Music

January 27, 2015

ensemble chromoson: schief ist schön

Petra Götsch

Seit 2014 widmet sich das von drei jungen Südtirolern gegründete ensemble chromoson der Vermittlung und Aufführung zeitgenössischer Musik im Austausch mit verschiedenen anderen Kunstformen. Ende Januar stellen sie ihr Programm “respiro” nun auch in Südtirol vor. 

Im Mittelpunkt der Südtirol-Tour stehen Kompositionen des Sizilianers Salvatore Sciarrino, dessen Stücke für Flöte, Stimme und Schlagwerk Erinnerungen an archaische Rituale wecken. Diese Bilder werden nicht nur durch die treibenden Klänge evoziert, sondern auch durch die eingeflochtenen Textfragmente aus der griechischen Antike, die von der Sopranistin Cordula Stepp gesungen werden. Trotzdem bleibt den international tätigen und anerkannten Musikern immer wieder Raum für Improvisationen, Solowerke und Eigenkompositionen. 

Vielen gilt moderne und zeitgenössische Musik als unharmonisch, anstrengend und vermutlich denkt man selten daran, wie hochkomplex und fordernd das Spiel für den Musiker eigentlich ist. Aber vielleicht macht genau das das Erlebnis der modernen Musik aus. Weil sie einen Beigeschmack hat. Weil sie schief ist. Weil etwas völlig Regelmäßiges am Ende langweilig wird. 

Gründungsmitglied Philipp Lamprecht sprach mit franz über das Ensemble, Synapsen im Hirn und was Musik kann und was nicht. 

Philipp, 2014 hast du zusammen mit anderen Musikern das ensemble chromoson gegründet. Erzähl uns kurz, wie es dazu gekommen ist und welche Musik dahintersteckt.

Entstanden ist chromoson aus dem gemeinsamen Wunsch von Carolin Ralser, Hannes Kerschbaumer und mir, eine professionelle Gruppe zu gründen, die den Anforderungen aktueller Musik/Kunst gerecht wird. Unsere Projekte finden deshalb sowohl mit hochkarätigen MusikerInnen aus ganz Europa als auch KünstlerInnen aus anderen Sparten (Bildhauerei, Tanz, Schauspiel, Literatur etc.) statt. Die Musik stammt dabei meist von lebenden KomponistInnen. Häufig sind es Werke, die sich mit neuen Klängen und neuen Klangkonzepten beschäftigen. Bei uns wird aber auch gemeinsam improvisiert. Wir ausführende MusikerInnen haben ja auch eigenes kreatives Potential!

Eure Auftritte führten euch zu Festivals von Südtirol bis nach Hong Kong. Ende Januar spielt ihr Konzerte in Bozen, Naturns und Schlanders. Wie war bisher die Reaktion des Publikums? Zeitgenössische Musik gilt ja oft als sperrig und schwer zugänglich.

Die Reaktionen waren sehr gut, sowohl den Stücken als auch dem Ensemble gegenüber. Bei jeglicher Art von Veranstaltung ist letzten Endes die Qualität des Gebotenen entscheidend. Wer mit Herzblut, Können und Konzept seine Sache macht, kann eigentlich kaum scheitern. Das wurde uns zum Beispiel in Hong Kong insofern bestätigt, als das nächste Projekt schon in den Startlöchern ist. Aber auch in Südtirol sind im letzten Jahr schon Kooperationen gewachsen.Was euch von anderen Ensembles unterscheidet, ist, dass eure Konzerte nicht reine Musikaufführungen sind. Ihr verwebt euer Spiel mit verschiedenen anderen Kunstformen wie beispielsweise Installationen oder Rezitationen. War das von Anfang an das Konzept beziehungsweise wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Die Integration anderer Kunstformen war Teil der Gründungsidee. Das liegt daran, dass wir alle drei gerne spartenübergreifend arbeiten und uns außer für Musik eben auch für Literatur, bildende Kunst, Tanz, Theater, Film, Fotografie interessieren. Kommen also mehrere Dinge auf der Bühne zusammen, wird aus einem Konzert ein Event. Dies bietet uns allen, Publikum und MusikerInnen, die Möglichkeit Musik auf vielfältige Weise wahrzunehmen. Das vermeintlich schwer Zugängliche bekommt eine neue Ebene, ein Äquivalent. Und: Menschen sind nun mal Kombinationsgenies. Wir setzen Dinge in Beziehung zueinander. Mehr Anreize bedeuten daher mehr Synapsen im Hirn, mehr Synapsen bedeuten mehr Erlebnis! 

Du sprichst von Anreiz und Erlebnis. Bist du persönlich der Meinung, ein Musiker sollte an sich einen größeren Anspruch haben als “nur” zu unterhalten? Sollte Musik erziehen, trösten, schocken, eine Botschaft haben? 

Was Musik kann und nicht kann ist vielleicht die schwierigste Frage überhaupt für uns Musiker. Sie ist nun mal so unterschiedlich wie es Staaten, Kulturen, Sprachen, Kontinente, Landschaften und so weiter sind. Hinzu kommt: Jeder hört und erlebt Musik anders. Ich persönlich versuche nicht mit Musik etwas auszudrücken oder etwas im Leben und Denken anderer zu verändern. Was ich versuche, ist sie erlebbar zu machen, in dem ich mich ihrer annehme, sie interpretiere und mit Intensität und Hingabe auf der Bühne präsentiere. Und da kommen wir auch schon dorthin, wo Musik tatsächlich etwas kann: Sie kann erlebt werden. Wir Musiker fungieren dabei als Mediatoren zwischen dem, was auf dem Notenpapier steht, und dem, was die HörerInnen potentiell erleben. Unterhaltsam kann dies mitunter auch sein, wichtiger ist mir aber ein Erlebnis mit der Musik des jeweiligen Konzertes möglich zu machen. Denn egal ob Klänge ungewohnt oder bekannt sind, es sind die Musiker, die sie zum Klingen bringen. Das Publikum sieht ja nicht Musik, sondern Menschen auf einer Bühne. 

Die Mitglieder des Ensembles sind alle international unterwegs, auch du. Mit einigen deiner Projekte bist du allerdings auch immer wieder in Südtirol zu Gast, kennst also die internationale und auch regionale Seite der Musikszene. Wie beurteilst du die Südtiroler Musiklandschaft?

In Südtirol gibt es eigentlich so ziemlich alles, was es anderswo auch gibt. Es finden viele unterschiedliche Veranstaltungen statt, die wiederum unterschiedliches Publikum anziehen. chromoson hat lediglich eine schon länger klaffende Lücke gefüllt: ein eigenständiges professionelles Ensemble, das in Südtirol und darüber hinaus Impulse gibt. 

ensemble chromoson in Südtirol: 
28. Januar: Museion Bozen, H 18.00 
30. Januar: Kulturhaus Karl Schönherr Schlanders, H 20.00 
31. Januar: Prokulus-Museum Naturns, H 20.00 
Eintritt jeweils freiwillige Spende 

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