Sehnsüchtige, verwirrende Geyerwally @ Freilichtspiele Lana

Unter der Regie von Thomas Hochkofler wurde “Die Geyerwally” am 28. Juli 2015 zum letzten Mal im Rahmen der Freilichtspiele Lana zwischen den Gemäuern des Kapuzinerklosters aufgeführt. Das zahlreich erschienene Publikum wurde in ein Südtirol vor der zweiten Jahrtausendwende versetzt – als junge Frauen noch ihren Vätern zu gehorchen hatten und Bauern durch Schauklettern mit den TouristInnen ein bisschen Geld machen wollten, als Lederhose und Dirndl nicht nur zum Oktoberfest aus dem Schrank geholt wurden und der Beruf meist vererbt wurde – in dieser Zeit erhebt eine junge Frau den Anspruch, authentisch zu bleiben und trotzdem akzeptiert zu werden.
Andrea Haller protestiert und schreit als Wally, will heiraten, wen sie will. Ihr Vater, der reiche und geizige Strominger – gespielt von Theo Rufinatscha – eröffnet aber ein grausiges Spiel: Seinen Hof und seine Tochter bekommt der Bursche, der es schafft, in einer senkrechten Felswand ein Geierjunges aus seinem Nest zu holen. Doch Wally kehrt das Spiel um: Nicht zuletzt, um sich der Männerwelt zu beweisen, holt sie selbst das Geierjunge aus dem Nest. Darauf, vom Vater verstoßen, zieht sie sich mit ihrem Vogel auf eine hoch gelegene Alm zurück. Glücklich ist sie nicht. Der alte Bauer aber vermacht den Hof einem Bewunderer Wallys – gespielt von Hannes Holzner – und stirbt. Der Erbe benachrichtigt Wally und lädt sie zum Begräbnis ein. Die verletzte Frau hält mit Trotz die Grabesrede und schürt dann den Hof ihres Vaters an. Unverstanden flüchtet sie wieder auf die Alm zu ihrem Geier. – Der schöne, einsame Wildgeist oben in den Bergen verliebt sich langsam in den Selbstmord. Ein Fremder – verkörpert von Simon Schwarz – spürt sie auf, ist aber machtlos in der Durchkreuzung ihrer Pläne. Er glaubt, sie sei schon tot und geht zurück ins Tal. Beim Abstieg trifft er auf den Bärenjosef – gespielt von Günther Götsch. Er ist der verwegene etwas unbeholfene Held, der sich gern in Lobesreden rühmt, aber bei Frauen schnell den Schwanz einzieht, doch in seiner Komik verliert er jede Arroganz. Ihm hat sich Wally schenken wollen. Die Tragik ist vollendet, als der Bärenjosef erfährt, dass sie tot sein soll. Sie erliegt aber nicht der Todessehnsucht und die Stimmen der beiden finden sich in den Höhen. Bald schon, Körper an Körper, gestehen sie sich die Liebe. Vor Glück trunken wollen sie hinunter ins Tal. Doch sie werden vom Fremden aufgehalten und, als sich das Paar die Hände halten will, geht er dazwischen und sie halten plötzlich die seinen. Mit diesem seltsamen Schnitt endet das Stück und lässt Verwirrung zurück, kein Happy End wie die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
Der Traum der Liebe in Anbetracht sicherer Existenz eines Hofes wird aneinander ausgespielt. Das individuelle Schicksal der Figuren verleitet zu Mitgefühl, sie schimpfen mit dem Publikum und in ihren Monologen heischen sie durch nackte Darlegung ihrer Sicht um Akzeptanz.
Fotos: Kurt Geier