie besonders auf: Nils Holger Moormann und Martino Gamper. Welches Verhältnis hast du zu diesen beiden Menschen? Inwiefern sind sie wichtig für dich? 

Moormann ist der Möbelproduzent, der meinen Stuhl in seine Kollektion aufgenommen hat und heute produziert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er auf der Design-Messe in Köln auf mich zugegangen ist. Bis dahin kannte ich ihn nur vom Sehen her. Er kam auf mich zu und hat mich zu sich nach Aschau im Raum Bayern eingeladen, wo der Stuhl auch seit 2011 produziert wird.
Ich habe dann schließlich  auf der Messe einen Preis gewonnen. Das war für mich eine tolle Sache – einmal den Preis zu gewinnen und andererseits die Tatsache, dass Firmen Interesse zeigen und dein Produkt produzieren wollen.  Überzeugt hat mich an Moormann vor allem, dass seine Produkte ausschließlich in Bayern im Umkreis von 200 km produziert werden. Vom Typ her ist er ein ganz einfacher Mensch, mit dem ich mich gleich verstanden habe.
Zur Person Martino Gamper: Bei ihm habe ich während meines Studiums in Bozen ein Praktikum in London gemacht. Er hat mich immer wieder angerufen und gefragt, ob ich Zeit habe zu ihm zu kommen – eine Woche, 2 Wochen – und wir sind dann ziemlich viel umhergereist, wie etwa nach Chicago oder Paris, wo wir unter anderem seine Installationen aufgebaut haben. Dabei ist eine super Freundschaft entstanden. Als es in Bozen nicht geklappt hat, bin ich nach London, wo ich bei ihm und seiner Frau wohnen durfte. Ich finde seine Arbeiten überaus spannend und wir arbeiten auch gelegentlich zusammen, wie etwa beim Projekt “fromto”, wo internationale Designer eingeladen wurden, mit Handwerkern im Veneto zusammenzuarbeiten. 

Welchen Einfluss haben deine Südtiroler Wurzeln auf dein Schaffen?

Ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es ist kein Einfluss vorhanden. Im Interieur-Bereich sind sicher Einflüsse zu erkennen. Die von mir kreierte Sitzbank “flip side“  ist ein gutes Beispiel dafür: Ich war dabei von einer klassischen Bauernbank inspiriert, die man früher auf der Alm oder vor dem Haus stehen hatte.harry thaler - flip sideDu nimmst häufig Alltagsgegenstände her, die du auf eine andere Art wieder erfindest, wie zum Beispiel die Apfelkisten, die du zu einem Regal oder einer Stellage zusammen schraubst, oder auch die Glühlampe hang it on the wall“, die du durch ein Loch im Glas an eine Wand hämmerst. Was kannst du uns darüber sagen?

Das ist eher Zufall bzw. habe ich Alltagsgegenstände früher häufiger verwendet als heute. Bei “hang it on the wall” wurde uns Studierenden an der Uni die Aufgabe gestellt, uns Gedanken über Edisons Glühbirne zu machen, die 2009 außer Produktion ging. Ich habe mir gedacht, dass das ein wunderbares Objekt ist. Viele trauern der Glühbirne auch heute noch nach, da sie ein tolles Licht macht. Der Gedanke war “etwas an den Nagel zu hängen”, wie etwa ein Fußballspieler sagt, “ich hänge meine Karriere an den Nagel”. 
Bei den Apfelkisten hat mich Pur Südtirol gefragt, ein solches Produkt anzufertigen. Der Kunde hatte bereits ein Grundkonzept: Es ging bei Pur um Südtiroler Produkte, da schien mir die Verwendung von Apfelkisten ideal.  

Wo liegt deine Inspirationsquelle, in London oder Meran?

London hat solch eine Vielfalt. Es ist eine Metropole, wo im kreativen Bereich so einiges passiert und von KünstlerInnen Unglaubliches geschaffen wird. Es gibt so viel Einfluss, das bereichert den kreativen Prozess sehr. In Südtirol wird man das auch finden, aber viel weniger. Hier gibt’s 10 Ausstellungen, in London 10.000 und der ganze Austausch ist ein anderer mit einer völlig unterschiedlichen kreativen Szene. Dort passiert alles viel schneller.

Bist du in London mittlerweile auch heimisch geworden? 

Ich bin mit London sicher sehr vertraut. Klar bin ich in Meran aufgewachsen und mit seiner Geburtsstadt hat, glaube ich, jeder einen ganz besonderen Bezug. Gleichzeitig könnte ich aber nicht sagen, dass ich in London zu Hause bin oder in Meran. Heimat ist für mich etwas, wo man sich wohl fühlt, abgesehen vom Boden. Das kann in New York, dem Veneto oder dem Passeiertal sein.  

Was findest du an der Südtiroler Kulturszene gut, was nicht?

Ich finde die Südtiroler Kulturszene sehr interessant. Es wird sehr viel getan hierzulande. Vor allem das Museion und die Universität Bozen haben dazu viel beigetragen, aber auch die Grödner Holzschnitzer. Wenn man will, kann man jeden dritten Tag zu einer Ausstellungseröffnung gehen. Ich muss aber auch sagen, dass ich es sicher schwerer gehabt hätte, mir einen Name zu machen, wenn ich nicht nach London gegangen wäre. Harry Thaler - pressed chairWie bereits erwähnt,  arbeitest du häufig mit Projekten, wie “FROM the designer TO he artisan” zusammen, bei denen Handwerkskunst eine tragende Rolle spielt. Wie wichtig ist dir Handwerk in deinem künstlerischen Schaffen? 

Ich war ja 10 Jahre selbst Handwerker und mein Arbeitsprozess verlangt immer wieder einen engen Dialog mit Handwerkern, zum Beispiel um einen Prototypen zu produzieren. Ich glaube auch, dass der Austausch mit Handwerkern  wichtig ist. Jeder einzelne Handwerker hat ja ein spezifisches Knowhow, weil er mit seinen eigenen Händen arbeitet. Ich glaube, das kann man auch nirgends nachlesen. Diese Zusammenarbeit finde ich interessant, denn dabei kommen meist die tollsten Sachen heraus. Ich mache das lieber, als alleine im Kämmerchen zu sitzen und etwas auszutüfteln. Austausch ist sehr wichtig, das habe ich bei meinem Studium in London gelernt.

Aus einem Interview habe ich erfahren, dass es dein Traum wäre eine Brücke zu designen. Warum?

Wie schon beim “Pressed Chair” fasziniert mich daran die Statik. Mit sehr wenig Material entsteht etwas Stabiles. Natürlich wäre eine Brücke zu designen ein viel aufwendigeres Unterfangen als bei einem Möbelstück – aber man soll ja nie aufhören nach den Sternen zu greifen.

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