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September 15, 2014

Franziska Gilli: gute Bilder haben eine innere Spannung

Kunigunde Weissenegger
Fotojournalistin Franziska Gilli über die vier Sekunden von Skispringerin Elena Runggaldier, die drei Minuten mit dem Adidas-Vorstandsvorsitzenden Herbert Hainer, die 15 Stunden beim Frankfurter Ironman und natürlich über ihre Ausstellung "Passengers to nowhere" in der Galerie foto-forum in Bozen (16.9.–18.10.2014).

Franziska Gilli lebt und arbeitet zwischen Südtirol, Frankfurt und Hannover. Geboren und aufgewachsen ist sie in Bozen. Nachdem sie für einige Jahre im Südtiroler Kulturbereich gearbeitet hat, beschloss sie noch einmal zu gehen und in Deutschland Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover zu studieren und ist mittendrin im Studium. Zur Zeit arbeitet sie als Hospitantin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie war 2012 Mitorganisatorin des 3. Lumix Festivals für jungen Fotojournalismus. Am Dienstag, 16. September 2014 eröffnet Franziska Gilli in der Galerie foto-forum in Bozen ihre Ausstellung mit dem Titel “Passengers to nowhere”. Wir haben nachgefragt; am liebsten, so bekommt mensch den Eindruck, definiert sie sich über ihre Arbeit – die Fotografie liegt ihr sehr am Herzen…

Franziska, wer bist du? 

…die auf dem Foto.  

Was ist dir in deiner Arbeit wichtig? Worauf legst du Wert?

Sie muss mir Spaß machen, nur dann mache ich auch gute Bilder. Ich nutze die Kamera, um mich im Alltag anderer Menschen zu verstecken, ein bisschen auch als Mittel zur Flucht vor dem Schreibtisch. Vor meinem Fotografie-Studium habe ich im Kulturbereich gearbeitet, zuerst hier in Bozen bei Transart, beim Busoni Klavierwettbewerb und beim Bolzano Festival, später für kurze Zeit in einer Künstleragentur in Berlin. Das war alles sehr schön, aber die viele Arbeit am Schreibtisch war auf die Dauer nichts für mich. In einem dunklen Berliner Winter vor vier Jahren entschied ich mich für eine Art U-Turn und jobbte als Leiharbeiterin in Hotels, um mir die Bewerbungsphase für das Fotojournalismus-Studium zu finanzieren. 2011 zog ich dafür dann nach Hannover und habe heute das Glück, genau das machen zu können, worin ich aufgehe.Ohne Titel, aus der Serie "Im weissen Rauschen" (2013) © Franziska GilliOhne Titel, aus der Serie “Im weissen Rauschen” (2013) © Franziska Gilli

Wie sieht dein perfektes Foto aus? 

Das Wort “perfekt” ist für mich wie das Wort “Paradies”: Beides assoziiere ich mit Langeweile. Keine Ecken und Kanten, keine Aufs und Abs. Pure Ästhetik und nicht einmal das vielleicht. Gute Bilder hingegen haben eine innere Spannung und bewegen etwas in dir. Wenn sie das schaffen, dann ist es ganz egal, was genau ihre Stärke ausmacht.  

Du arbeitest unter anderem auch für Die Zeit und Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ – wie einfach oder schwierig ist es, da “reinzukommen” und sich die Position zu erhalten?

Das ist nicht anders wie in anderen Berufen auch. Feste Stellen gibt es bei Zeitungen aber nicht mehr. Wir arbeiten als Freie und das birgt den Vorteil, immer wieder für andere Medien arbeiten zu können und auch eigene Projekte anzubieten. Ich stehe da aber noch am Anfang und taste mich langsam vorwärts. Momentan beende ich eine halbjährige Hospitanz als Fotografin bei der FAZ in Frankfurt und dann geht es erst einmal zurück nach Hannover.Ohne Titel, aus der Reportage "L'aquila azzurra" über die Skispringerin Elena Runggaldier (2012) © Franziska GilliOhne Titel, aus der Serie “Verbrannte Erde” (2012) © Franziska Gilli

An welchen Projekten bist du gerade dran?

Durch meine Arbeit in der Tagespresse derzeit an keinen größeren, sondern vielmehr an vielen kleinen gleichzeitig. Im einen Moment begleite ich Angestellte der Stadtentwässerung im Abwasserkanal bei ihrer Arbeit, im nächsten porträtiere ich einen Mann, der in seiner Kindheit von seinen Eltern missbraucht wurde und erstmals öffentlich davon erzählt. Eine Stunde später geht es auf den roten Teppich zu den Stars und Sternchen oder zu einer Podiumsdiskussion mit dem Dalai Lama. Zwischendrin immer wieder Konzerte oder politische Presseveranstaltungen. Die Zeitspannen reichen dabei von drei Minuten, die ich vom Adidas-Vorstandsvorsitzenden Herbert Hainer für ein Porträt bekam, bis hin zu 15 Stunden, in denen ich den kompletten Frankfurter Ironman fotografierte. Das ist manchmal nervenaufreibend oder anstrengend, aber stets spannend und kein Tag ist wie der andere. Diese Abwechslung werde ich in der nächsten Zeit sicherlich vermissen. 

Wen möchtest du irgendwann einmal unbedingt vor deiner Linse haben?

Schwer zu sagen, aber in meinen Kopf haben sich einige Szenen eingebrannt, in denen ich gerne ein Bild gemacht hätte, aber – großer Fotografenfehler – keine Kamera dabei hatte. Während meiner Arbeit als Jury-Assistentin beim Busoni Klavierwettbewerb etwa gab es immer wieder Situationen, wo die spannendsten Persönlichkeiten aus der internationalen Pianistenszene in einer Konstellation zusammentrafen, die es so vielleicht nie wieder geben wird. Den Moment, als Martha Argerich ganz allein in einem Raum im Bozner Konservatorium am Fenster stand, während alles im Saal auf sie wartete, sie genussvoll ins Freie blickte und die Abendsonne ihre Mähne zum Leuchten brachte, den hätte ich sehr gerne festgehalten. Ohne Titel, aus der Reportage "L'aquila azzurra" über die Skispringerin Elena Runggaldier (2012) © Franziska GilliOhne Titel, aus der Reportage “L’aquila azzurra” über die Skispringerin Elena Runggaldier (2012) © Franziska Gilli

Von 16. September bis 18. Oktober sind deine Arbeiten in der Galerie foto-forum in Bozen zu sehen. Wie hast du die Ausstellung konzipiert? Was möchtest du dem Publikum vermitteln?

Die Ausstellung, die wir am Dienstag, 16.9.2014 um 19 H in der Galerie foto-forum eröffnen, zeigt drei verschiedene Arbeiten unter dem gemeinsamen Titel “Passengers to nowhere”: Da ist zum einen das Porträt über die Skispringerin Elena Runggaldier, bei der sich alles um jene vier Sekunden dreht, in denen in der Luft für einen kurzen Moment die Zeit stillsteht. Zum anderen gibt es den Wanderer, der sich auf den Weg zur höchstgelegenen Schutzhütte Europas auf 4.500 m ins Monte Rosa Gebiet begibt, um etwas zu suchen, von dem er nicht weiß, ob er es finden wird. Beide Arbeiten beschäftigen sich mit dem Streben der einzelnen Protagonisten nach physischer wie mentaler Isolation in luftiger Höhe. Die dritte Arbeit beschäftigt sich mit der im europäischen Vergleich derzeit schwierigen Situation junger Menschen in Italien, der verbrannten Erde, die sie zum Teil vorfinden und der in meiner Generation im Süden wie im Norden stets präsenten Frage “Should I stay or should I go?”.  

Foto ganz oben: Franziska Gilli © Fabian Fiechter

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