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July 17, 2015

“Are you a Poet of Protest?”
Mazen Maarouf in Lana

Christine Kofler

Der junge palästinensisch-isländische Schriftsteller Mazen Maarouf, von “Al Jazeera” als “Poet of Protest” betitelt, war im Juni im Rahmen des “writing residency”-Programms der “Bücherwürmer Lana für einige Zeit in Südtirol. Er erzählt, wie er vom palästinensischen Chemiker zum isländischen Schriftsteller wurde, warum ihm das Erzählen jenseits realistischen Schreibens so wichtig ist. 

When did you start to write?

Die ersten Texte, die ich schrieb, waren nicht meine eigenen. Als ich siebzehn war, war ich schrecklich verliebt – kurzerhand schrieb ich der Angebeteten Liebesbriefe, zusammengesetzt aus verschiedenen Texten, eine Art Collage. Erst später wurde ich selbstbewusster, nahm das Schreiben ernst, fand meine eigene Stimme. Ich habe eigentlich Chemie studiert. Stell dir vor, an einem amerikanischen Flughafen fragen sie dich, wer du bist, und du sagst: “ein palästinensischer Chemiker” – Alarmstufe rot! Nun bin ich ein isländischer Dichter. 

I read an article about you where you were named a “Poet of Protest”. You grew up in exile in Lebanon as a Palaestinian refugee. Do you see your writing as a sort of protest? How are the relations of politics and poetry in your writing?

Ich bin in Libanon geboren und aufgewachsen, habe allerdings nie die Staatsbürgerschaft erhalten. Als Flüchtling bist du stets im Alarmzustand, jederzeit bereit, das Land zu verlassen, und gleichzeitig macht dich das frei, ungebunden, leicht. Ich habe keine Wurzeln, das politische System lässt diese nicht zu, es reisst sie einfach aus, schneidet sie ab. Das Schlagwort “Poet of Protest” fiel im Zusammenhang mit einer Porträt-Reihe von Al Jazeera – der Sender interviewte und begleitete mehrere Autoren aus dem Nahen Osten. Ich denke allerdings, als Schriftsteller im Nahen Osten, aber auch als jede andere Person, kannst du gar nicht anders, als dich auch mit Politik zu beschäftigen. Alle beschäftigen sich damit, es ist wie eine Obsession, vom Taxifahrer bis zum Arzt, dauernd, andauernd sprechen wir darüber. Es gibt sicher viele Schriftsteller, die sich viel stärker politisch äußern. 
Einige Schriftsteller der Region schreiben sehr realistisch. Ich nicht. Das Blut, den Krieg – ich habe alles ständig vor Augen. Ich bin auf der Suche nach einer Ästhetik außerhalb der Politik, welche die Gräben in unseren Köpfen füllt; die Gräben und Krater, die der Krieg hinterlässt, mit Kreativität füllt, mit Imagination. – Es ist auch eine Art Verleugnung der Kriegsrealität, ein Nicht-Respektieren des Krieges. Wenn die Realität alles überdeckt, brauchen wir die Fantasie, das kreative Erschaffen umso mehr, umso dringender. 

Now your writing a collection of short stories?

Ja, bis jetzt sind mehrere Gedichtbände von mir erschienen. Vor zwei Monaten ist mein neues Buch im Libanon erschienen, eine Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel “Jokes of a Gunman”. Meine erste Kurzgeschichtensammlung. Auch hier könnte man eigentlich schon vom Titel her an politisch engagierte Literatur denken, doch auch in diesem Buch ist die Imagination zentral, es ist eine Art “Feature” der Realität. Ich kann nicht schreiben, wie die Autoren des 20. Jahrhunderts, unsere Antworten und auch unsere Fragen müssen andere sein, als zu Zeiten Sartres. 

You were born in Lebanon and you grew up there. Your mother was born in Libanon too and your grandfathers come there in 1948, escaping from war in Palestine. But you have no Lebanon passport, your status in Lebanon is “Palestine refugee” – and you were never in palaestina. It’s a kind of schizophrenic situation… someone labelled you as a palaestinian, impose you a identity… how do you feel about that? Is identity a topic in your work?

Als Palästinenser hat Identität und Nationalität sicher eine komplexe Dimension mehr. Ich denke, Identität ist immer im Fluss. Identität spielt natürlich immer eine Rolle, wenn auch keine vordergründige in meinem Schreiben.

You were invited from the “Bücherwürmer Lana” for a writing residency, how was your stay? What are the most outstanding impressions for you?

Das Gefühl von Friedfertigkeit. Von Schönheit – die Landschaft, die Jahrhundertstilbauten, das schöne Wetter, das Grün… Alles ist sauber, aufgeräumt, leise. Du findest hier keine Spuren einer zerstörten Welt, es ist, als wäre hier der Moment gefroren, als ob das Rad der Zeit stehen geblieben wäre. Der Ort, Lana, schützt sich selbst. Ein bisschen ist es auch ähnlich wie Island. Ich bin nach Europa gekommen und dachte immer, ich finde hier Frieden und Freude. Und in Island sind auch alle fröhlich. Aber irgendwie habe ich gemerkt, auch Freude kann etwas Verstörendes haben. Für mich zumindest. 

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