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May 21, 2014

Jugend am Land? – ABHEBEN von Werner Neururer im Fotoforum Innsbruck

Kunigunde Weissenegger

Wahrscheinlich weil ihm die Jugendlichen doch nicht alles gesagt haben – so endet die Einführung von
Günther Moschig zur Ausstellung “ABHEBEN” von Werner Neururer. Und weiter bzw. am Anfang des Begleittextes: Jugend am Land. Für Jugendliche in ländlichen Regionen birgt das Leben abseits großer Verkehrsströme die Herausforderung der Mobilität, physisch wie emotional. Wichtig sind daher Smartphone und Moped – für WhatsApp, Instagram und Freiheit.

Werner Neururer hat in einer fotografischen Recherche Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren zu einem Interview und einem Fototermin gebeten und die Ergebnisse in Texten und Bildtableaus zusammengefasst. Was diese Mädchen und Burschen gemeinsam haben: sie haben alle dieselbe 4. Klasse einer Volksschule besucht und leben im Tiroler Unterland. – Das Fotoprojekt des in Angerberg/Wörgl lebenden Fotografen ist noch bis kommenden Samstag, 24. Mai 2014 im Fotoforum West am Adolf-Pichler-Platz in Innsbruck zu sehen. Bevor die Tore schließen, haben wir uns von Werner Neururer Näheres erzählen lassen.

Auszug Interview Silvia – Werner Neururer ABHEBEN Auszug aus dem Interview von Werner Neururer mit Silvia für ABHEBEN

Warum der Titel ABHEBEN für diese fotografische Recherche und Ausstellung?

ABHEBEN ist hier im Sinne von “starten”, “aufbrechen” gemeint. Damit möchte ich verschiedene Faktoren zum Ausdruck bringen: Abheben in eine ungewisse Zukunft mit Wünschen und Träumen. Abheben in eine neue berufliche Ausbildung. Abheben von der ländlichen Abgeschiedenheit durch die neu erworbene Mobilität. Abheben aus dem familiären Bereich. Abheben in soziale Netzwerke. Abheben zu mehr Selbstständigkeit und Verantwortung. Abheben zum eigenen Ich.abheben - Werner NeururerWie war es in die Welt der 14–16jährigen einzudringen? Wie viel Zutritt haben sie dir gewährt? 

Ich arbeite als Pädagoge und habe beruflich mit 14–16 Jährigen zu tun. Die Idee, das Projekt mit mir bekannten Jugendlichen zu machen, habe ich aber gerade deshalb schnell verworfen. Ihnen möglichst unvoreingenommen gegenüber zu treten, war schließlich ein wesentlicher Aspekt, deshalb interviewte und fotografierte ich für mich zunächst unbekannte Jugendliche. Den roten Faden für die Auswahl der Jugendlichen lieferte mir deren Gemeinsamkeit: Alle haben vor fünf Jahren dieselbe 4. Klasse einer Volksschule besucht.

Auszug Interview Alfred – Werner Neururer ABHEBENAuszug aus dem Interview von Werner Neururer mit Alfred für ABHEBEN

Wie hast du die Aufnahmen inszeniert? – Gemeinsam mit ihnen? – Wie sind sie entstanden?

Den Ablauf meiner Arbeit kann man sich so vorstellen: Nach einer ersten persönlichen Kontaktaufnahme habe ich mit den Jugendlichen einen zwei- bis dreistündigen Termin vereinbart. Am Beginn jedes Treffens stand das Interview mit Fragen nach Berufswunsch, sozialem Umfeld, Freizeitverhalten, Werten, Ängsten und Wünschen. Überrascht war ich von der Offenheit der Mädchen und Jungen gegenüber einem “Fremden”,   es scheint so, als hätte ich durchaus einen “Draht” zu den Jugendlichen. Grund dafür war sicher der gegenseitige Gedankenaustausch – auch ich gab von mir persönliche Dinge preis –, der in den locker geführten Gesprächen vorherrschte. Die anschließend gemachten Fotografien entstanden nach einem klaren Konzept, ich war auf der Suche nach bestimmten Fotografien (frontales Kopfbild, Ganzkörperaufnahme sitzend/stehend im Halbprofil, Aussicht bzw. Umgebung, Zimmeransichten, Stillleben im Zimmer…). Inszenierungen von meiner Seite gab es so gut wie keine, Bildideen ergaben sich häufig während des Interviews durch die Jugendlichen selbst, das im Gespräch aufgebaute Vertrauen erleichterte mir die Arbeit sehr.abheben - Werner NeururerHat sich dein Bild von Jugendlichen am Land nach der fotografischen Recherche verändert?  

Die Bodenständigkeit, die Verwurzelung mit dem Heimatort, das Eingebunden-Sein in einen mehr oder weniger intakten Familienverband erstaunten mich … noch mehr allerdings die oft artikulierte Wichtigkeit dieser Werte. Überaus sehr beengend für die Jugendlichen ist die eingeschränkte Mobilität auf dem Land und die damit verbundene Abhängigkeit von Erwachsenen – dass dies so stark zum Vorschein kommt, daran habe ich nicht gedacht.

Alle Fotos: Werner Neururer – ABHEBEN

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