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September 4, 2014

Nora Pider: ihr Körper – ihr Arbeitsmaterial

Kunigunde Weissenegger

Geboren und aufgewachsen ist sie in Brixen in Südtirol. Dann zog es sie nach Wien zur zeitgenössischen Tanzpädagogik-Ausbildung an der Konservatorium Wien Privatuniversität und zur Schauspielausbildung an der Schauspielschule Krauss. Nora Pider ist ein physisches Konzentrat aus Tanz, Schauspiel und Performance. Und so wirkt sie auch – in zahlreichen Tanz-Performance-Aufführungen, Residenzen, choreografischen Projekten und Schauspielrollen – in Wien wie auch in Brixen – und den Welten dazwischen. – Und ganz klar auch mit ihrer Theatergruppe VonPiderzuHeiss, deren Gründungsmitglied sie neben Anna Heiss ist (hier das Interview mit Anna Heiss). Ihr erstes gemeinsames Performance-Projekt Salvation haben die beiden Anfang September 2014 im Kunstraum prawneg&wolf in Bruneck präsentiert – Pider als Choreografin und Performerin und Heiss als Dramaturgin. – Und, last but not least, ist sie auch Musikerin und Teil der Indie-Band The Artificial Harbor. Nun wird das Stück wiederaufgenommen und am 11.7. um 12h, 12.7. u, 15h, 28.+29.8. um 19h in der Franzensfeste aufgeführt. – Daniel Brandlechner hat es bereits gesehen, hier seine Besprechung.

Nora Pider, wer bist du in deinen eigenen Worten? 

(sie schickt mir das Foto oben und schreibt darunter:)

alles war weg, die Traurigkeit fliegt dahin…

Worauf legst du in deinen Arbeiten wert?

Alles, was ich auf die Bühne bringe, ist bereits Teil von mir. Ein Bedürfnis, ein Gefühl. Zweifel gibt es keine. Eine Mischung aus popkultureller Ästhetik, Performance-Kunst und neu interpretierter Body Art. Stücke, die (aber trotzdem) eine Geschichte erzählen  – mit Dramaturgie, mit einem Bogen.
Die Zuschauer sollen nicht zu Opfern meiner Performances werden: Ich möchte sie auch unterhalten – mit Lockerheit und Selbstverständnis. Trotzdem arbeite ich ohne Tabus – jegliche Form der Bühnensprache kann benutzt werden.
In meinen Stücken werden exzentrische Geschichten mit vollem Körpereinsatz erzählt, gesellschaftliche No-Gos ignoriert und die Bühne zur naiven, unkonventionellen Spielwiese.
Auch die bildende Kunst, Text und Musik sind wichtige Elemente, die in meinen Performances zu einem großen Ganzen verwoben werden. Für das Performance-Stück Salvation habe ich mit vielen tollen KünstlerInnen zusammengearbeitet: Elisa Bergmann (Kostüm/Bühnenbild), Julian Angerer + Nikolaus Comploi (Musik), Gerd Sulzenbacher (Performance/Textauszug) und natürlich Anna Heiss, die für die Dramaturgie verantwortlich ist. Anna Heiss ist “my partner in crime”. Wir sprechen die gleiche Kunstsprache, haben ein ähnliches Gefühl für Bühnenästhetik und Bühnenkunst. Zusammen haben wir das Konzept für dieses Stück entwickelt und ausgearbeitet. Als VonPiderZuHeiss haben wir seit 2009 schon mehrere Sprechtheaterstücke auf die Bühne gebracht, Salvation ist unser erstes gemeinsames Performance-Projekt. 

Wie wichtig ist es dir, Teil deiner Inszenierungen + Performances zu sein bzw. darin mitzuwirken?

Meine Performances sind Stücke, die für mich als Künstlerin konzipiert sind. Mein Körper ist das Arbeitsmaterial. Mir ist es wichtig meinen Körper zu spüren und ganz konkrete Körpererfahrungen zu machen. 
Aber nicht nur der Körper soll zentrales Objekt sein: Die Konzeption des Stückes als Gesamtkunstwerk ist ausschlaggebend. Meine künstlerische Sprache baut auf meine persönlichen Stärken auf, d. h. ich bin ein unverzichtbarer Teil jeder meiner Inszenierungen. Nora Pider by Jasmine DeportaNora Pider by Jasmine Deporta

Salvation – was ist das für ein Stück?

Die Arbeit entstand aus einer geteilten Erkenntnis von Anna und mir: wie eingebrannt erschienen uns religiöse Artefakte in unserer persönliche Erinnerung. Gebete, Lieder, Lichter, Ikonen, Traditionen begleiten den durch Katholizismus sozialisierten Mitteleuropäer wie ein Echo, das immer wieder aus dem Unterbewusstsein erklingt. Der Zauber, den katholische Traditionen und Ikonen auf die kindliche Psyche ausgestrahlt haben, wirkt ein Leben lang weiter. Ausgehend von diesen geteilten Erinnerungen an religiöse Kulte, die uns als Kinder magisch erschienen und an Strahlkraft bis heute nichts eingebüßt haben, haben wir uns die Frage gestellt, was an Religiosität noch in der Gesellschaft und in uns übrig ist.
Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass das Grundelement der Religion noch immer herrscht: der Glaube an die Erlösung. Der Glaube daran, dass alles individuelle Leiden eines Tages vergolten und ein Heil kommen wird.
Wir machten uns auf die Suche nach einer Schnittstelle. Wo findet der moderne Mensch im Diesseits sein Heilversprechen?Salvation – Erlösung setzt einen Zustand voraus, aus dem gerettet werden muss… (oder irre ich)? Was sind das für “Zustände” – heute…? Und wer oder was kann heute, morgen… unsere Erlösung sein?

Vielleicht ist die Liebe die letzte Idee in diesem Jahrtausend. Das Letzte, was wir noch nicht hingekriegt haben. Etwas zum Daran-Glauben. Vielleicht bin ich deshalb so dahinter her. Wenn wir alle Pech haben, fängt ein neues Jahrtausend an, und wir merken, dass auch diese Idee nicht zum Daran-Glauben taugt. Weil sie Illusion ist, wie alles andere. Wie Revolutionen, Peace und so was. Vielleicht stehen wir dann da und machen kollektiven Selbstmord, weil, ohne an etwas zu glauben, lohnt sich das Leben nicht mehr. Vielleicht erlebt die Menschheit eine letzte, große Erleuchtung, bei diesem Selbstmord. Der müsste überall auf der Welt zur gleichen Zeit passieren. Also, unter Berücksichtigung der Zeitzonen. Überall, auf der Erde in der gleichen Minute. Vielleicht hören wir dann die Erde erleichtert auflachen, beim Gehen. (Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot)

Woran arbeitest du gerade und in nächster Zukunft? 

Das Performance-Stück Salvation ist vom 4. bis 7. September im Kunstraum prawneg&wolf in Bruneck zu sehen. Jeweils um 20:30 Uhr. Ab 18. September 2014 stehe ich in der Franzenfeste im Stück mit dem Titel Tiere wie Menschen, ein choreografisches Theaterprojekt der Fabrik Azzuro unter der Leitung von Torsten Schilling auf der Bühne. Und im November 2014 bei der  10. Ausgabe von Artist At Resort  ein Residence-/Coaching-/Mentoring-Projekt von Bert Gstettner – Tanz*Hotel Wien mit einer Wiederaufnahme eines meiner Performance-Stücke. Auch werden Anna Heiss und ich ab Herbst wieder an einer neuen Inszenierung arbeiten. 

Foto oben: Nora Pider

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