Music

June 23, 2015

Simon Öggl + der interessante Moment der Orientierungslosigkeit

Anna Luther

Der Südtiroler Komponist und Musiker Simon Öggl erzählt aus seinem Leben und dem Studium der Komposition am Konservatorium Wien: Es ist ein Grenzgang zwischen Instrumenten, Computerbildschirmen, Synthesizern und Traumgespinsten. Bevor ein Projekt – sei es nun eine Komposition für ein Ensemble oder ein Auftritt seiner Band “Drahthaus” – ein Ohrgenuss für’s Publikum werden kann, entsteht das Stück in einem nicht ganz so einfachen Prozess. Doch lassen wir den Schlanderser selbst erzählen:

Wie gefällt dir dein Studium?

Gefallen tut es mir ganz gut zur Zeit. Der Kern meines Studiums ist das zentrale künstlerische Fach, das ist Einzelunterricht mit dem Kompositionsprofessor. Bei diesem Unterricht bringe ich Sachen mit, die wir gemeinsam anschauen. Durch seine Erfahrung kann er mir Tipps geben, aber wir reden auch über den ganzen gedanklichen Hinterbau, reflektieren und diskutieren manchmal stundenlang. Dann habe ich noch Nebenfächer wie zum Beispiel Gehörbildung oder Kompositionstechniken des 20. und 21. Jahrhunderts. Das Studium ist ziemlich praktisch angelegt. Wir arbeiten in Kleingruppen und die größte Vorlesung hat zehn oder zwölf Leute. Es ist ziemlich persönlich und so haben die Lehrer auch Zeit wirklich auf dich einzugehen.Welchen Stellenwert hat deiner Meinung nach die Komposition in der heutigen Musikbranche?

Das ist keine so leicht zu beantwortende Frage. Im musikwissenschaftlichen Rahmen unterscheidet man zwischen ernster Musik und Unterhaltungsmusik. Was ich persönlich für eher Schwachsinn halte, da das klipp und klar “Kastendenken” ist und diese Unterscheidung natürlich nicht pauschal funktioniert. Wenn du heute beispielsweise Ö3 aufdrehst, dann triffst du auf Musik, die mit Komposition, wie wir sie lernen, relativ wenig zu tun hat. Diese Musik basiert auf Formeln, die es schon vor Ewigkeiten gegeben hat. Man weiß, dass es funktioniert und bestimmte Gefühle auslöst, weil es immer so transportiert wird. Es wird bewusst etwas erzeugt, für das es Abnehmer gibt. Andererseits gibt es auch eine Kunstszene, wo eher von ernster Musik gesprochen wird. Wo es teilweise um einen viel rationaleren Zugang geht und ein Komponist wieder einen ganz anderen Stellenwert hat.

Und deinen Gestaltungsbereich siehst du eher in der Kunstmusik, oder?

Jein. Ich behaupte von mir, beides zu machen. Ich versuche mich auch auf ernstem Weg mit Unterhaltung zu befassen und suche nach einer Schnittstelle zwischen unterhaltender und ernster Musik. Das nimmt in vielen verschiedenen Formen auf meine Musik Einfluss.

Welche Projekte verfolgst du so?Es gibt mich als Komponisten, ich schreibe beispielsweise für Orchester oder Ensembles. Die Arbeit ist schwierig auf wenig Worte zu reduzieren, aber man könnte sie mit “vorstellen, schreiben und umsetzen” zusammenfassen. Ich mache auch viel elektronisch, da habe ich auch zwei Alter Egos. In einem Projekt mache ich Drum & Bass, “Hidden Aspect”, das jetzt langsam an die Öffentlichkeit kommen wird (hab dafür lange Zeit nur produziert und nix veröffentlicht). Ein zweites Projekt für elektronische Musik mit meinem Bruder Thomas Öggl heißt “Lost in Concept“, das eigentlich keinem Genre zugeordnet werden kann, aber durchaus tanzbar ist. Ein weiteres Projekt heißt “Drahthaus“: Es ist eine vierköpfige Band, zwei aus Schlanders und zwei aus Wien; ein Cross-over-Dings zwischen Elektronik und analogen Instrumenten. Es geht darum, ein Format rüber zu bringen, das sich von dem DJ-Mischpult weg bewegt, aber doch die Weiten der elektronischen Klangwelt zeigt. Dann bin ich noch bei einem Soundpainting-Ensemble. Soundpainting ist eine Zeichensprache, mit der ein Dirigent uns quasi live Anweisungen gibt, was wir machen sollen. Dort sind Musiker, Tänzer, Schauspieler und Sprecher dabei. Allerdings ist das nicht mehr pures Soundpainting, was wir machen, wir versuchen das in einen nicht zu engen, dramaturgischen Bogen zu packen und als Theater mit Freiraum für Improvisation zu verwirklichen.DrahthausDrahthaus

Musik ist in unserer Lebenswelt sehr präsent. Kaum ein Tag vergeht ohne musikalische Untermalung. Welche Funktionen würdest du der Musik zuschreiben?

Das ist ziemlich relativ. Es ist fast ein bisschen zu viel Musik in unserem Alltag, es grenzt an Reizüberflutung, denk ich. Überall läuft Musik, in jedem Aufzug, jeder Bar und oft ist das ziemlich flache Hintergrundmusik. Ob dies gut ist, wage ich jetzt mal nicht zu beurteilen. Die Zweckmäßigkeit von Musik ist ziemlich verschieden. Wenn ich in einen Club gehe, um zu feiern, will ich etwas, was mich zum Tanzen bringt. Wenn ich in ein Konzert gehe, will ich vielleicht mehr rationalen Anspruch finden. Mich interessiert auch sehr, was man an der Konzertpraxis ändern kann. Ich bin oft in Klubs, vergleichsweise wenig in Konzerten, weil ich nicht so gerne zwei Stunden ruhig sitze, schon gar nicht am Wochenende.

Was ist Musik für dich persönlich?

Irgendwas verdammt Geiles. Darauf kann ich echt extrem schlecht antworten, obwohl ich mich eigentlich mein ganzes Leben damit befasse. Ziemlich relativ – für mich eine andere Welt, eine Möglichkeit mich auszudrücken, etwas zu schaffen.Willst du mit deinen Kompositionen eine Botschaft vermitteln?

Naja, Botschaft vermitteln… – eigentlich nicht. Ich bin jetzt kein Prediger oder so was. Ehrlich gesagt, finde ich, ist es auch Missbrauch von Musik, wenn man darin politische Äußerungen einbaut. Ich mach Musik, weil ich Musik machen will, art pour l’art. Musik als Transport von politischen Gedanken kann von mir aus gesehen nur mäßig funktionieren. 90 Prozent, die das konsumieren, was ich sage, sind sowieso meiner Meinung. Ich denke nicht, dass ein Linksradikaler auf eine Rechtsrockveranstaltung geht und sich anhört, was sie für Argumente bringen. Gute Laune ist sicher auch etwas, was ich manchmal transportieren will. Manchmal will ich auch schlechte Laune transportieren. Es kann auch sinnvoll sein, einen Moment der Reizüberflutung oder des Stresses zu erzeugen. Es kann nicht immer nur das eine oder das andere sein. Dementsprechend ist es auch wieder ziemlich flexibel. Prinzipiell will ich mit meiner Musik etwas machen, mit dem man sich irgendwie angesprochen fühlt, was einen verändert vielleicht oder einen bewusst nicht anspricht.

An welcher Komposition arbeitest du zur Zeit?

Im Moment schreibe ich etwas für eine Popsängerin. Sie hat dann einen Kopfhörer auf, wo ihr ein Backing-Track vorgespielt wird, damit sie dazu authentisch ihre Popballade vortragen kann. Weiteres gibt es fünf Schlagwerker, welche einen komplett anderen Kontext um sie bilden. Das ist auch das, was ich vorher mit Schnittstelle zwischen Zeitgenössisch und Unterhaltung gemeint hab. Ich will damit einen interessanten Moment der Orientierungslosigkeit, der Awkwardness erzeugen. Zwei Sachen, die vielleicht nicht zueinander passen, doch fusionieren.

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Comments

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There is one comment for this article.
  • Ellen Oeggl · 

    Hallo Simon,
    auf der Suche nach meinen Südtiroler Vorfahren bin ich
    auf Deinen Namen gestoßen. Weißt Du zufällig ob Du mit dem
    Kammersänger Georg Oeggl verwandt bist? Das ist nämlich mein
    Großvater und dessen Vorfahren kamen aus Südtirol. Über eine
    Antwort würde ich mich freuen.
    Liebe Grüße Ellen

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