Music

May 13, 2014

LanaLive: Holy Land – Kulturfestival in Auseinandersetzung mit Religion und Kirche

Kunigunde Weissenegger

Allem voran, nach dem Motto – wenn sie uns schon diese Frage stellen, dann fragen wir doch mal gleich zurück – haben wir die Gretchenfrage den OrganisatorInnen von LanaLive selbst gestellt. Ihr müsst wissen, dass sie seit 1. April bis 25. Mai 2014 nach Antworten darauf suchen – eure könnt ihr entweder an info@lanalive.it mailen oder hier auf der LanaLive-Website posten oder natürlich auch auf Facebook. Die Ergebnisse fließen in den “LanaLive Report 2014“ ein. 

Hier nun also ihre Antworten auf die Frage: Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion? 

Katrin Klotz: In meiner Auseinandersetzung mit der Religion fühle ich mich – ich bemühe ein literarische Zitat, das das Bild aber meines Erachtens sehr schön vermittelt – wie eine Hagazussa, eine Zaunreiterin gefangen zwischen zwei Welten. Denn natürlich glaube ich, das verdanke ich meiner christlichen Sozialisation und dennoch fällt es in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft schwer kurz inne zu halten und sich auf das Wesentliche zu besinnen.

Hannes Egger: Religion ist “Geheimnis”, was ich damit meine, möchte ich mit einer kleinen Geschichte erzählen. Sie spielte in Japan und heißt “Der Ochs und der Hirte”. Es war einmal ein Hirte der hatte einen Ochsen, dieser Ochs lief dem Hirten davon. Der Hirte machte sich auf den Weg und suchte ihn, zuerst entdeckte er die Spur des Ochsen, dann sah er ihn, irgendwann berührte er ihn, fing, zähmte ihn und ritt auf dem Ochsen nach Hause. Anschließend vergaß er den Ochsen, schließlich auch sich selbst und er kehrte mit offenen Armen und lachendem Gesicht, alle Sprachen sprechend auf den Marktplatz zurück. Die Geschichte stammt aus dem Zen-Buddhismus. Der Ochs ist Sinnbild des Herzens, der Seele, man könnte auch sagen Gottes. Der Hirte verliert diesen Ochsen und sucht ihn. Wie er ihn findet transformiert er sich, er vergisst ihn und sich und er kommt mit einem veränderten Wesen in die Welt zurück. Christlich denkend und fühlend können wir auch vom Pfingsterlebnis sprechen.

Haimo Perkmann: Wenn man die Religion fragen würde: “wer bist du?”, so würde sie antworten: ich bin die Disziplin, in der es um Leben und Tod geht. Religion ist der Versuch, unsere Conditio Humana, die ein kosmischer Skandal ist, zu sublimieren und unserem Leben einen ästhetischen Wert und Würde zu verleihen. Sonst würden wir unsere Toten einfach liegen lassen oder kompostieren. Religion immer wieder auch zu einem Vehikel, um Machtansprüche zu transportieren. Dies hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Und die Erkenntnis darüber hat Giordano Bruno, der dies ausgesprochen hat, das Leben gekostet. Was bleibt übrig? Gott als essentia omnium, zweitens die Kirche. Die Kirche existiert und ist im Alltag omnipräsent. Drittens Himmel und Hölle, so wie Eriugena sie definiert: Himmel als Befreiung vom Dasein, Hölle als innere Qual des schlechten Gewissens und der Reue. Und viertens die Trinität, so wie sie von G. da Fiore oder auch Vico begriffen wurde. Für mich bleibt die Religion also ein philosophisch und politisch spannendes Thema. Weniger spannend ist dagegen plumpe Kirchenkritik. So hat es der arme Giordano Bruno nicht verdient, heute von Atheisten vereinnahmt zu werden, denn er war kein Atheist.Holy Land! 

“Getragen wird das Festival vom Verein ‘Südtirol Kultur’. Wir versuchen mit Kulturanbietern, die bereits vor Ort sind, zusammenzuarbeiten und sowohl lokale als auch internationale KünstlerInnen einzubeziehen,” meinen die VeranstalterInnen Katrin Klotz, Hannes Egger und Haimo Perkmann. “Holy Land”, der Titel der diesjährigen 2014er Ausgabe – zum einen doch kurios und zum anderen sehr passend: In Lana und Umgebung stehen an die 40 Kirchen, Kirchlein und Kapellen. Das Kulturfestival weiss anscheinend, wo es veranstaltet wird, und ignoriert dies nicht. – Am 23. Mai findet beispielsweise die Lange Nacht der Kirchen statt: nach dem Konzert des Vokalensembles InTakt wird “Der letzte Weg – Nachts auf dem Friedhof” begangen. Am 15. Mai um 20 Uhr eröffnet Matthias Loibner, einer der innovativsten und bekanntesten Drehleiervirtuosen dieser Zeiten, im Drei-Apsiden-Kirche LanaLive. Ein Ensemble, das am 18.5. in der Kirche Maria Himmelfahrt in Tisens spielt, heißt übrigens Rosengarten. Und wundert euch nicht, wenn ihr am Platz der größten Glocke Südtirols (nach der Concoridia 2000 am Kronplatz) einen Kronleuchter aus einem Fenster des Turms der Heilig-Kreuz-Kirche pendeln seht –  zwischen Profanem und Sakralem, zwischen Stolz und Größenwahn (?) – besagte Herz-Jesu-Glocke (6248kg) ist im Krankenstand, weil sie von ihrem eigenen Glockenklachel erschlagen wurde. Es ist das Werk Lumina Campana des in Leipzig lebenden Künstlers Sandro Porcu. Doch fragen wir bei einem der Organisatoren, Haimo Perkmann, nach und lassen uns von ihm mehr und alles über das 10-tägige internationale Kulturfestival erzählen. Heuer dreht sich bei LanaLive alles um “Holy Land”. – Wie kam es zum Titel?

LanaLive widmet sich jedes Jahr einer neuen, eng mit dem Territorium verknüpften Thematik. Die Herausforderung besteht immer wieder darin, aus dem jeweiligen Themenkreis etwas herauszuholen, das spannend und noch nie da gewesen ist. In diesem Jahr haben wir uns für das Thema Religion und Kirche entschieden. Die Idee war naheliegend. Im ehemaligen Kirchendorf Lana und seiner Umgebung finden sich rund 40 Kirchen aus zehn Jahrhunderten. 
“Holy Land” hat gleich mehrfache Bedeutung. Lana ist ja bis heute ein Zentrum des Deutschen Ordens, der eng mit der Geschichte der Kreuzzüge verbunden ist. Man fuhr mit durchaus kriegerischen Absichten und missionarischem Eifer ins Heilige Land, nach Jerusalem, in Akkon kam der Teutonische Orden dann zum Einsatz. Im 14. Jahrhundert gab es sogar einen eigenen Deutschordensstaat, der das gesamte Baltikum und Teile Polens umfasste. Die Deutschordensschwestern waren aber auch im Ersten Weltkrieg noch in den Lazaretten im Einsatz. 
Natürlich kennen wir alle auch den heute ironischen Beinamen “Heiliges Land Tirol”. Das trifft besonders auf Lana zu, ehedem an der Schnittstelle zweier Bistümer. Im Grunde ist dieses Territorium eines der ersten christlichen Gebiete Mitteleuropas, da es schon zur Zeit des Augustinus christianisiert war. So finden sich in Lana Spuren frühchristlicher Kirchen und spätantiker Grabstätten, auch terminologische Spuren wie das Vigiljoch, das auf St. Vigilius zurückgeht, der hier gewirkt hat. Später war es die Aufgabe von Lana, die bayerischen Klöster mit Wein zu versorgen. Man sieht, gewisse Dinge ändern sich nur, um anders und doch gleich zu bleiben. Damit wären wir beim Thema Immanenz, das im Zentrum des Musikprogramms stand.Stefano Bernardi GENUFLISSIONCELLA - St. Martin im Spital Kirche LanaStefano Bernardi beim Aufbau der kleinen Kniebank-Orgel “genuflessioncella” in der St. Martin im Spital Kirche in Lana

Es geht also um Kirche und Religiosität – wie du richtig sagst, Thema im “Heiligen Land Tirol”. Wie wird es ablaufen und was ist das Ziel?

Im Mittelpunkt des Festivals stehen ganz pragmatisch Musik, Kunst, Literatur und Film. In diesem Jahr wird das Ortszentrum von Lana mit einem temporären Kunstparcours bespielt. Zu sehen sind Werke von Stefano Bernardi, Sandro Porcu und Joachim Knobloch sowie eine interaktive Aktion zu Goethes “Gretchenfrage” und eine literarische Audioinstallation mit Texten der jungen Gargazoner Autorin Carla Thuile. Im Rahmen des Filmprogramms wird unter anderem die Dokumentation zum Kapuzinerkloster in Lana von Günther Haller gezeigt. Ein Vortrag mit Buchvorstellung der Historikerin Brigitte Strauß zum Thema “Erster Weltkrieg und Kirche” ist ebenso Teil des Festivals wie eine interreligiöse Begegnung mit Burggräfler Muslimen. 
Das Musikprogramm ist mit hochkarätigen Musikern wie Matthias Loibner und internationalen Ensembles wie dem Ensemble Leones, Vokalensemble Intakt oder Agon Orchestra besetzt. Das Burggräfler Ensemble Rosengarten widmet sich der Renaissance und dem Frühbarock, das international besetzte Südtiroler Ensemble La Douceur et l’esprit der Instrumentalmusik aus dem Hochbarock.Joachim Knobloch - Final Destination“Final Destination” von Joachim Knobloch  

Die Idee des Musikprogramms bestand darin, sakrale Musik in den Kirchen der jeweiligen Epoche aufzuführen, also gewissermaßen einen Immanenzrahmen zu schaffen, indem die Konzerte in jenes ästhetische, künstlerische, aber auch akustische Umfeld zurückverweisen, in dem die Kompositionen entstanden sind. Die Reise führt in die Welt der Romanik, in das Spätmittelalter der Gotik, in den Aufbruch der Renaissance und des Frühbarock, zum Hochbarock und schließlich zu zeitgenössischen Kompositionen, die das Prager Ensemble Agon Orchestra darbieten wird. Nicht zu vergessen die zeitgenössische Messe des belgischen Komponisten André Waignein mit sämtlichen Chören und der Bürgerkapelle Lana. 

Einige weitere Veranstaltungspunkte sind mir noch ins Auge gefallen: Worum geht’s bei Child’s Breath und im Workshop “Poesie der Langsamkeit”? 

Susanne Daeppen und Christoph Lauener zeigen ihre Performance, die im Auftrag von Northports Art Coalition in New York entstanden ist und im Oktober 2013 seine Uraufführung in den USA hatte. Es geht um die Liebe zweier Menschen, die über den Tod hinaus in starker Verbindung stehen. Dieses existentialistische Sujet bildet den Kern von Child’s Breath. “Poesie der Langsamkeit” am 17. und 18. Mai. konzentriert sich über den Butoh-Tanz auf Entschleunigung von Körper und Seele. Für diese beiden Veranstaltungen wird Eintritt bzw. Anmeldungsgebühren verlangt, sie wurden vom Labyrinthgarten Kränzel organisiert. 

Fotos: LanaLive

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