Kreisky: wenn Grantler auf die Alpen blicken…

Kreisky über ihren Blick auf die Alpen, “The South Tyrol case”, ihre Videos und ihre unbeabsichtigte Grantigkeit – ein intimes Gespräch zwischen Soundcheck und Konzert in der pmk in Innsbruck.

Kreisky @ pmk - Daniel Jarosch

Kunden, die Schwarzhumoriges kaufen, mögen auch Kreisky. Eine Band, die lauten Krach macht, tolle fiese Texte schreibt und kitschige Posen nicht scheut, weil man sie ja ad absurdum führen kann. Melodrama mit augenzwinkernder Boshaftigkeit. Spätestens seit ihrer Hymne ans Stadt-Land-Gefälle mit dem Titel “Jacqueline” muss man sie im Idealfall lieben oder sich als gelangweiltes Provinzkind auch nur verstanden fühlen, das reicht auch. Ich habe außerdem den Verdacht, dass sie begnadete Strategiepessimisten sind. Sie denunzieren psychosoziale worst-case Szenarien, damit man sie halt denunziert hat, um im Anschluss weiter zu ziehen, um noch weitere soziale worst-case Szenarien aufzuzeigen. Zum Glück gibt’s noch ein paar davon, sonst hätte die Band ja nix mehr zu tun. Böse Misanthropen würden sich den Stress nicht antun, Kreisky schon. Weil sie liebe Grantler sind. Strategiepessimisten eben. Falls jetzt der Eindruck entstanden ist, sie möchten die Welt retten, bitte ich um Verzeihung. Das könnte zu weit hergeholt sein. 

Am 14. Oktober 2014 hatten Franz (Adrian Wenzl, Gesang und Keyboard – nicht dass da Sänger mit Magazinen verwechselt werden), Martin (Max Offenhuber, Gitarre), Gregor (Tischberger, Bass) und Klaus (Mitter, Schlagzeug) Bock auf ein intimeres Konzert in der hitzigen PMK. Ein wunderbarer Anlass, um die Herrschaften auf ein Gespräch zu treffen.Ich bin verblüfft über das Video zu eurer aktuellen Single “Blick auf die Alpen” – ist es wirklich in Südtirol gedreht worden? 

Kreisky: [Schallendes Gelächter] – Nein, nicht ganz. Wir spielen nur mit mehreren Symbolen und Referenzrahmen und kombinieren italienischen Horrorfilm und Bergsteigerdrama. Von Wien aus hat Südtirol einfach ein exotisches Flair – ein Land, das irgendwie nah und doch fern hinter der Grenze liegt. Südtirol ist gleich so “Mhmmm” und klingt besser als Rax am Semmering, oder der “Rax case”. Viele glauben dann wirklich, dass das Video in Südtirol gedreht wurde, dabei schauen die Südtiroler Alpen ganz anders aus. Wir haben uns wirklich bemühen müssen,  genug Felsen zusammen zu kriegen.

Apropos Symbole: Im Video beißt der vom Teufel besessene Herr Wenzl in ein Edelweiß. Da tun sich sogar politische Deutungsmöglichkeiten auf…

Kreisky: Ach so! Nein, das haben wir nicht gewusst. Und es ist ein Vorteil, wenn man das nicht weiß, dann kann es uns egal sein. Und fürs Protokoll – es ist nicht giftig. 

Ihr seid ja alle keine gebürtigen Wiener und am Land aufgewachsen. Prägt einen dieses Stadt-Land-Gefälle?

Wenzl: Definitiv. Was sich einer musikalisch und kulturell erarbeitet, ist von einer einzigartigen Patchwork-Qualität. Wenn man dann in die Stadt und in gewisse Szenen kommt, wird’s abgerundet. Da weiß man gleich, welche Codes gehen. Den dubiosen Mix hab ich schon als Jugendlicher lässig gefunden.
Martin: Man ist überall ein bisschen Außenseiter, aber Kenner von zwei Welten. Um es mit einem Aphorismus á la Konfuzius zusammenzufassen: “You can get the boy out of the Mühlviertl, but you can’t get the Mühlviertl out of the boy”. 

[Na, wenn sich der Spruch nicht auf viele regionale Schicksale ummünzen lässt…]

Wo passieren die besseren Geschichten in Sachen Psychoschäden – am Land oder in der Stadt? 

Kreisky [laut und synchron]: ÜBERALL! 
Wenzl: Wie Miss Marple immer zu sagen pflegt: Es gibt nix in der großen weiten Welt, was es nicht im Kleinen auch gibt, in der Großstadt sowie im Dorf, überall sind Neigungen vorhanden. 
Martin: Man sieht’s eh, die Psychologenstruktur am Land boomt, jeder braucht Hilfe.

Und wenn der Pfarrer nicht helfen kann, muss ein anderer Profi her?

Kreisky: Genau! [und sie lachen wieder] Zu euren Videos: Die Handlung lenkt immer vom Lied ab, ist das Absicht?

Wenzl: Ja, mit dem Lied sind wir schon durch, das Musikstück ist komplett. Man könnte es mit Live-Videos bebildern, aber ein Videoclip ist wieder was anderes, es gibt eine andere Ebene und eine andere Geschichte. Ich würde es störender finden, wenn Text, Musik und Video aufeinander kleben und dasselbe erzählen.
Martin: Es ergeben sich Kontraste, ein anderes Bild kreiert eine andere Bedeutung, und so eine Text-Bild-Schere kann schon sehr reizvoll sein. 
Wenzl: Außerdem entstehen unsere Videos quasi intuitiv, sind aber stimmig und atmen Wahrheit. [Haha…]
Gregor: …und wenn man dem Video mit Untertiteln Textzeilen verpasst, dann muss man sich’s Video nochmals anschauen.

Raffiniert! Inwieweit habt ihr Mitspracherecht bei Ideen und Entstehung der Clips etc.?

Kreisky: Hast du dir die Credits net angschaut? Die Geschichten zu den Videos kommen meistens von uns, weil sie besser sind. Kreisky @ pmk - Daniel JaroschWie geht’s Kreisky in Deutschland?

Kreisky: Da sind wir die grantigen Österreicher, obwohl das gar nicht unsere Absicht ist. Es entspricht auch nicht unserer Grundintention, dem Bild des morbiden Wieners zu entsprechen, aber ein bisschen mitführen tun wir’s schon. Eine Schubladisierung verzerrt immer die eigentliche Darstellung. Und es kommt auch drauf an, von wo man welches Bild der Wiener hat, selbst wenn dieses nur vom Wiener “Tatort” geprägt ist. Je weiter die Entfernung, umso weniger hat man den Sinn für das Authentische. 
Wenzl: Ich war mal in einem bayrischen Biergarten in New York, da hing ein Bild vom Kaiser Franz Josef, es musizierte eine Serbenkapelle und es gab Weißwürste mit Pommes – also nicht ganz bayrisch das Ganze. Aber es passt eh, mein Bild von Texas speist sich zum Beispiel komplett aus der Serie Dallas. Ich wäre schon sehr erschüttert, wenn’s den Ball der Rinderbarone in Wirklichkeit nicht geben würde… Im Großen und Ganzen ist das schon ein bisschen fatal: Unsere Beschreibung lautet “intellektuelle Wiener Punkband”, dabei sind wir weder Punks, noch Wiener und außerdem ein bisschen verdödelt

Was haltet ihr von neuen Bands, die von eurem Stil, ganz höflich formuliert, inspiriert werden? 

Wenzl: Billig! Das Zackige, Negative gibt es schon ansatzweise, aber von richtigen Nachahmern wissen wir nichts. Schwieriger wär’s, wenn uns Nachahmer tatsächlich nachahmen und dann bei Wetten, dass? auftreten. Das wär eine Band, der ich mit Freude den Tod wünschen würde, HAHA!
Martin: Blöder wär, wenn die Nachahmer noch richtig geile Nummern schreiben würden, und wir uns an ihnen orientieren müssten. Das wär der Tiefgang.

Würde Kreisky auf Ö3 gespielt werden wollen?

Martin: Aus missionarischer Sicht wär’s schon cool, aber da wäre gesellschaftlich viel passiert, wenn Ö3 zur besten Autofahrerzeit Kreisky spielt. So nach dem Verkehrsfunk… Stell dir vor…

Fotos: Kreisky @ pmk © Daniel Jarosch – Mehr davon gibt’s hier.

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