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May 15, 2014

Monokultur in Politik + Medien: Leonhard Angerer in der Stadtgalerie Brixen

Franz
Von 16. Mai bis 7. Juni 2014 ist in der Stadtgalerie Brixen die SKB-Ausstellung "Monokultur" mit Arbeiten von Leonhard Angerer, ARTbrothers Kraxentrouga, Sylvia Barbolini, Ruth Gamper, Pascal Lampert, Maria Mathieu, Franz Pichler, Elfi Sommavilla, Lois Steger, Sieglinde Tatz Borgogno, Andrea M. Varesco, Peter Verwunderlich, Karin Welponer, Mario Wezel, Andreas Zingerle, Wolfgang Zingerle zu sehen.

“Monokultur muss nicht unbedingt immer negativ besetzt sein,” meint Leonhard Angerer. Der in Terlan geborene und nun in Brixen lebende Fotokünstler ist einer der 17 KünstlerInnen, die von 16. Mai bis 7. Juni 2014 in der Stadtgalerie Brixen ihre Arbeiten zum Thema “Monokultur” zeigen; eröffnet wird die von Thomas Sterna kuratierte SKB-Ausstellung am 16. Mai um 18.30 Uhr. Leonhard Angerer zeigt zwei Arbeiten – “Parteizentrale” und “Rotationsmaschine“, die nach intensiver Beschäftigung des Künstlers mit den Themen Südtirol und Monokultur entstanden sind. Wir haben beim Fotografen, der mit einer analogen Kamera arbeitet, nachgefragt.

Leonhard Angerer, wie hast du das Thema der Ausstellung “Monokultur” interpretiert? Warum?… 

Monokultur ist eigentlich ein Begriff, der in den Naturwissenschaften verwendet wird. Sie ist eine Form der intensiven Bodenbewirtschaftung. Der Begriff wird aber letzthin auch in anderen Bereichen verwendet, so in der Politik, den Medien selbst in der Computerlandschaft spricht man nicht zu Unrecht von Monokultur und meint damit hauptsächlich den Netzgiganten Microsoft. Oder das soziale Netzwerk Facebook.
Bevor ich begonnen habe das von Thomas Sterna für den Südtiroler Künstlerbund konzipierte Thema fotografisch zu interpretieren, habe ich an all das gedacht, was ich in den letzten Monaten und Jahren zum Thema Südtirol gelesen habe. Die Regale der Buchhandlungen sind voll von Büchern über Südtirol. Südtirol ist ein Dauerbrennner: “Eva schläft” von Francesca Melandri, “Das Erbe” von Lilli Gruber, “Stillbach oder die Sehnsucht” von Sabine Gruber – ein Buch das ich nun zum zweiten Mal lese. Ebenso gut in Erinnerung ist mir Ulrich Ladurners Buch “Südtiroler Zeitreisen” aus dem Jahre 2012 geblieben. Im Kapitel fünf, das den Titel Bozen 2010 trägt, erzählt Ladurner in brillanter Art und Weise die Geschichte des Beamten und Dolmetschers Hu Xhi Feng, der nach Bozen kommt und dort erstaunliche Parallelen zwischen der politischen Führungskraft Chinas und der Südtiroler Volkspartei entdeckt.
Aber auch die Sicht von Außen war mir wichtig und dazu zählt der Artikel im Spiegel aus dem Jahre 2010 von Walter Mayr “Der ewige Durni”, in dem Südtirols bekanntester Winzer und Ex-Präsident des Museions, Alois Lageder, wortwörtlich sagt: “Südtirols Problem ist die Monokultur in der Landwirtschaft wie in der Politik.” Da war mir dann auch schon klar, dass ich mich mit zwei Themen beschäftigen würde: die Monokultur in der Politik und die Monokultur in Südtirols Medienlandschaft.Leonhard Angerer - Parteizentrale 2014 [1600x1200]Parteizentrale, 2014, Leonhard Angerer

Wie sind die beiden Arbeiten “Parteizentrale” und “Rotationsmaschine” für die Ausstellung in Brixen entstanden? – Wie gehst du beim Arbeiten vor?

Bevor ich eine Fotoarbeit erstelle, gibt es meinerseits immer eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema, erst dann erfolgt der Akt des Fotografierens. Quelle meiner Inspiration sind oft gesellschaftliche Prozesse, aber auch Träume und Fantasien.
Üblicherweise arbeite ich analog, ich bin wahrscheinlich einer der wenigen im Land, die noch immer analog im Mittelformat arbeiten. Und das ist keine Vintage-Nostalgie. In diesem Fall habe ich die digitale Technik eingesetzt. In mühevoller Kleinarbeit habe ich nach der Aufnahme die Parteizentrale der Südtiroler Volkspartei in der Brennerstraße zu einem “monokulturellen Kunstwerk” umgebaut. Ein monochromes Gebilde, das sich nach unten abgrenzt und nach oben hin öffnet, ist dann entstanden. Der ockergelbe Ziegelbau fasziniert mich schon länger. Es ist ja nicht unbedingt ein repräsentativer Bau und er beherbergt auch unter anderem die Redaktion des Südtiroler Wochenmagazins ff, “die ersten Eisbrecher in der Medienlandschaft” (die Bezeichnung stammt von Leo Hillebrand). Unabhängiger kritischer Journalismus und politische Macht wohnen hier Tür an Tür. 
Eine Provinz im Herzen Europas 66 Jahre lang ununterbrochen demokratisch zu regieren ist ja an sich schon ein außergewöhnliches Kunststück, das aber ohne bestimmte historische Voraussetzungen (Bedrohungsszenario – Überlebenskampf – Abschottung) nicht gelungen wäre. So kann man im übertragenen Sinn getrost von Monokultur sprechen. Wobei Monokultur eben wie in der Landwirtschaft ja nichts Nachteiliges bedeuten muss, ich lasse das einfach offen, ich bin kein Freund von absoluten Wahrheiten. 
Arno Kompatscher, der neue Landeshauptmann, steht heute, man kann das auf seiner Website nachlesen, für mehr Demokratie, Transparenz der Entscheidungen, Teamwork, für mehr Gerechtigkeit. Es muss vorher also schon ziemlich mono gewesen sein.
Natürlich hat auch diese Fotoarbeit – wie übrigens alle anderen – mit meinem Selbst zu tun, es wäre töricht, das zu leugnen. Der etwas düstere Bau wird zum Symbol und nur eine Deutung könnte hinter diesem Vordergründigen das Hintergründige finden. 
Bilder sind immer dann symbolisch, wenn sie mehr bedeuten, als sie ausdrücken. Das gilt auch für die zweite Fotoarbeit mit dem Titel “Rotationsmaschine”. Sie ist ausschließlich am PC entstanden. Der Computer und das Photoshop-Programm Lightroom ersetzen heute das, was einst meine geliebte Dunkelkammer war. Die Fotoarbeit erinnert  in ihrer dekorativen Art an Arbeiten der “Art and Crafts”-Bewegung  rund um den britischen Sozialisten William Morris: Sie zeigt eine Druckmaschine, wie sie unter anderem im Haus Athesia steht. Und sie  erinnert in ihrer Anordnung an den großflächigen Apfelanbau, der das Südtiroler Unterland  wie eine zweite Haut überzieht.

Wie mono ist denn nun Südtirol? – in Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Landschaft, Medienlandschaft, Menschen… Besteht Aussicht auf Veränderung?

In der Landwirtschaft ist Südtirol nachgewiesenerweise immer noch mono. Monokulturen überwiegen und es besteht ein Zusammenhang zwischen der Uniformierung der Agrarflächen durch großflächige Kulturen und den Export von Südtiroler Produkten. Frische Äpfel, Birnen und Quitten liegen an erster Stelle, gefolgt von Bestandteilen für Traktoren, weiters frische Trauben und Fruchtsäfte. Alles frisch.
Was die Medienlandschaft betrifft, ist das Medienhaus Athesia immer noch Hauptakteur in der zunehmenden medialen Durchdringung Südtirols. Der Verlag verfügt über viel Kapital und bringt immer neue Produkte auf den Markt. In Abgrenzung zur Dolomiten und zum Alto Adige gelingt es aber zunehmend anderen Medien diese Blockstellung zu überwinden (das Südtiroler Wochenmagazin ff, Die Neue Südtiroler Tageszeitung, Corriere dell´Alto Adige). Neue Onlineportale wie franzmagazine.com, salto.bz, tageszeitung.it, barfuß.it bringen Bewegung in die Medienlandschaft und endlich mehr Freiheit. franzmagazine und salto.bz sind zweisprachig – ein absolutes Novum in unserem Land. Die Südtiroler Gesellschaft hat eine kritische Öffentlichkeit auch bitter notwendig. Diese kritische Rolle übernehmen die JournalistInnen. – Jedenfalls in einer Gesellschaft, die behauptet, sie sei demokratisch. Denn das, was die Medien an Informationen weitergeben, hat einen entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Meinung.

 Leonhard Angerer - Rotationsmaschine 2014 70 x 70 cm Lambdaprint [1600x1200]Rotationsmaschine, 2014, Leonhard Angerer

Und wie mono ist die Kultur hier? – Nur hier?  

Dass die Kultur in Südtirol immer noch mono sei, ist ein Klischee. Das war vielleicht in den Zeiten von Kulturlandesrat Anton Zelger so. Zelger hat einmal den Spruch getan “Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns” – aber das ist auch schon lange her. Damals – wir reden von den späten 60igern  – waren die Pflege der Sprache und des Brauchtums Grundelemente der Erhaltung des deutschen und tirolerischen Brauchtums. Aber nach Anton Zelger und Bruno Hosp kam Sabina Kasslatter Mur und mit ihr die Moderne und die Beiträge im Gießkannenprinzip. Wer sich das Kunstbuch “Arbeiten. Lavori in corso” http://franzmagazine.com/2011/12/22/arbeiten-lavori-in-corso-ein-nachschlgewerk-der-kunstankaufe-2008-2011/ anschaut, merkt wie vielfältig und lebendig die einheimische, zeitgenössischen Kunstszene ist.
Heute ist H&M mono, Facebook ist mono, und, ich sage es frei heraus, mir sind die Schuhplattler am Villnösser Speckfest lieber als das Regal Expedit von Ikea.
KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, MusikerInnen, Theaterleute versuchen sich heute international zu vernetzen, die Gefahr einem Trend nachzulaufen besteht also generell. Ich möchte das anhand des Hipstamatic-Kults erläutern: Die auch bei KünstlerInnen beliebte Foto-App Hipstamatic für das iPhone produziert Aufnahmen, die aussehen wie Fotos aus den 1960er oder 1970er Jahren mit den Farben und Formen von gestern. Das Problem: In ihren Vintage-Outfits sehen sie doch irgendwie alle gleich aus, eben mono.

Was sollte denn Kunst? – Wie baust du das in deine Arbeiten ein?

Bei der Kunst halte ich es mit Adorno: “Die Werke warten auf ihre Interpretation, auf die Lösung ihres Rätsels, auf die Entfaltung ihrer Wahrheit. Kunstwerke, die bei der Betrachtung und dem Gedanken ohne Rest aufgehen, sind keine. Was immer sich in einem Kunstwerk ausdrückt, kann anders nicht gesagt werden. Könnte es anders gesagt werden, dann erübrigt sich das Kunstwerk. Kunst soll allen anderen Zwecken gegenüber frei sein.” Meine Arbeiten sollen folglich nicht bloßes Abbild einer politischen Wahrheit sein. Im Falle der Fotoarbeiten “Parteizentrale” und “Rotationsmaschine” sollte das Rätsel nicht aufgehen.

Wie du vorher erwähnt hast, muss mono nicht immer negativ aufgefasst werden. Was ist das Positive darin?
Genau. Aber der Begriff wird oft in einem negativen Kontext verwendet. Letzthin spricht man von einer Monokultur der Wirtschaftswissenschaften: Die Volkswirtschaftslehre wäre einseitig  und würde von der Neoklassik dominiert werden. Sogar von einer psychotherapeutischen  Monokultur ist die Rede und man meint damit Methoden des Verdammens und Ausschaltens anderer Therapieverfahren. Der Begriff wird immer populärer. Und mono assoziiert man eben mit Monopolwirtschaft, Monotonie, Monolog, Monomanie, Monoxyde, alles Begriffe, die eher negativ besetzt sind. Dieser großflächige Anbau mit seinem Pestizideinsatz hat dem Begriff stark zugesetzt. Aber es gibt dann auch schöne Wörter – den Monolithen, den Monotheismus, die Monogamie, die Monographie, das Monogramm, monochromatisch. Und ich liebe monochrome Bilder und den Song “Montonie” der Gruppe Ideal.

Was wäre das Gegenstück zu mono?
Das Gegenstück zu mono wäre poly (viele) oder auf Deutsch Vielfalt. Und wenn ich das Wörtchen poly höre, dann denke ich an Polydor, das deutsche Schallplattenlabel mit dem orangefarbigen Sternchen-Logo und an “Hey Joe” von Jimi Hendrix. 

Leonhard Angerer, 1953 in Terlan geboren, lebt in Brixen; Studium der Wirtschaft und Politischen Wissenschaften in Verona und Padua, diverse Praktika im Fotostudio der Firma Durst in Brixen, Lehrer und freischaffender Fotograf; seit 2007 Mitglied des Südtiroler Künstlerbundes. Diverse Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen unter anderem: Galerie foto-forum Bozen, Fotoforum West Innsbruck, Kunstforum Unterland, Stadtgalerie Brixen; sowie diverse Veröffentlichungen und fotografische Projekte. 

Fotos: Leonhard Angerer 

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