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March 16, 2015

Der Wolf, der mit den Worten spielt: Wolfgang Nöckler

Marianna Kastlunger

Man stelle sich Wolfgang Nöcklers Kopf sehr vollgepackt mit Gedanken und Ideen vor, gstecktvoll nämlich. Er behauptet ja, dass diese auch raus müssen, und auf Papier geschrieben, gerotzt oder gekotzt werden wollen. Solche Sachen behaupten viele. Aber nur wenig Niedergeschriebenes hat Seele, Tiefgang oder Humor. Ätsch. Wolfis Schriften haben’s. Und weil es verdammt schwer ist, sich beim Wolf für bloß eine Lieblingstextgattung zu entscheiden, ist ein genreübergreifendes Portrait von Nöten. * siehe Vermerk weiter unten

Wolf und die Lyrik

Ein verspielter Dichter ist er allemal, der Wolf. 2014 erschien sein nie langweiliger Gedichtband Ich leih mir kurz mal dein Gesicht. In diesem Büchlein verstecken  sich Witz und Weisheiten, als kurze Notizen verpackt oder als Wortspiel-Gedichte. Es beschreibt den Hunger, wie man es sonst von einem Jandl erwarten würde oder lehrt uns, achtsam zu sein, denn “Die Zugrunderichtung ist die falsche”. Und überhaupt: Wolfis Lyrik ist preisgekrönt! Hautnah 2014 heißt der Lyrikwettbewerb von Ö1 und dem ORF RadioKulturhaus. Eine Fachjury hat aus 30 Einsendungen die besten vier gekürt. Mit von der Partie: Wolfs Gedicht “Du, die Hunde und ich” (zu hören unter oe1.orf.at/hautnah). Jakob Schuierer begleitet ihn gitarrisch. Hautnah sei Dank wird Wolfs Lyrik radiotauglich: Die Sieger werden nämlich noch im Laufe des Jahres im ORF KlangTheater auftreten, aus den Mitschnitten entstehen Sendungen für die Ö1 Lyrikreihe Nachtbilder. Der Wolf wird hier übrigens mit dem Standard Redakteur und ebenso Hautnah-Sieger Roman Gerold an ein paar Aufnahmen tüfteln. Wolfgang Nöckler + Jakob SchuiererJakob Schuierer + Wolfgang Nöckler

Wolf und die Musik 

Eine fast logische Kombination für den Wolf: Die Vertonung von Gedichten. Lyrik und Musik gehen Hand in Hand und befruchten sich gegenseitig, in manchen Fällen werden Worte sogar Teil der reinen Musikalität; man denke da ganz spontan an Sigur Ros’ Fantasiesprache. In anderen Fällen wäre es aber schade, wenn die reine Form über Inhalt stünde, dann gingen ja viel zu viele Weisheiten flöten. Der Wolf hat davon einige auf Lager und geht als SosoAsoso auf die Bühne. Und liefert Lieder auf deutsch und teldrarisch. Aber bei seiner Banderfahrung (früher mit Son of Prediction, AKA die Ahrntaler Antwort auf Rage Against the Machine, aktuell auch Self Fulfilling Prophecy) muss man sich da gar nicht wundern.

So klingt do Teldra: Wolf und die Dramatik

Die Dramatik – eine Gattung, wofür Wolfgang mittlerweile brennt. Er fragt sich zwar manchmal, ob es nicht sinnvoller wäre, nur bei EINER Textgattung zu bleiben, um in der einen Disziplin Meister zu werden, aber vielleicht muss ja Wolfs Weg über Gedichte und Songs zu Sketches direttissima in Richtung Dramatik führen. Das Fundament hat er bereits auf vielen Lesebühnen gelegt: Die szenischen Qualitäten seiner Texte sind unüberles-, seh- und -hörbar. Ein kleines Geheimnis verrät er uns: Sogar ein schlechter Text kann gut performed werden. Und performen kann er. Kuckt:  Wolf und der Roman 

Ja, er schreibt auch Romane. Sein aktuell veröffentlichter trägt den Titel “Nicht mal ein Fernzug” und ist Teil der Hypo-Romanreihe. Erinnern sich Zugnostalgiker noch an den Korridorzug von Innsbruck nach Lienz? – Genau um den geht’s in diesem Roman, quasi einen railroad-trip. Hier packt der Wolf all seine Szenebeschreiberqualitäten rein. Ob Lienzer BerufsschülerInnen, die sich ein paar Bierchen zu viel gönnen, oder ältere, redselige PassagierInnen: Alle ProtagonistInnen werden akribisch porträtiert und die Leserschaft wird des Öfteren hochschrecken und sich denken: “Mah, genau so oan kenn i!!!!”. Besonders charmant: Der Wolf hat das Privileg, alle Gedanken seiner Charaktere lesen zu können. Die szenischen Portraits und Episoden des Romans werden hie und da auch mit philosophischen Überlegungen verziert: “Namen, das brauchen nur die Menschen. Nicht wahr? Ob Zug, oder il treno, der fährt gleich weiter. Das, was als Grenze bezeichnet wird, bemerkt er gar nicht. Oder glauben Sie, er fühlt sich plötzlich als Treno?“. Willkürliche Grenzen gehören laut Wolfgang nämlich überwunden, oder zumindest hinterfragt.
Den Roman kann man übrigens locker während zweieinhalb Zugfahrten auf oben genannter Strecke verschlingen, vorausgesetzt man lässt sich nicht von Mitreisenden ablenken oder, besser gesagt von dem Versuch, ebenso deren Gedanken lesen zu wollen.

Der Wolf und die Eckdaten 

Geboren 1978, aufgewachsen in St. Johann/Ahrntal in Südtirol. Der Katzenfan lebt und arbeitet in Innsbruck und ist auf vielen Nord- und Südtiroler Kleinkunstbühnen zu sehen. Liebevolle Begleiter sind Freundin und Künstlerin Maria und Sohnemann Baby Jakob. 

*Vorsicht: Der Wolf ist ein textlicher Vieltüftler, der mit vielen anderen textlichen VieltüftlerInnen zusammen tüftelt. Leider ist dieser Text zu kurz, um alle Tüftelfacetten zu beleuchten, aber rein theoretisch ist dieses Portrait jederzeit erweiterbar. 

Foto: Wolfgang Nöckler

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