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September 8, 2014

Haris Kovacevic: Südtirols neuer Dichtermeister + Morgenstern-Poetry-Slam-Sieger

Christine Kofler
Es wurde gelauscht, geklatscht, gelacht und gejubelt: In der bis auf den letzten Platz besetzten Orangerie von Schloss Pienzenau in Meran ging am Sonntag, 7. September 2014, das Finale des landesweiten Morgenstern-Poetry-Slams über die Bühne. Nach drei Stunden Wortgefechten wurde der neue Dichtermeister des Landes Südtirol gekürt: Haris Kovacevic.

Die 12 besten Bühnenpoeten des Landes trafen gestern Abend in Schloss Pienzenau aufeinander und buhlten mit Lyrik und Prosa, mit nachdenklichen und heiteren, mit tiefschwarzen und luftblasenleichten Texten um die Gunst des Publikums. Durch den vom jungen Literaturverein LIPO organisierten Abend führte eine heitere Lene Morgenstern, selbst ihres Zeichens leidenschaftliche Slammerin. Die Jury wurde aus dem Publikum erwählt: Wer unter seinem Sitz einen Zettel fand, wurde zum Marcel Reich-Ranicki mit Schiefertafel und bewertete die jeweilige Performance. Die höchste und niedrigste Note wurden gestrichen, ein Mittelwert errechnet – und voilà: die 5 Slammer mit der höchsten Punktezahl erreichten die Finalrunde und traten erneut gegeneinander an. 

Round 1: Von Camus’ glücklichem Sisyphos und dem Leben im Kondominium

Den Auftakt der ersten Runde bildete Anna Gius mit einem Text über ihre Liebe zu Wien, vollgepackt mit satirischen Hieben auf die wienerische Mentalität, ganz in der Tradition von Karl Kraus und Nestroy stehend. Es folgten kurzweilige und lustige Texte über Zugfahrten, über das Leben im Kondominium oder über die Unvollkommenheit des menschlichen Körpers; Berichte über Bürgerversammlungen in Obermais, die einen an der Sinnhaftigkeit von Bürgerversammlungen zweifeln lassen, und ein Vortrag, der die existenzialistische Sicht Albert Camus auf Sisyphos in den Mittelpunkt rückte: Seien wir doch froh, dass das Leben keinen Sinn hat. Verschwindet die Bedeutung, wächst die Freiheit. 

Der Bedeutung der Sprache und der Poesie widmeten sich hingegen gleich mehrere Slammer: Lisa-Marie Pichler plädierte auf einen vorsichtigen Umgang mit Wörtern, die gleichsam quälend und beflügelnd sein können und Markus Berg ging sogar mit dem Wort “Poesie” auf ein Bier, um dann in einer witzigen gebetsähnlichen Litanei a la “Vergib uns die Bild-Zeitung, in Ewigkeit – Duden” zum Schluss zu kommen: “Am Anfang war das Wort und nicht das Geld”. Und auch Wolfgang Nöckler, das Urgestein der Südtiroler Slam-Szene, nahm sich einem aktuellen Sprachthema an – nämlich dem geschlechterbewussten Sprachgebrauch. Er erklärte dem belustigten Publikum, wie man sich “durchs Leben gendert”. 

Round 2: Von Neandertalern und Lehramtsstudenten

Die Finalisten der zweiten Runde waren allerdings tatsächlich nur Finalisten und keine -Innen: Dominic Bartels, Wolfgang Nöckler, Markus Berg, Haris Kovacevic und Michael Denzer traten zur zweiten Runde an.  

Dominic Bartels leiser Text erzählte von der Hoffnung trotz Verschwindens in der Zeit, Markus Berg (2. Platz) ließ Fußballfans des FC-Bayern in lebhaften, neandertaler-ähnlichen Bildern auferstehen und Michael Denzer (3. Platz) widmete seinen gefühlvollen Text “Neue Monde für uns zwei” seiner abwesenden Freundin. Wolfgang Nöckler nahm das Publikum in einem herrlich phantasievollen Text, der sich der Motive von Lewis Carolls Roman Alice im Wunderland bedient, mit auf eine Reise in den Kaninchenbau Internet, nachdem er den Anhang einer Massenmail geöffnet hatte, die ihm einen Gewinn von 900.000 Euro versprach. 

Der wohlverdiente Sieger schließlich, Haris Kovacevic, begeisterte Jury und Publikum mit seinem bitterbösen, atemlosen Vortrag “Rote Ampel”, der von den Leiden eines Lehramtsstudenten, der mit Jugendsprache gequält wird, erzählt. Mitreisend vorgetragen, perfekt pointiert und so schwarz, dass einem zwar etwas bang wird, aber man gleich mehr davon hören möchte. Und es gibt auch mehr: Haris Kovacevic ist bei der 8. Österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaft am 17. und 18. Oktober 2014 in Graz dabei und tritt dort zum großen Ö-Slam an. 

Foto oben v. l. n. r.: Michael Denzer (3.), Haris Kovacevic (1.), Markus Berg (2.) und MC Lene Morgenstern

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