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March 31, 2014
Franz Pichler bei Kunst Meran: “Ein Arbeiter geht eigentlich nicht in eine Galerie”
Kunigunde Weissenegger
Nie hat er bisher öffentlich ausgestellt, aber zum heurigen 75. Geburtstag hat er sich auch eine widmen lassen bzw. haben Herta Torggler, Leiterin von Kunst Meran, und Kuratorin Sabine Gamper ihn dazu überreden können. “Hab keine Angst” zeigt erstmals in einer umfassenden Ausstellung das künstlerische Schaffen des Meraners Franz Pichler – Arbeiter, denn als Künstler sieht er sich ganz und gar nicht.
Angst hatte er tatsächlich nie, auch in den 70er Jahren nicht, als er sich politisch besonders engagierte und den Groaßkopfeten mit seinen Interventionen, Objekten, Installationen, Illustrationen und Collagen kräftig auf die Nerven und andere Körperextremitäten ging. So lassen auch seine ältesten Arbeiten aus den 60er Jahren die Brisanz der Stunde damals nachvollziehen. Betritt mensch diesen politisch gestalteten Teil der Ausstellung, wird Geschichte erlebbar: In Zeiten von Zelger-Aussagen wie “je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns”, während Rampold Dolomiten-Chefredakteur war, stellte Franz Pichler als extremer Linker und Teil des Südtiroler Kulturzentrums Politik, Gesellschaft und Kultur über die Kunst ständig in Frage. Die meisten leben der Zeit hinterher, ihr voraus sind die wenigsten…
Eigentlich ist Franz Pichler ja Bildhauer, aber seit jeher hat er auch grafische Arbeiten produziert. Zumeist arbeitet er thematisch, erzählt Geschichten. Krasse, harte Geschichten, die er mit spielerischen Elementen serviert, die Leute herausfordert, den eigenen Blick zu schärfen und die Bilder und Skulpturen zu interpretieren. Seine Assemblagen sind Konstruktionen von Gegenständen, die er im Alltag findet und verdichtet. Humorvoll, mit Leichtigkeit, Engagement. Immer verlangt Franz Pichler seinem Publikum etwas ab – der Werktitel kann unterstützend wirken. Seine Themen sind menschlich und das Menschsein: Liebe, Tod, Zusammenleben, Hoffnung, Fall, Schmerz, Täuschung, Erlösung – Themen, die in allen Religionen anzutreffen sind.
Reduzieren und Zusammenfügen – diese zwei Kräfte reihen sich bei Franz Pichler immer wieder aneinander und sind wichtige Bestandteile in seinen Arbeiten. Das Wegnehmen allen Überflüssigen – ersichtlich beispielsweise auch in seiner Abbildung weiblicher Formen und Darstellungen. Wobei: “Gegenstandslos kann genauso Scheisse sein,” ist einer seiner Aussprüche, trocken und amüsiert. Zwar erinnern seine Arbeiten auch an Pop Art oder Fluxus – eben die Strömungen, die ihn während seiner Studienzeit geprägt haben – sein Weg war und ist jedoch ein absolut eigenständiger. Wichtig ist ihm der Kontakt zum Publikum, der Perspektivenwechsel – um seine Arbeiten kann und soll mensch sich herum bewegen. Die 7 Todsünden sind dafür ein schönes Beispiel: sich einlassen, genau hinschauen. Ausserdem gibt es immer mehrere Wahrheiten. Charakteristisch für seine Arbeiten auch die Inszenierung knallharter Situationen, wie die Arbeit zum Verbrennungsofen. Es gelingt ihm jedoch auch immer spielerisch zu bleiben: “Das Leben ist so gegensätzlich, es bietet schwarz und weiss – das kann Mut machen…“Die Ausstellung ist bis 6. April 2014 bei Kunst Meran zu sehen. Wem die Ausstellung nicht reicht, kann sich am Donnerstag, 3. April um 20 Uhr bei Kunst Meran in Anwesenheit des Künstlers über das filmische Porträt von Traudi Messini einen Eindruck vom gesellschaftlichen Engagement des Künstlers, seines sympathischen, humorvollen und ungewöhnlich unprätentiösen, authentischen Wesens verschaffen: Franz Pichler spricht selbst über seine Kunst und erklärt in seiner bildhaften Sprache seine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen.
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