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August 28, 2015

MOUNTAIN SOUL
Sonnentanz am Laugen

Anna Luther

Szenenwechsel in die Berge, Schutt und Stein das Bühnenbild: Die Mobilität ist hier stark herunter gefahren, E-Mails und Menschen brauchen erheblich länger, sich fortzubewegen als in eng bebauten Landflächen. Das wissen auch die BewohnerInnen der Laugenalm: Ihr Alltag spielt sich zwischen wiederkäuenden Kühen und internationalem Wandervolk ab. 

Als ich abends bei Regenwetter an ihre Tür klopfe, ist die meiste Arbeit bereits getan. Die Zeit der Muße ist gekommen, Gitarre, Brettspiele und jede Menge Gesprächsstoff warten – vom geeigneten Ballkleid bis hin zu philosophischen Überlegungen. Und eine regennasse Journalistin mit Loch im Magen – die Kellnerin und der Hirte empfangen mich etwas überrascht, die Teller ihres Abendessens stehen noch. 

Und sitzen wir dann so in der Stube, entdecke ich ihr Leben. Der Hirte, der seine über fünfzig Kühe alle beim Namen kennt, hat sogar per USB-Stick Internet-Anschluss, um für seine Nachprüfung auf Youtube zu lernen. Die Kellnerin aus Kaltern freut sich, endlich mal keinen Handy-Kasten als Hobby zu haben. – Die Alm ist den ganzen Sommer lang ihr Lebensraum. Mal eben schnell läuft hier gar nichts. Laugen Gampenpass Mountainsoul Anna Luther_Die Widerspenstigkeit der Natur und die Entfernung anderer Häuser scheint sie nicht zu stören. Auch ich lasse mich in ihren Rhythmus fallen und diskutiere schon bald mit dem Wirt über Journalismus. Er ist nämlich, nachdem er die Milch hinunter gebracht hat, plötzlich mit einer zweiten Kellnerin im Schlepptau im Türrahmen aufgetaucht. 

Nach einer Nacht auf Kuhfutter in der Scheune, zugedeckt mit jeder Menge Decken, lockt der Laugen-Gipfel in die Höhe und zum Verlassen der Alm. 
Die Atmosphäre der Natur in ihrer originalen Form gibt nun der Selbsterfahrung neuen Raum, beinahe schon identitätsstiftend ist das von der Morgensonne goldgefärbte Landschaftsbild. Verstörende Ruhe bricht über mich herein, wo ist all die Spannung hin?  

Was in mir als von Bergketten gesäumter Horizont Harmonie hervorzurufen vermag, ist jedoch keineswegs Stillstand. Sogar die Berge ändern sich. Verschiebungen der Erdkruste lassen sie wachsen und Regen spült Schutt hinab. Die Mobilität der Gebirge ist der unseren wohl weit unterlegen. 

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