Fashion + Design > Design
September 14, 2015
styleconception: Gratwanderung zwischen Design und Bildender Kunst in Innsbruck
Barbara Unterthurner
Es kommt einem vor wie ein verwunschener Ort, wenn man durch die kleine Tür der bunten Fassade ins Innere tritt und man plötzlich in einem Raum steht, der ganz dem Design gewidmet ist. Das Thema Design ist zur Zeit sowieso in aller Munde: Bozen hofierte Martino Gamper, Bozens Designklasse macht mit unterschiedlichen Projekten von sich reden und auch der Nachbarort Innsbruck verfüttert in Sachen Design kleine, angenehme Happen. Einer der Protagonisten in dieser Nordtiroler Szene ist sicherlich Charly Walter, der inmitten eines Innsbrucker Wohnviertels den Designraum styleconception betreibt. Dies seit vier Jahren – das ist selbst für eingefleischte Innsbrucker manchmal (leider) noch eine Neuheit.
Charly Walter verfolgt mit seinem öffentlich zugänglichen Raum ein dreigeteiltes Konzept, das sich aus Büro [styleconception], Schauraum [designart] und Ausstellungsraum [openspace] zusammensetzt: eine Nischeninstitution für die Gratwanderung zwischen Design und Bildender Kunst. Der Galerist und Kreative selbst arbeitet in diesem Gebiet seit jeher; entgegen dem klassischen Architektenberuf versuchte er stets Grenzen zu überschreiten und näherte sich dabei immer mehr dem Design. Gutes Design ist für ihn die wunderbare Vereinigung von Funktionalität und Ästhetik.
Im Kuriositätenkabinett designart. Die Designschiene unter einem kommerziellen Aspekt wird besonders im Schauraum gefahren, wo der Besucher so manche wundersame Gegenstände entdeckt: von der “Ausgehgeldtasche” (aus alten Innsbrucker Stadtplänen zusammengenäht) eines Nordtiroler Grafikers über die “Alten Schachteln” (natürlich Sitzmöglichkeiten) von Peter Sandbichler bis hin zu Objekten von ihm selbst. Alles Kuriositäten, käuflich erwerblich für die Individualisten unter uns.Schauraum designart, Foto: Ch. Rhomberg
In der Wunderhalle openspace. Mehr in Richtung der Bildenden Kunst bewegt sich der Ausstellungsraum, in dem jährlich fünf fixe Ausstellungen gezeigt werden, die allesamt das Konzept des Raumdesigns bedienen. Welche Sparten dabei einbezogen werden, unterliegt dem Künstler selbst. Erst kürzlich schloss die “Intervention” von HNRX, dem 21-Jährigen Sprayer aus Innsbruck, der das aktuelle Stadtbild mit seinen Würstchen und anderen Lebensmitteln verschönert. – Und allerdings unbekannt bleiben möchte. Ein Scrollen durch die vergangenen Ausstellungen im openspace beeindruckt durch den variantenreichen Mix an unterschiedlichen Veranstaltungen: Vom Konzert bis hin zur Modeschau und weiter zur Fotoausstellung – der zentrale Raum ist eine bunte, sich ständig wandelnde Wunderhalle. Der dazu gegründete Verein zur Förderung von Alltagskultur ermöglicht es, KünstlerInnen unterschiedlichster Sparten einzuladen, die alle das Thema des Raumkonzepts vereinigt und die den Raum direkt als Werkstatt für ihre Arbeitsproduktion verwenden oder diesen als solchen über den Haufen werfen.
Das besondere an den Ausstellungen im openspace – sie sind bewusst bisweilen auf wenige Tage angelegt – wirken somit exklusiv und zwingen die Interessierten an genau diesem Tag hinzugehen, bieten dafür aber auch Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen. Unter der Woche ist die Tür mal offen, mal zu. Fixe Öffnungszeiten gibt es nicht. Immer wieder wird auch mitten im Arbeitsalltag eine Ausstellung reingequetscht, weil Anfrage und Kennenlernen zufällig passiert und Spontanität im gesamten Konzept eine große Rolle spielt. Für etwas längere Zeit können die Spuren der KünstlerInnen an der Fassade zu sehen bleiben, wenn sie einbezogen wird und inmitten der Wohnsiedlung einen kuriosen Anziehungspunkt darstellt.Eingangsbereich zwischen Wohnhäusern in der Mentlgasse 12b in Innsbruck. Foto: styleconception
Noch ein Standbein? Das Büro styleconception ist schließlich Herzstück des Dreierraumes, in dem sich der findige Leiter um kreative Projekte auch außerhalb seiner eigenen vier Wände kümmert. So war er damit im Mai 2015 mit einer Präsentation auf der Florence Design Week betraut oder realisiert Projekte mit Swarovski. Was macht Charly Walter eigentlich nicht? Das ist die zentrale Frage bei einem Besuch bei ihm.
Der Raum insgesamt erscheint wie ein ausgewogenes Ganzes zwischen den einzelnen Aspekten des Designs. Einerseits ist es Verkaufsraum, wo jeder, der auf der Suche nach etwas Einzigartigkeit in alltäglichsten Objekten ist, hier an der richtigen Adresse klingelt. Das bringt die Wirtschaftlichkeit des Designs mit ein. Zweitens ist mit dem Ausstellungsraum ein großer Anteil an Experiment und Zufall dabei, der Kreativität fördert und einen Platz dafür zur Verfügung stellt. Ästhetik und Funktionalität von Design werden etwa in Form von Graffiti oder Fotografie hier ausgelotet. Und drittens ist es das Hinaustragen in die Welt, die dem Design im Sinne von Massenproduktion auch innewohnt.
Was in jedem Fall festgehalten werden muss, ist die private Initiative eines Künstlers, der versucht, mit dem sich ständig wandelnden Raum einen kulturellen Hotspot zu schaffen – abseits von Gewohnheit und Tradition. Individualität und Spontanität lassen mitten im Grünen und zwischen Wohnhäusern einen bunten Ort der Kreativität hervor schlüpfen, der auch für alle Nicht-(Inns)Brucker als Geheimtipp im Hinterkopf behalten werden muss (Mentlgasse 12b merken!) und dessen Veranstaltungen man in jedem Fall verfolgen sollte.
Was in Zukunft geschehen wird? Die nächste Ausstellung (Fotografie von Martina Matuella) wird am 18. September 2015 eröffnet, ein Konzert von Walter Reitinger fand am 12. September statt. Und natürlich steht das Jahresprogramm 2016 bereits grob, aber Charly ist immer bereit für spontane Funken und könnte sich auch Zusammenarbeiten mit dem designaffinen Bozen vorstellen… – Interessierte vor.
Aufmacherfoto: Ausstellungsraum openspace, Ausstellung HNRX, Juni 2015. Foto: günther richard wett
Comments