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November 4, 2015

“Babe! Wir müssen alle Künstler werden!” Premierentage 2015 in Innsbruck

Barbara Unterthurner

Premierentage, die Siebzehnte (!): 3 Tage lang, von 5. bis 7. November 2015, öffnen 22 Innsbrucker Kunst- und Kulturinstitutionen Tür und Tor und laden bei kostenlosem Eintritt und verlängerten Öffnungszeiten zu Ausstellungen nationaler und internationaler Gegenwartskunst. [Das gesamte Programm mit Premieren, Performances, Workshops, Gesprächen, alle teilnehmenden Institutionen und KünstlerInnen findest du hier: premierentage.at/2015.] Ein Gespräch mit Anna Fliri, neben Charly Walter eine der OrganisatorInnen der Premierentage 2015, über das kulturschaffende Innsbruck und wie es jedes Jahr neue Wege zur Kunst findet.  

Premierentage? Schon wieder eines unter vielen Kulturfestivals? 

Definitiv nicht. Immerhin können sich die Premierentage doch einziges Kunstformat für Innsbrucks Institutionen schimpfen, das darauf ausgelegt ist, nicht nur Plattform zu sein, sondern auch Inhalte zu besprechen. Als Kunstvermittlungsprojekt.

Jetzt sind wir schon mittendrin, sollten wir zuerst klären, was die Premierentage überhaupt sind?

Auf jeden Fall, zuerst zur Geschichte: die Premierentage gibt es in Innsbruck bereits seit 1998; seit 2013 besteht auch der Verein dazu, mit dem über Mitglieder und Abläufe abgestimmt wird. Mitmachen können Institutionen unterschiedlicher Art und Weise – was alle eint, sind besondere Programmpunkte (Ausstellungseröffnungen, KünstlerInnengespräche, Führungen, Performances, Diskussionen) und gemeinsame Öffnungszeiten. Seit zwei Jahren, natürlich unter Einfluss der Organisatoren, haben sich die Premierentage dahin entwickelt, wie sie sich heute präsentieren: vor allem als Kunstparkour. Premierentage 2015 – Micha WilleDas heißt Kunst soll spazierend erfahren werden?

Das ist sicherlich ein Nebeneffekt; es geht uns tatsächlich darum, die vielen kleinen Institutionen, egal ob kommerziell oder independent, zu vernetzen und ein Wochenende zu finden, an dem alle zusammenarbeiten, im Sinne der zeitgenössischen Kunst. Und der Vermittlung. Wir nützen dabei natürlich den Vorteil, dass die Institutionen alle zu Fuß erreicht werden können und haben das Programm demnach gestaltet. An drei Tagen sind über den Tag verteilt verschiedenste Veranstaltungen zu besuchen, mit insgesamt 22 teilnehmenden Institutionen möchten wir die zeitgenössische Kunst feiern.

Für mich ist es sehr auffällig, dass man in der Gegenwart oft über den Festivalcharakter kommuniziert. Gerade im Bereich der zeitgenössischen Kunst wird es hier schwierig zwischen den Kategorien zu unterscheiden. Manchmal scheint alles Fest…

Natürlich möchten auch wir eine gemütliche, unterhaltende Zusammenkunft schaffen, allerdings ist uns auch das Sprechen, Abwägen und Hemmschwellen-Brechen innerhalb der Kunst sehr wichtig. Das funktioniert feiernd aber auch diskutierend. Gerade um Hürden zu überwinden versuchen wir auch unabhängige Insider ins Boot zu holen, die im Format der ExpertInnenführung BesucherInnen einladen, mit ihnen durch die Ausstellungen zu wandern und direkt Fragen zu stellen. Mit dabei sind heuer Edelbert Köb, der unter anderem Professor an der Akademie in Wien, Präsident der Wiener Secession aber auch Gründungsdirektor des Kunsthaus Bregenz war und zuletzt Direktor des Museums Ludwig in Wien. Also durchaus eine klassische Position eines Museumsdirektors. Ihm gegenüber stehen aber ebenso spannende Personen wie Verena Konrad, die als Kuratorin sowohl in der Galerie im Taxispalais als auch in der Kunsthalle Wien tätig war und jetzt Direktorin des Vorarlberger Architektur Instituts ist. Als dritten “Experten” haben wir dann noch den Quereinsteiger Marcello Farabegoli eingeladen, dessen Lebenslauf sehr spannend ist und der als freier Kurator tätig ist – und außerdem Südtiroler ist und unsere grenzübergreifenden Ansätze betreuen wird: einerseits Martino Gamper in der Galerie Rhomberg und andererseits Andrea Mori in der Galerie Km0.

Anhand dieser ExpertInnen, die Führungen durch verschiedene Ausstellungen machen, fällt doch auf, dass ihr die Fühler auch ins Ausland ausstreckt und keinesfalls nur in Innsbruck verharrt. Wäre es möglich, dass sich auch das Format der Premierentage mal von Innsbruck entfernt?

Natürlich ist das ein Wunschdenken. Man möchte gerne auch Personen von außen ansprechen, wir haben uns auch in unserer Aussendung und mit Medienpartnern bemüht, nicht auf Innsbruck sitzen zu bleiben, sondern auch Eindrücke von außen zu sammeln, konkret nach Süd- und Osttirol, nach Vorarlberg und in den Norden zu blicken. Trotzdem ist und sollte es ein typisch Tirolerisches Konzept bleiben. Auch das Sujet, auf das ich sehr stolz bin, kommt heuer wieder aus dem Tiroler Raum: diesmal wurde es von Micha Wille gestaltet, einer jungen Künstlerin, die viel mit Sprache arbeitet und den Kunstbetrieb, wie ich finde, auch sehr charmant persifliert.Micha Wille for Premierentage 2015Das Sujet hat mich auch sofort angesprochen, ich finde es generiert viel Aufmerksamkeit und steht mit seiner lockeren Art auch für die Konzeption der Premierentage. 

Richtig. Es räumt ein wenig mit der abgehobenen, fancy Atmosphäre des Kunstbusinesses auf und holt die große Kunst zurück auf den Boden der Tatsachen. Mit einem Augenzwinkern. Wie sie mit Sprache arbeitet, ist unheimlich spannend und außerdem tat den Premierentagen auch ein Sujet mit Malerei oder Zeichnung im “klassischen” Sinn gut. Es wird für die Premierentage sogar insgesamt drei verschiedene Sujets von Micha Wille geben, die im Programmheft und auf den Plakaten innerhalb der Stadt zu sehen sind und dazu noch ein Trailer, der als Anreiz im Leokino läuft und der das Ganze nochmals auf einen (lustigen) Nenner bringt.

Bei der Durchsicht des Programms fällt auf, dass Innsbruck nicht wie Bozen eine große Institution für zeitgenössische Kunst hat, aber doch viele, wenn auch kleinere, Orte hervorbringt, die die junge Kunst fördern. 

Das ist genau das, was uns auch an den Premierentagen interessiert: das Aufzeigen der Vielfalt. Man hat nicht einen Anlaufpunkt, sondern vielmehr einen ganzes Netz an einzelnen Beiträgen zur zeitgenössischen Kunst. Immerhin sind es 22 teilnehmende Institutionen, die besucht werden können. Um nochmals auf den Parkour zu sprechen zu kommen: die BesucherInnen können dort hingehen, wo sie möchten, und sich aussuchen, welches Thema oder welche_r KünstlerIn sie jeweils interessiert. Es sollte für jede_n etwas dabei sein, auch vermeintlich kunstferne Interessierte sollen genauso wie Insider angesprochen werden. Das Programm der teilnehmenden Institution reicht von der klassischen Ausstellung eines Künstlers bis hin zur Überblicksausstellung (etwa im Kunstraum) weiter zu Performance (unter anderem von Naomi Kashiwagi am Freitag im Soap Room) bis hin zum Kuratorenrundgang (am Samstag im Fotoforum) oder zum Künstlergespräch (zum Beispiel am Samstag in der Galerie im Taxispalais). Daraus ergeben sich ein Netz an unterschiedlichen, persönlichen Eindrücken und ein Querschnitt des Ausstellungsangebots der Stadt. Und…

Und am Donnerstag, 5.11. geht´s los!

Genau, wir eröffnen Donnerstag um 18 Uhr bei Kunst im Gang in der Katholisch-Theologischen Fakultät und schließen das ganze Spektakel am Samstag mit dem Abschlussfest im Künstlerhaus Büchsenhausen.

Und: Müssen wir am Ende dann doch alle Künstler werden – wie Micha Wille im Sujet anregt?

Wir kennen die Antwort – Micha selbst formuliert sie ohne Umschweife: Trottl! 

Und weiter im Zitat: “Und am Schluss müssen dann alle kommen. Das ist der Plan.” 

franzmagazine wird als offizieller Medienpartner live von den Premierentagen berichten, to be continued…

Bilder von Micha Wille

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