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July 28, 2015

Poet + Kurzfilmer Jens Höffken: Es geht darum, was nicht geschrieben steht

Anna Luther

Ihm gefällt es, wenn er provozieren kann und Kunst machen, die geradewegs aus schmutzigen Träumen kommt. Der deutsche Poet und Kurzfilmproduzent studiert an der Kunstuniversität Linz und wird nächsten Herbst zum Franzosen für Erasmus in Straßburg. GAP Glurns Art Point durfte sich einige Zeit seine Künstlerresidenz nennen: Dort entwickelte Jens Höffken neue Projekte wie “Kolumbus Eier” und strolchte durch Glurns und Umgebung.

Was steckt hinter deinem neuen Drehbuch “Kolumbus Eier“?

Es gibt die Geschichte vom Ei des Kolumbus. Kolumbus hatte gerade Amerika entdeckt und wird nach seiner Rückkehr von einer Priesterrunde verspottet: “Das hätt nun wirklich jeder machen können, Amerika entdecken. Das ist nicht besonders schwer.” Darauf zieht er ein hartgekochtes Ei aus seiner Tasche und fordert die Runde auf, das Ei mit der spitzen Seite auf den Tisch zu stellen. Das Ei geht rum, während weiter gelästert wird, es gelingt aber keinem und irgendwann kommt das Ei wieder bei Kolumbus an. Er nimmt das Ei, schlägt es mit der Spitze auf den Kopf und es steht. Dann sagt die Runde: “Das hätt nun wirklich jeder machen können.” Kolumbus sagt: “Seht ihr, ihr hättet es machen können, aber ich hab’s gemacht.” Ich erweitere diese Geschichte zu “Kolumbus Eier”, das eigentlich noch ein Arbeitstitel ist. Auf den ersten Eindruck klingt “Kolumbus Eier” total präpotent. Doch eigentlich geht es hier um Anekdoten, die ich sehr mag. – In all meinen Filmen und auch Textobjekten bin ich auf der Jagd nach kleinen Geschichten und Anekdoten. Und die Geschichte vom Ei des Kolumbus ist sozusagen die Anekdote schlechthin. Eine Anekdote, deren Name selbst zur Anekdote geworden ist. In dieser Arbeit versuche ich eine sehr frei gestaltete Collage aus Anekdoten zu verbinden, ein bisschen autobiografisch, mit Bildern, Tanz und Sprache. Es soll eine freie Geschichte werden, wo ich einfach durchtanzen kann. 

Woher bekommst du SchauspielerInnen und Equipment?

Das Equipment ist teilweise von mir, teilweise von der Uni geliehen. Die Leute sind aus meinem Freundeskreis und der Schauspielschule, der Tanzuniversität, der Kunstuniversität oder der Musikhochschule und auch Charakterköpfe, die durch Linz laufen. Wenn man in irgendwelche einschlägigen Bahnhofskneipen geht, um einfach ein bisschen Sozialstudien zu betreiben, findet man da schon ziemlich markante, alte Männer, die auf so was Lust haben. 

Hattest du schon mal ein Casting? 

Casting, bei mir? Ist ‘ne super Idee. Ich könnte mal ein Casting machen… Man könnte sagen, wenn ich trinken gehe, ist das eigentlich immer ein Casting. [lacht]

Unter anderem schreibst du auch Gedichte – was hat ein Gedicht, was ein Prosatext nicht hat?

Unterschiedliche Textformen haben unterschiedliche Stärken. Werden die beiden Extremsten verglichen, also ein Gedicht und meinetwegen ein journalistischer Text oder ein Essay, dann würde es bei Letzteren auf jedes Wort ankommen, das geschrieben ist. Während es sich in der Lyrik umkehrt, die Lyrik lebt von jedem Wort, das man nicht schreibt. Es geht um die Zwischentöne, es geht darum, was da nicht geschrieben steht. Es ist eine Umkehrung des Informationsprinzips, man will keine Information geben, sondern man will eine Information weglassen. Die Leerstellen und Lücken machen die Schönheit des Gedichtes aus. 

…um Interpretationsraum zu schaffen?

Interpretation ist ein Schulbegriff und eigentlich kann man mit solchen Interpretationen Gedichte nur kaputt machen. Deswegen empfehle ich in der Schule einfach zur Not in Deutsch Fünfen zu schreiben. Damit lässt man sich das Vergnügen noch offen… 

Jens Höffken, 1985 geboren, studiert an der Kunstuniversität Linz Bildende Kunst. Bevor er zu studieren begann, arbeitete er als Journalist für Kulturzeitungen und war in einer Werbeagentur tätig. Auch Bühnenerfahrung konnte er an den Off-Theatern Berlins und Nordrhein-Westfalens sammeln, zudem assistierte er an der Regie unter anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus, an der Rheinoper und der Deutschen Oper Berlin. Mit eigenen Performances trat er als Gast der Oberhauser Beatplentation, des Düsseldorfer Schauspielhauses und des ZAKK auf. Seine Filme, eigenwillige Mischungen aus Essay und Dokumentation, sind regelmäßig auf Festivals zu sehen und werden unter anderem von Sixpackfilm (Wien) vertreten.

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