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April 1, 2014

“Am Schwarzen See”: mit der Vergänglichkeit der Dinge umgehen

Teseo La Marca
Eindrücke aus der VBB-Aufführung von "Am Schwarzen See" bis 13.4.2014 im Stadttheater Bozen.

Es ist ein seltsames Stück. Seltsam das Bühnenbild. Seltsam die Charaktere. Und seltsam auch das Thema, das gar nicht so typisch ist für Südtirols Theater. Dafür ist es typisch menschlich. In Dea Lohers Drama “Am Schwarzen See” geht es um zwei Elternpaare, die sich nach vier Jahren am schwarzen See treffen, wo sie einst eine vermeintlich glückliche Zeit zusammen mit ihren beiden Kindern verbracht haben. Diese Kinder, Fritz und Nina, gibt es nicht mehr. Sie haben sich ineinander verliebt und sich gemeinsam das Leben genommen. Seitdem sind vier Jahre vergangen, ohne dass sich die befreundeten Paare wiedergesehen hätten. 

Dea Loher greift in die Requisitenschachtel des antiken Theaters, insbesondere der Tragödie: Wir haben eine ungebrochene Einheit von Zeit, Raum und Handlung. Das gesamte Stück findet rund um einen Tisch statt, an dem die zwei Paare Cleo und Eddie, Else und Johnny zusammen sitzen und essen. Im Hintergrund sieht man eine kleine Wasserstraße, die ihre Wellen an einer Wand spiegelt. Wie in der antiken Tragödie wird hier ein übermächtiges Schicksal in den Raum gestellt, mit dem die Protagonisten irgendwie umgehen müssen. Die ungebrochene klassische Einheit ist denn aber auch das einzige, was ungebrochen ist: Der von den Kindern zerbrochene Glastisch, Cleos abgebrochene Schwangerschaft und schließlich Johnnys abgebrochener Satz “und wir reden hier so, als wäre nichts…” weisen allesamt auf das Geschehene hin: zwei frühzeitig abgebrochene Leben.

Am Anfang des Treffens ist noch jedes Gesprächsthema gut genug, um diesem Offensichtlichen auszuweichen: Cleos grauer Haaransatz, Eddies rote Konten. Nur die Ereignisse am Schwarzen See werden beflissen ignoriert. Der psychologische Prozess der Reminiszenz ist jedoch bereits in Gang gesetzt. Zuerst schüchtern, aber dann immer stärker, mit Vorwürfen und Selbstzweifeln, tasten sich die zwei Paare an das heran, was geschehen ist, warum es geschehen ist, und an das, was seitdem gewesen ist: “Eine Zwischenzeit, in der die Vergangenheit nie vergeht und die Zukunft niemals ankommt.” Währenddessen ziehen die Wellenreflexe unablässig an der hinteren Wand vorbei, wie ein ständiges Denkmal an das ewige Panta Rei des Lebens. Tatsächlich ist hier nicht Suizid, sondern Vergänglichkeit das zentrale Thema. Und die Angst, dass jede menschliche Bindung irgendwann mit einem Verlust einhergehen wird. Jeder hat seine eigene Art, auf diese Vergänglichkeit zu reagieren: Eddie verschleudert sein Vermögen und klammert sich umso stärker an Cleo, Cleo lächelt über alles hinweg, als ob nichts wäre, Johnny lebt nur noch für seine Karriere und Else sehnt sich nach einem fixen Ort, an dem sie für immer bleiben kann. 

Im masochistischen Versuch zu verstehen, was man hätte machen können, um die Tat der Kinder zu verhindern, vermutet Cleo, dass das vielleicht alles nicht passiert wäre, wenn sie sich von Eddie getrennt hätte und mit ihrem Geliebten Richard zusammengezogen wäre. So hätte sie den Kindern ein Zeichen gesetzt: Man kann verändern, was einem nicht gefällt. Vielleicht aber sind sie gerade vor diesen Veränderungen des Lebens geflüchtet, die auch ihre Beziehung einmal hätten zerstören können. “Liebe ist Tod, Tod ist Liebe”, so steht es in ihrem Abschiedsbrief. Wie die Eltern, so hatten auch Fritz und Nina einfach nur ihren ganz eigenen Weg gefunden, um mit der Vergänglichkeit aller Dinge umzugehen.

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