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May 19, 2014

2. Akt, 1. Auftritt: Die Fledermaus – Backstage

David Thaler

Bozen Mitte – schier nebst dem Verdiplatz – Probenabend. Geschätzte Fernsehhocker-Zeit mit “Patatine” und Feierabendbier. – Nicht für mich. Mir ist heiß und ich liege, wie die anderen Chormitglieder auch, in einen Pelzmantel gehüllt am Boden auf der sogenannten Platte – ein überdimensional großes Serviertablett, das fast die gesamte Bühne ausfüllt, und Präsentierteller für die Operette “Die Fledermaus” von Johann Strauß, die bis Ende Mai im Stadttheater Bozen unter der Regiearbeit von Georg Schmiedleitner in der Produktion der Vereinigten Bühnen Bozen aufgeführt wird. 

Die Scheinwerfer sind auf uns gerichtet. Wir liegen immer noch auf der Platte. Mir wird immer heißer und ich bin da nicht der einzige. Ich höre meine Chorkollegen und -kolleginnen zügig atmen.  Nach unserem gesanglichen Auftritt auf die Platte zu kraxeln und dort geräuschvoll krächzend und grölend herumzukriechen, hat dann wahrscheinlich allen ein wenig Kraft gekostet. Der Atemzug aller verlangsamt sich bisweilen.Die Fledermaus – VBB Bozen - Hermann Maria GasserNun aufgehorcht. Die Schwestern Ida und Adele (Julia Hinteregger und Sieglinde Feldhofer) fangen an sich zu zanken. Erschrocken und verwundert sollen wir jetzt das Herumgezeter beobachten. Es geht im Streit wohl darum, ob und wer jetzt in welchem Outfit auf die angesagte Party des Millionärs-Prinzen darf. Im Koksrausch verwirrt und leicht verängstigt, rutschen wir sachte auf das hintere Ende der Platte hinauf. Hinauf, weil sie diagonal steigend zum Publikum ausgerichtet ist und sie sich über die, unter der Bühne befindliche Hydraulik, fast senkrecht hochfahren lässt. Ihr habt vorhin richtig gelesen. Wir, die wir eine selbstverliebte, verruchte und dekadente Partygemeinde darstellen, sind bereits im ersten Koksrausch. Das Koks hat uns Ivan (Lukas Spisser) beim Raufkrabbeln verteilt. Gesponsert ist der “prächtige Spaß” vom Prinzen Orlofsky (Laura Schneiderhan), der in diesem Augenblick in Begleitung seines Beraters Dr. Falke (Erwin Belakowitsch) auftritt. Wir jubeln lauthals, klatschen und werfen dem Prinzen schwärmerisch verwegene Blicke zu, der mit kleinen Gesten die Euphorie der verkommen dreinschauenden Gäste wohlwollend zur Kenntnis nimmt. “Des gfoit ma,” meint dazu Dr. Falke, der diesen Abend eingefädelt hat, um seinen Rachegelüsten gegenüber Gabriel von Eisenstein (Peter Bording) endlich nachzukommen. Der erlittene Karnevalsstreich steckt Dr. Falke immer noch tief in der Brust; und nachtragend ist man in dieser Gesellschaft liebend gern. Intrigen sind einfach was Tolles. Das Lachen wird dem Herrn von Eisenstein schon noch vergehen. Ganz anders ergeht es dem Prinzen, den alles langweilt. Seine Millionen seien sein Verderben, findet er. Er will endlich wieder lachen. Nur deshalb finanziert er den Ballabend – fürs Amüsement… – sein eigenes und dessen der Gäste. Auch das bloße Zuschauen – bei welchem Akt auch immer – könnte ihn ja belustigen. Dr. Falke verspricht ihmSpaß. Es heißt: Die Rache einer Fledermaus! 

Sobald er es ausgesprochen hat, ertönen Beats und Sounds aus den Boxen und einige Break-Dancer der Tanzschule Spetzger geben ihre eindrucksvollsten Moves und Jumps zum Besten. Auch wir lassen uns ein wenig zu Bewegung verleiten und gehen gut gelaunt von der Bühne ab. 

“Stop, Stop, Stooop! So geht das nicht. Wäre es möglich, dass Privatismen vermieden würden,” erschallt es aus dem Zuschauerraum. Er hat wieder einmal jemanden entdeckt, der aus seiner Rolle gefallen, ins Private gerutscht ist und deshalb das gesamte Bühnenspannungsfeld, gelinde gesagt, vernichtet hat. “Mir ist sowieso am Liebsten, ihr bleibt in eurer Rolle bis ihr wieder bei euch zu Hause seid’s,” ermahnt Georg Schmiedleitner – der Regisseur. Sonst schien alles mehr oder minder in Ordnung, habe ich den Eindruck. 

Nun denn, den nächsten Auftritt proben wir dann morgen Abend. Schnell geht’s ab in die Maske zu Marlene, Gudrun & Co., die Perücke zurückgeben, in die Umkleide, raus aus dem Kostüm, damit ich vor dem Künstler- und Diensteingang noch gemütlich zwei Worte quatschen kann, bevor ich nach Hause düse und vor dem Schlafengehen erneut einen neuen blauen Fleck auf meinem Körper entdecke und im Bett liegend das Gefühl habe – ich lebe. Jetzt bin ich aber einfach nur müde. Gut’ Nacht!

Fotos: VBB, Hermann Maria Gasser

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